Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

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Die panslawistische Propaganda Ln Rußland. 
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Man ist hier darüber informiert, das) Serbien 
in der Skutarifrage eine vorsichtigere Haltung 
einzunehmen beginnt. Richt nur sucht die serbi 
sche Regierung durch die eindringlichsten Vor 
stellungen den König von Montenegro zum 
Vachgeben zu bewegen, sie hat sich auch ge 
weigert, als sie die einmütige Haltung Europas 
in dieser Frage erkannte, neue Hilfstruppen nach 
Skutari zu senden. Ms man in Belgrad von 
der Absicht der Großmächte erfuhr, die Blockade 
auf die nordalbanesische Küste auszudehnen, 
gab man sofort telegraphisch nach Saloniki die 
Weisung, die dort eingeschifften Truppen wieder 
auszuschiffen. Gleichzeitig benachrichtigte die 
serbische Regierung König Rikolaus, das) sie 
angesichts der Umstände außerstande sei, weitere 
Truppen zur Verfügung zu stellen. 
Die Gründe für diesen Umschwung in der 
Haltung Serbiens sind aber auch noch an 
anderer Stelle zu suchen. Es hat Mischen 
König Rikolaus und dem die serbischen Hilfs 
truppen vor Skutari kommandierenden General 
Bojovic Unstimmigkeiten gegeben, die den König 
zur Riederlegung des Oberbefehles veranlaßten. 
Man fürchtet nun in Belgrad, daß König 
Rikolaus unter Hinweis darauf, daß ein serbi 
scher General das Oberkommando vor Skutari 
führe, die Verantwortung für die ganze Affäre 
auf Serbien zu schieben versuchen werde. Dem 
gemäß hat die serbische Regierung ihre Ge 
sandten beauftragt, den Regierungen der Groß 
mächte mitzuteilen, daß Serbien keine weiteren 
Truppen nach Skutari senden werde. 
Wie entgegenkommend) Da Serbien fürchten 
mußte, seine Truppen von der Demonstrations 
flotte abgefangen zu sehen, und da der Rach 
schub frischer Truppen auf dem Landwege lange 
Zeit in Anspruch nehmen mußte, sah man da 
von ab und notiftzierte diese Rachgiebigkeit noch 
besonders den Großmächten. Und die Groß 
mächte dachten daran, dem König von Montenegro 
seine Ansprüche auf Skutari, die sich auf gar 
nichts stützen konnten, mit einer Millionen 
anleihe abzukaufen) 
Eine russische Erklärung. 
Am 10. April veröffentlichte das russische 
Ministerium des Äußern indessen folgende Mit 
teilung: 
Das Hauptziel der russischen Regierung an 
gesichts der militärischen Erfolge der Balkan 
verbündeten war, den Siegern so weit als mög 
lich die Ergebnisse ihrer Siege zu sichern. Ver 
wickelte und mühsame Verhandlungen haben 
dieses Ziel verwirklicht, denn die Verbündeten 
konnten Erfolge nur erzielen bei Unterlassung 
eines Eingreifens der Mächte. 
Um den richtigen Wert und die Bedeutung 
des von Rußland den Balkanstaaten erwiesenen 
Dienstes zu ermessen, muß man sich die ganze 
Schwierigkeit der internationalen Situation so 
wie die Kollision der einander widerstreitenden 
Interessen vor Augen halten. Die Lokalisierung 
des Krieges war nur unter Mei Bedingungen 
möglich: erstens Verzicht der Großmächte auf 
territoriale und andere besondere Vorteile, 
Meitens Verzicht auf alle individuellen Aktionen 
auf ihrer Seite. Diese negativen Bedingungen 
beinhalteten eine dritte positive Bedingung: eine 
Revision der durch den Krieg geschaffenen Lage 
und deren Anpassung an die Interessen der 
Großmächte, auf welche Interessen letztere nicht 
verachten konnten. 
Die Erfüllung dieser Bedingung konnte nur 
abhängen von dem europäischen Konzert, dessen 
Entscheidung im Ramen ganz Europas gefällt 
wurde. Ebenso konnten individuelle Aktionen 
der Mächte nur verhindert werden durch die 
solidarische Anerkennung der bindenden Kraft 
der Beschlüsse Europas. 
Unter diesen Verhältnissen wurde die Kon 
ferenz der Botschafter in London einberufen, 
die ihre schwierige Aufgabe, die Rord- und 
Rordostgrenzen Albaniens festzustellen, soeben 
beendet hat. 
Diese Aufgabe stand im Gegensatze zu den 
Interessen Montenegros und Serbiens und ihrer 
ganz natürlichen Expansionstenden). Anderseits 
wurden die albanesifchen Interessen von Öster 
reich-Ungarn und Italien beschützt, welche den 
Ztstus quo im Adriatischen Meer für ein so 
vitales Interesse hielten, daß sie diesbezüglich 
keinen Zweifel zuließen. 
Die Erhaltung des ätstus quo bedeutete 
gleichzeitig auch den Bestand selbst der albanesi- 
schen Provinz, woraus sich das Bestreben ergab, 
die Landgrenzen Albaniens so weit als möglich 
zu erweitern, das eine homogene Bevölkerung 
albanesischer Abstammung umfaßt. 
Infolge der langen, unausgesetzten Ver 
handlungen wurde ein Kompromiß erzielt, das 
gegenseitige Konzessionen zum Ergebnis hatte. 
Rachdem Rußland prizrend, Ipek, Djakova 
und Dibra den Slawen erhalten hatte, hielt 
es für notwendig, die Einverleibung Skutaris 
in Albanien zuzugestehen. Das Zugeständnis 
wurde im Interesse der Erhaltung des Friedens 
gemacht, dessen Erschütterung aus oben erwähnter 
Ursache als eine offenbare Absurdität erschienen 
wär, da Skutari eine rein albanesische Stadt 
mit dem Sitze eines katholischen Erzbischofs ist. 
Das wird vollkommen durch die Berichte des 
russischen Vizekonsuls in Skutari bestätigt, 
welcher an der Hand von Tatsachen die wesent 
lich militärische Rolle der Montenegriner her 
vorhebt, welche unfähig seien, mehrere Tausend 
katholische und muselmanische Albanesen zu
	        
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