Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

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Die Haltung Rußlands. 
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hatte, ohne damit weder seiner Regierung, noch 
Europa, noch auch Serbien selbst einen Dienst 
geleistet zu haben. 
Die französische Regierung hat in Belgrad 
zur Mäßigung gemahnt und den serbischen 
Staatsmännern die Überzeugung beigebracht, 
daß sie durch zu weitgehende, die Interessen der 
europäischen Großmächte verletzende Forderungen 
ihre berechtigten Ansprüche schädigen würden. 
Richt allein Österreich-Ungarn und Italien halten 
ein autonomes, unabhängiges Albanien im Inter 
esse ihrer Politik für erforderlich, auch Frank 
reich, England und Rußland anerkennen den 
Standpunkt, daß auch die Albanesen befreiungs 
würdig sind und daß nicht zugelassen werden 
könne, daß sie das Joch einfach wechseln. 
Die Serben wollen 
einen Ausgang an das 
Meer, das werden sie 
in irgendeiner Form be 
kommen,- sie wollen ein 
Stück Albanien, das 
kann ihnen nicht gewährt 
werden. Vor einigen 
Tagen ist die Idee auf 
getaucht, das unabhän 
gige Albanien mit der 
serbischen Hasenordnung 
in Einklang zu bringen. 
Albanien soll nicht ge 
teilt werden, es soll durch 
schnitten werden, indem 
man den Serben einen 
durch Albanien führen 
den Streifen zuweist, der 
die Verbindung Ser 
biens mit dem neuen 
Handelshafen an der 
Adria herstellen soll. 
Einen Korridor nennt 
man dieses Stück in sehr 
bescheidener Bezeichnung. Das ist ein Vermitt 
lungsvorschlag, der, wie es scheint, von russischer 
Seite ausgeht. Es ist gewiß gut gemeint, aber 
nach der geographischen Lage praktisch undurch 
führbar und selbst für Serbien mit großen Un 
zukömmlichkeiten verbunden. 
Die Überwachung dieses etwa 200 Kilometer 
langen Streifens von beiden Seiten müßte eine 
sehr strenge und kostspielige sein, soll Schmuggel 
verhindert werden und dann ist es ungewiß, ob 
das Terrain dieses Streifens einen Bahnbau 
gestattet. Frankreich und Rußland werden bald 
die Überzeugung gewinnen, daß dieser Vermitt- 
lungsvorschlag zu keinem Ziele führt und daß 
ein anderer Ausweg gesucht werden muß. 
Die hiesige Regierung ist zur Überzeugung 
gelangt, daß Österreich-Ungarn nicht darauf ab 
zielt, Serbien wirtschaftlich zu ersticken. Der 
ganze wirtschaftliche Aufschwung, dessen Serbien 
sich erfreut, ist von Österreich-Ungarn mitbe 
gründet worden. In hiesigen politischen Kreisen 
hat heute eine zeitgemäße statistische Tatsache 
einen gewissen Eindruck gemacht. Jm Jahre 
1880 betrug das ganze Budget Serbiens nicht 
ganz 20 Millionen, heute ist es bei 120 Mil 
lionen angelangt und dies nach allen schweren 
Krisen, die das Land durchmachen mußte: ein 
unglücklicher Krieg, zweimaliger Thronwechsel 
mit revolutionären Erschütterungen. Die fran 
zösische Regierung sowie Rußland haben jetzt 
die Überzeugung, daß Österreich-Ungarn die Ent 
wicklung Serbiens mit wohlwollendem Interesse 
unterstützen will. Das ist eine Basis für die 
versöhnliche Aktion, welche die französische Re 
gierung in Belgrad ge 
führt hat und weiterhin 
zu führen entschlossen ist. 
Reutrale Stellung 
Englands. 
In einem bemerkens 
werten Artikel betont 
am 26. Rovember die 
„Westminster Gazette", 
deren Beziehungen zum 
Auswärtigen Amt in 
London bekannt sind,daß 
in dem unglaublichen 
Falle eines europäischen 
Krieges wegen der ser 
bischen Adriaansprüche 
England nicht darein 
verwickelt sein würde. 
Bei aller über den Buch 
staben hinausgehenden 
Vertragstreue besteht für 
England keine Verpflich 
tung, sich in die natio 
nalen Rivalitäten des Balkans hineinzustürzen 
oder seine Unterstützung der einen oder der an 
deren Gruppe zu verpfänden, wenn diese Gruppen 
töricht genug sind, den österreichisch-serbischen 
Konflikt sich ausbreiten zu lassen. 
Englands Pflicht ist, heißt es in diesem 
Artikel weiter, ehrlichen und uninteressierten Rat 
zu geben und dabei zu bleiben, was immer 
folgen mag. Wenn Serbien trotz dieses Rates 
nicht nachläßt und einen Streit mit Österreich- 
Ungarn riskiert, darf es nicht auf Englands 
Unterstützung rechnen, und ebensowenig seine 
Hintermänner, wenn es solche hat. 
In dieser Äußerung des englischen Blattes 
ist der Schlüssel für den Stimmungsumschwung 
vor allem in Paris zu suchen. Es kann kein 
Zweifel bestehen, daß Frankreich gerne bereit 
gewesen wäre, Rußland in dem Versuche zu 
Der griechische Delegierte General Danglis.
	        
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