Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

Die internationale Situation. 
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Verwirrung und besonders jene 900 serbischen 
Soldaten, welche noch nicht gelandet worden 
waren, waren außer sich vor Schrecken. Sie 
ließen sich an Tauen in das Wasser nieder. 
Bei diesem Rettungsversuche ertranken 30 Mann. 
Ruch von den hinter die Landzunge geflüchte 
ten 5 Dampfern sind einige havariert. 
Die Mehrzahl der Schüsse war jedoch gegen 
das Lager und gegen die Vorratsdepots ge 
richtet, wo sie großen Schaden anrichteten. 
Beim Bombardement sollen über 20 Personen 
getötet worden sein. Die Serben auf dem Lande 
taten ihr bestes, um sich zu verteidigen. Sie 
versuchten, schnell ihre Geschütze, welche für die 
Belagerung von Skutari bestimmt waren, gegen 
die „Hamidijeh" zu richten, aber ohne beson 
deren Erfolg. Das Bombardement von Medua 
dauerte 25 bis 30 Minuten und diese kurze 
Frist genügte, um auf dem ganzen Lande und 
unter den Truppen die größte Verwirrung zu 
bewirken und großen Schaden anzurichten. Ins 
gesamt wird die Zahl der Opfer auf 50 ange 
geben, darunter 6 oder 7 Personen der Be 
satzung der beiden versenkten Dampfer. 
Dann zog die „Hamidijeh" wieder die 
Flagge ein und steuerte gegen Rntivari und 
Dulcigno. Die „Hamidijeh" hätte noch größeren 
Schaden verursachen können, doch es heißt, daß 
es ihr nur daran gelegen war, zu demonstrieren, 
denn wenn sie es gewollt hätte, hätte sie auch 
die übrigen Vorratsdepots und die geflohenen 
Dampfer zerstören können. In San Giovanni 
di Medua ist man um das Schicksal eines 
achten Transportdampfers, von welchem jede 
Vachricht fehlt, sehr besorgt. Rn dessen Bord 
sollen sich 400 serbische Soldaten befinden. Es 
verlautet, daß auch dieses Schiff von der „Ha 
midijeh" in den Grund.gebohrt worden sei- 
Ob sich nachträglich dieses Transportschiff 
noch an seinem Bestimmungsort eingefunden 
hat, oder ob es wirklich von der „Hamidijeh" 
in den Grund gebohrt worden war, ist nie auf 
geklärt worden. Die Serben und die Griechen 
schwiegen über die Vorgänge, verheimlichten 
ihre Verluste nach Möglichkeit und wollten nicht 
zugeben, daß der zweite Raid der „Hamidijeh" 
noch erfolgreicher war, als der erste. 
Ruf den Gang der Ereignisse aber konnte 
der wagemutige, tapfere Raous Bey, der Kom 
mandant der „Hamidijeh", keinen Einfluß 
nehmen, auch seine zweite, an sich bewunderns 
werte Exkursion blieb nur eine Episode, die 
zwar der türkischen Marine zur Ehre gereichte, 
aber doch keine Rnderung im Stand der Dinge 
herbeiführen konnte. 
Die Ermordung des Franziskanerpaters 
palic. 
Die Serben sandten also fleißig Unter 
stützung zur Belagerung von Skutari, das von 
den Mächten Albanien xugesprochen worden 
war. Serben und Montenegriner zusammen 
trotzten den Mächten und hausten in den be 
setzten albanesischen Gebieten wie die Hunnen. 
Die Rlbanesen galten ihnen für vogelfrei; sie 
brandschatzten und mordeten, was ihnen unter 
kam. Besonders wurde darüber geklagt, daß die 
montenegrinischen Soldaten Iwangsbekehrungen 
zur Orthodoxie unter den katholischen Rlbanesen 
vornahmen. Bei einer solchen Gelegenheit wurde 
in Djakova der Franziskanerpater palic am 
7. März 1913 in scheußlicher Weise ermordet. Uber 
die Tat selbst wurde von einer dem Ermordeten 
nahestehenden Seite berichtet: 
Rngelus palic wurde am 12. Januar 1870 
in Janjevii in Albanien geboren, war also 
43 Jahre alt. Jm Jahre 1886 trat er in den 
Orden der Franziskaner ein, der in Albanien 
seit langer Zeit große Verehrung genießt, und 
erhielt im Jahre 1893 die Priesterweihe. 
Am 7. März vereinigte sich in und um 
Djakova herum die Soldateska mit fanatischen 
orthodoxen Geistlichen, um die Bevölkerung ge 
waltsam zum Übertritt vom katholischen Glauben 
zum orthodoxen zu zwingen. 
Etwa 300 Personen, Männer, Frauen und 
Kinder, unter ihnen Pater Rngelus palic, 
wurden mit Stricken gefesselt und unter Todes 
drohungen zum Übertritt aufgefordert. 
Ein orthodoxer Priester zeigte auf die Sol 
daten, die mit Gewehren bereit standen, und 
sagte: 
„Entweder ihr unterschreibt, daß ihr hiemit 
zu unserem einzig wahren Glauben über 
getreten seid, oder diese militärischen Gottes 
streiter werden eure Seelen in die Hölle be 
fördern." 
Daraufhin unterzeichneten die Gefangenen 
den Bogen, auf dem die llbertrittserklärung zur 
orthodoxen Religion vorgeschrieben war. 
Als letzter kam Pater Rngelus an die 
Reihe, und er war der einzige, der die Stärke 
besaß, sich ruhig und würdevoll zu weigern, 
seinen Glauben zu verlassen. 
Als Pater Rngelus auf dreimalige Auf 
forderung und trotz des Flehens der zwangs 
weise übergetretenen Katholiken bei seiner 
Weigerung beharrte, spielte sich eine entsetzliche 
Szene ab, die man im 20. Jahrhundert in 
Europa nie und nimmer für möglich gehalten 
hätte. 
Ruf einen Wink der orthodoxen Priester 
fielen die Soldaten über den Franziskaner her, 
rissen ihm das geistliche Gewand vom Körper
	        
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