Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

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An der Tschataldschasront. 
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Hademköj, 16. Mär). 
Bis )u den äußersten türkischen Posten bei 
Elbassan wollte ich vordringen und so will ich 
denn am Nachmittag mit Hauptmann Fuad 
Bey und einer kleinen Kavallerieabteilung die 
Höhen von Tschataldscha hinan. Ein von den 
Bulgaren ausgebesserter Weg führt ziemlich 
steil hinauf. Hier war beim Angriff der Bul 
garen auf die türkischen Werke die Haupt 
stellung der bulgarischen Artillerie. Schützen 
gräben laufen den ganzen Gebirgskamm entlang, 
die Bäume und Weinstöcke sind )um größten 
Teil abgehauen, um freien Ausblick )u haben. 
Die Stellung ist glänzend, und wenn es den 
Bulgaren gelungen wäre, schwere Geschütze hier 
oben auf)upflan)en, so hätten sie unbedingt die 
gegenüberliegenden Werke Mahmudijeh und 
Hamidijeh niederkämpfen können. Dicht vor 
uns liegt der Ort Tschataldscha selbst und in 
der Mitte der Ebene geht die Bahn. Von 
Derkos herüber hört man deutlich den Kanonen 
donner, und näher heran, kaum ein paar 
Kilometer weit, den scharfen Knall von Ex 
plosionen. 
Die Bulgaren sind eben wieder dabei, die 
Bahnlinie )u )erstören. Hinter einem kleinen 
Hügel steigen mächtige Rauchwolken empor, es 
ist der Ort Kabaschaköj, der brennt. Wir reiten 
weiter) Rechts und links der Straße schimmern 
die Zelte der türkischen Bataillone. Fast alle 
sooMeter steht einDoppelposten mit aufgepflanztem 
Seitengewehr. Kleine Feldwachen lagern an 
den Straßenkreuxungen, wir sind nahe am 
Feind. Rach halbstündigem Ritt gibt vor einer 
Anhöhe, mit kurzem Gestrüpp bewachsen, der 
voranreitende Offyier ein Zeichen. Wir sitzen 
ab, die Pferde werden zurückgelassen und wir 
klettern nun um einen weiten Kegel herum und 
stehen plötzlich vor einer gut maskierten Batterie. 
Von weitem ruft uns der Posten schon ein 
Halt )u, dann jasack) (Verboten)) Da kann 
uns auch der begleitende Offyier nichts helfen, 
wir müssen zurück, und nun versuchen wir 
weiter unten das Lager der Artillerie )u er 
reichen,- das gelingt) Wir machen dem Kom 
mandeur unseren Besuch, werden, wie immer 
bei den Türken, liebenswürdig aufgenommen 
und nun können wir in Begleitung unseres 
Gastgebers wieder weiter nach vorn, immer 
höher hinauf auf den Kamm, wo die Posten 
wie Silhouetten vom blauen Himmel abstechen. 
Es geht ziemlich steil, da, plötzlich bückt sich 
der Vordermann und auf allen Vieren läuft 
er einige 20 Meter hinauf und verschwindet in 
einem Erdgang, wir machen es ihm getreulich 
nach und bald stehen wir gesichert in dem gut 
versteckten Beobachtungsstand auf der äußersten 
Spitze des Berges. Ein Doppelposten bedient 
hier das große Ieißfeldglas, der Feldtelephon 
apparat hängt am Stativ und führt )um Lager 
und )ur Batterie. 
Schnell richtet der Artillerist das Glas und 
nun sehe ich dicht vor mir Kadiköj. Die bul 
garischen Posten spazieren gan) gemütlich auf 
der Höhe hinter dem Dorfe herum. Vor der 
großen Mühle ist lebhafte Bewegung. Reiter 
streifwachen ziehen aus dem Lager. Da kracht 
es und fischend fährt ein Geschoß über unsere 
Köpfe, um kaum 50 Meter hinter unserer 
Stellung einzuschlagen. Der Artillerist lacht 
und meint, das sind so kleine Scherte, die 
jeden Tag vorkommen und nur da)u dienen, 
etwas Abwechslung in das eintönige Lager 
leben )u bringen. Wir lasten uns auch nicht 
stören und setzen unsere Beobachtung fort, nach 
dem wir das Schrapnell durch einen tüchtigen 
Kognakschluck begrüßt haben. Links auf den 
Höhen bei Surgunköj scheint eine größere bul 
garische Abteilung vorzurücken, sofort richten sich 
alle Gläser in diese Richtung, da stehen sie 
wieder, machen kehrt und gehen zurück, vielleicht 
exercieren sie. Unten in der Ebene läuft ab 
und )u ein Bulgare gan) allein umher, jeden 
falls weiß er gan) genau, daß die Türken 
seiner Wenigkeit halber kein Geschoß ver 
schießen wollen. Rachdem wir die gan)e Gegend 
gründlich abgesucht haben, kriechen wir langsam 
aus unserer Stellung heraus, laufen gebückt 
ungefähr 50 Meter über den Berg hinunter 
und frühstücken gan) gemütlich im Zelt des 
Kommandeurs. Ein kalter Wind und leichter 
Schneefall )eigen einen Wetterstur) an, und da 
wir am Abend wieder in Hademköj sein wollen, 
so ist es Zeit )um Aufbruch. Die Pferde sind 
schon voraus, wir klettern langsam den gan)en 
Berg hinunter bis )ur Straße und nun geht es 
in flottem Tempo nach Tschataldscha )urück. 
Der Zug geht diesmal nur von Baktschischköj 
und dort sollen wir um 5 Uhr eintreffen. Da 
heißt es ausgreifen. Wieder geht es über die 
Bahn und dann auf der miserablen Straße 
vorwärts. Der Karasu wird auf der neu 
errichteten Rotbrücke überschritten, der Posten 
hält uns an und schreibt unsere Ramen auf 
und dann können wir weiter, immer entlang 
der Kette der Befestigungen. 
Es ist die Zeit des „Akscham", überall er 
tönt Musik, die Truppen sind )um Abendappell 
angetreten und aus tausend und abertausend 
Kehlen erschallt der „Padischah im tschock 
jaschah" über die Ebene )u uns herüber. Die 
Straße, die hier Mischen sumpfigem Wiesen 
grund führt, ist sehr schmal und aus 
schweren, ungleichmäßigen Steinen erbaut, da 
heißt es die Zügel stramm halten, denn hier 
rutscht der Gaul mehr als er geht. Schon 
sehen wir die Station vor uns liegen, wir 
sehen auch den Zug, dann hören wir einen
	        
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