Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

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Der Fall von Ädrianopel. 
□o 
sämtliche Ostforts, zuerst die Forts in der Vähe 
von Aivasbaba und Aitschioglu und sodann die 
anderen: Kestenlik, Kurutschesme. Pildiztabia, 
Tobiolu, Kawkastabia und Kaik. 
Während die Infanterie vorging, folgten 
unmittelbar darauf die Feldbatterien und hinter 
ihnen die Haubitzen, die sofort nach Einnahme 
der Festungslinie gegen die Türken, die sich 
auf Vikla zurückzogen, ein heftiges Feuer er 
öffneten. 
Gegen 7 Uhr 30 Minuten früh fiel die ge 
samte Befestigungslinie in die Hände der Bul 
garen, die unentwegt die Türken, die sich in 
nordwestlicher Aichtung zurückzogen und noch 
Widerstand leisteten, verfolgten. Gegen 9 Uhr 
begannen unsere Haubitzen diesen Sektor in 
Trümmer zu schießen. 
Schükri Pascha, der nunmehr einsah, daß 
die Situation hoffnungslos sei, gab den Auf 
trag, die Depots im südwestlichen Sektor in 
die Luft zu sprengen. 
Gegen 10 Uhr vormittags bemächtigten sich 
unsere Truppen des Ostsektors des Stadtteiles am 
linken Ufer des Tundschafluffes. 
Gegen Mittag ließ das Feuer auf der 
ganzen Linie nach; im Südsektor dauerte der 
Kampf bis 11 Uhr vormittags, am Westsektor 
bis mittags fort. Gegen 1 Uhr nachmittags 
hörte das Feuer vollständig auf. Um 7s2 Uhr 
ergab sich Schükri Pascha dem General 
Iwanow. 
Am 24 Mär), 1 Uhr nachmittags, war so 
mit der erste Signalschuß zum Angriff und am 
26. zur selben Stunde der letzte Schuß abge 
geben worden. Der erbitterte Kampf auf Leben 
und Tod zwischen Belagerern und Belagerten 
hat also volle 4L Stunden gedauert, worauf die 
bulgarische Flagge auf der stolzen Festung ge 
hißt wurde. 
Die Einnahme von Adrianopel hatte die 
Bulgaren 1O.O0O bis 12.000 Mann an Toten 
und Verwundeten und die verbündeten Serben 
1200 Mann an Toten und Verwundeten ge 
kostet. Die bulgarische Armee nahm 14 Ge 
neräle und ungefähr 20O0 Offiziere und 
60.000 Mann gefangen und erbeutete 14 
Fahnen und eine Menge Munition. 
* , * 
* 
Dieser offizielle bulgarische Bericht ist 
tendenziös gefärbt. Er soll in allererster Linie 
dartun, daß die Mitwirkung der Serben bei 
dem Sturm auf Adrianopel nur eine gering 
fügige gewesen ist, daß die Heldentaten von 
den Bulgaren allein geleistet wurden. Das war 
tatsächlich nicht, richtig; wir werden serbische 
Stimmen hören, die ganz anders lauten und, 
auf das richtige Maß zurückgeführt, den Be 
weis liefern, daß die Serben sehr wohl an der 
Erstürmung der Festung ihren Anteil hatten. 
Der bulgarische Versuch, diesen serbischen An 
teil zu verkleinern, war sehr wohl berechnet; er 
hat wesentlich dazu beigetragen, daß das bul 
garisch-serbische Verhältnis sich immer mehr ver 
schlechterte, und zwar noch, während die beider 
seitigen Truppen Schulter an Schulter mit 
einander kämpften. Außerdem muß den bul 
garischen Offiziösen, die in bezug auf die Wahr 
heit der Berichterstattung im Laufe der Zeit 
sich zu ihrem Vachteile verändert hatten, der 
Vorwurf gemacht werden, daß sie die Zahl der 
Verteidiger Adrianopels wesentlich übertrieben, 
ebenso die Zahl der wirklich brauchbaren türki 
schen Geschütze. Wenn es der überlegenen bul 
garisch-serbischen Artillerie nicht gelungen wäre, 
die türkischen Befestigungswerke in Trümmer 
zu schießen, wenn nicht Hunger und Entbehrung 
in Adrianopel selbst ihnen wacker vorgearbeitet 
hätten, dann hätte, die bulgarisch-serbische 
Tapferkeit in allen Ehren, der Fall von Adria 
nopel wahrscheinlich noch ziemlich lange auf sich 
warten lassen. Die Belagerten hatten diese Tage 
übermenschliches geleistet und verdienen die Be 
wunderung der Welt in weit höherem Maße, 
als die Belagerer, die doch wenigstens satt zu 
essen hatten. Wir schätzen die Bajonettangriffe 
der bulgarischen und serbischen Truppen sehr 
hoch ein, aber der Heroismus, mit dem die 
Türken aushielten, bis es in Festung und Stadt 
Adrianopel eben nichts mehr zu schützen und zu 
retten gab, ist von ganz anderer Art, als der 
bulgarische Schrei nach dem Messer. 
Fahren wir fort in der Schilderung der Er 
eignisse: 
Ein Bericht des Generals Iwanow. 
Der amtlichen bulgarischen Darstellung sei 
gleich der Bericht des Generals Iwanow, des 
bulgarischen Höchstkommandierenden vor Adria 
nopel angereiht, der gleichfalls die Tendenz 
zeigt, den Anteil der Serben an der Einnahme 
Adrianopels so bescheiden als nur irgend mög 
lich hinzustellen. Der General berichtete: 
Vachdem die Festung von Adrianopel ge 
fallen war, beeilten sich viele, die Welt irre zu 
führen betreffs der Beteiligung der verbündeten 
Serben. 
Das Sonderbare daran ist, daß die ersten 
tendenziösen Meldungen sogar in der ernsten 
Presse und in den offiziellen Kreisen Anklang 
fanden. Für alle Fälle dienten diese Meldungen 
als Argument, um gewisse offizielle Kreise und 
Kanzleien in Irrtum zu führen. Die Geschichte 
duldet aber falsche Fakten nicht, sondern sucht 
immer die Wahrheit, welche durch unwiderleg 
bare Dokumente bestätigt wird. Dies bildet den 
Gegenstand der folgenden Schilderung:
	        
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