Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

Die Übergabe von Skutari an die Montenegriner. 
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Erschöpfung der Lebensmittelvorräte genötigt 
gewesen sei, die Befestigungen zu räumen und 
die Festung unter gewissen Bedingungen dem 
Kommandanten der montenegrinischen Armee 
auszuliefern. 
Die Linientruppen und die Reservisten hätten 
die Feld-, Gebirgs- und Schnellfeuergeschühe 
mit sämtlichen Munitionsvorräten mit sich ge 
nommen und würden über San Giovanni di 
Medua und Tirana abmarschieren. 
Die Vorgänge bei der Übergabe von 
Skutari. 
über die Vorgänge bei der Übergabe von 
Skutari berichtete Guelfo Eivinini, ein italieni 
scher Journalist im montenegrinischen Lager, 
der die Dinge aus nächster Aähe beobachten 
konnte, an den „Eorriere della Sera" vom 
23. April: 
Die Übergabe erscheint mir wie ein Mün 
der, überraschend und unerklärlich. Die Monte 
negriner hatten einen letzten, gewaltigen Sturm 
auf den Tarabosch vorbereitet und alle verfüg 
baren Truppen konzentriert. Aur wenige tausend 
Mann hatten sie in die von den Serben ver 
lassenen Stellungen von Brdica bei Buschati, 
Melbusi und von dort bis zum großen Bar- 
dagnol geworfen, um wenigstens den Schein 
der ununterbrochenen Umzingelung der be 
lagerten Stadt aufrecht zu erhalten, aber ohne 
jede Aussicht auf Erfolg bei der Abwehr eines 
etwaigen türkischen Ausfalles. Auch ihre Stel 
lungen am Ostufer des Skutarisees, bei Aioli 
und Wrka hatten sie fast gänzlich geräumt und 
ihre dortigen Truppen in aller Stille über den 
See nach Iogaj geschafft und für den Angriff 
auf den Tarabosch bereitgestellt. 
Im Lager der Montenegriner bei Murican, 
wo der Korrespondent am 20. April eintraf, 
war die Überzeugung verbreitet, daß der Besitz 
von Skutari für Montenegro nahezu eine Un 
möglichkeit geworden war. König Mkolaus 
hatte daher beschlossen, mit einer letzten Kraft 
anstrengung unter allen Umständen den Tara 
bosch zu besetzen und damit die Mächte zu 
zwingen, Montenegro das ganze rechte Ufer der 
Bojana einschließlich der Festung Tarabosch zu 
zusprechen. Als Vorbereitung zum Sturm zer 
störte auf den Aat des italienischen Majors 
Eattagani die montenegrinische Artillerie die 
Brücke über die Bojana, isolierte so die türki 
schen Stellungen in dem ganz vom Master um 
gebenen Fort von Brdica und auf dem kleinen 
Bardagnol und benahm damit den Türken die 
Möglichkeit, von dort Verstärkungen herbei 
ziehen zu können. 
Mährend dieser Vorbereitungen hatte der 
Korrespondent am 21. April eine Unterredung 
mit dem General Martinovic, der ihm erklärte: 
Sie können sich auf Überraschungen gefaßt 
machen! In zwei Tagen sind wir in Skutari! 
Mas war geschehen? Am Tage vorher, 
Sonntag, war auf dem See, von Skutari 
kommend, ein türkischer Dampfer erschienen, der 
eine weiße Fahne gehißt hatte. Er war von 
den Montenegrinern bei Skia durch rote Flaggen 
zeichen angehalten worden. Zwei türkische Offi 
ziere stiegen ans Land und fragten nach dem 
Kronprinzen und dem Minister plamenac, für 
welche sie einen Auftrag des Kommandanten 
Effad Pascha hätten. Der Kronprinz befand sich 
in Virpazar und bis zu seiner Ankunft wurden 
die Türken kameradschaftlich bewirtet. Als sie 
vertraulich mitteilten, daß sie beauftragt seien, 
wegen der Übergabe zu verhandeln, wurden sie 
unter allgemeinem Jubel mit Champagner 
traktiert. 
Am nächsten Morgen, Montag vormittags 
10 Uhr, fand die geheime Unterredung mit den 
türkischen Parlamentären statt, an der von den 
Montenegrinern Prinz Danilo, Minister pla- 
menac, tzauptmann Tomanovic, Adjutant des 
Königs, und Minister Dschuranovic teilnahmen. 
An demselben Tage, nachmittags, kehrten die 
Parlamentäre in Begleitung des General Vu- 
kotic und des Ministers plamenac nach Sku 
tari zurück. So standen die Dinge am Montag. 
Gegen Abend kam aber die Vachricht aus 
Skia, daß ein neuer türkischer Parlamentär ein 
getroffen sei. In derselben Äacht wurde der 
Korrespondent vom Geklingel des Telephons 
geweckt und hörte im Vebenraum den General 
Guravic fragen und antworten: „Mann hat 
die Unterzeichnung stattgefunden?" — „Vor 
einer halben Stunde, um 1 Uhr." — „Über 
gabe mit ehrenvoller Überlassung der Waffen. 
Mittag werden wir den Tarabosch besehen, 
nachmittags Brdica und Bardagnol. Es scheint, 
daß die Albanesen und Muselmanen revoltiert 
haben, aufgehetzt gegen Effad Pascha von . . ." 
— „Und von wem?" Das Tele 
phon antwortete nicht mehr. Es hatte auch ge 
nug gesagt. 
In dieser Aacht schlief niemand mehr. Am 
Morgen ertönte die Telephonklingel aufs neue. 
Die Übergabe ist an Bord der „Vettuno" 
unterzeichnet worden, und zwar hatten sich die 
türkischen Parlamentäre, Prinz Danilo und Mi 
nister plamenac um 10 Uhr abends in Skia 
aufs neue eingeschifft und waren um V-2 Uhr 
mit der frohen Botschaft zurückgekehrt: Skutari 
wird übergeben, aber das türkische Kommando 
übernimmt keine Verantwortung für die Be 
völkerung, die sich teilweise wider die Übergabe 
aufgelehnt hat. Den montenegrinischen Soldaten 
ist aufs strenste verboten, bei der Besetzung der 
Forts und der Stadt auf Provokationen mit
	        
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