Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

Nn der Tschataldschafront.. 
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cum 
abteil angewiesen, wo ich es mir schnell bequem 
mache. Viel Jett ist nicht zu verlieren, man 
muß jeden Augenblick ausnützen. So schlenderte 
ich kaum IO Minuten später durch den Ort 
Hademköj. Ein kleines, unansehnliches Nest, 
dessen Bevölkerung zum größten Teil schon 
früher nach Konstantinopel geflohen und dessen 
Mohnungen nun alle von Militär belegt sind. 
Seit dem Kriege hat sich der Ort vergrößert. 
Spekulative Köpfe haben hier kleine Geschäfte 
eröffnet. Baracken gebaut und sogar Konstan- 
tinopler Großhändler haben Iweiganstalten er 
öffnet. Beim Ausgang vom Bahnhof muß man 
erst einige Posten durchschreiten und sieht dann 
rechts den Automobilschuppen des Hauptquar 
tiers. Hoch über der Stadt liegt die Kaserne, 
jetzt Krankenhaus, auf dem großen Platz davor 
wieder Zelte und Baracken des Noten Halb 
mondes. 
Von hier hat man den besten Überblick. 
Gegen Norden sieht man die Merke der Linie 
von Tschataldscha. Weiter an der Bahn entlang 
einsam auf einem Hügel liegt ein schmuckes auf 
fallend sauber gebautes Barackendorf, es ist das 
Krankenhaus der ägyptischen Abordnung des 
Noten Halbmondes. Alle Straßen sind gefüllt 
von Magen und Zugtieren, überall wird ge 
hämmert und gearbeitet, wohin man schaut wird 
gebaut. Am Bahnhof selbst ist ein großer Sta 
pel Bretter und Höher aufgetürmt und jeder 
Zug bringt neues Material und wenn der Frie 
den nicht bald geschloffen wird, dann wird 
Hademköj noch eine Großstadt aus Höh wer 
den. Der Chefarzt des Krankenhauses bittet 
mich um einen Besuch, zuerst ins Arbeitszimmer 
der Arzte, hier wie immer Kaffee und Ziga 
retten, dann ein kleiner medizinischer Vortrag 
des Operateurs über die Erfahrungen im jetzigen 
Kriege, die immer wieder beweisen, daß das 
heutige Gewehrgeschoß unter bestimmten Ver 
hältnissen ein ziemlich humanes Ding ist — 
und dann ein Besuch der Krankensäle. In ein 
fachen Cisenbetten liegen die Kranken und Ver 
wundeten, in großen, lichten Sälen, die meisten 
apathisch, aber nicht schlecht aussehend. Ich 
werde vorgestellt und alle erheben ihre Hand 
zum Gruß. Da ist einer, dem ist die rechte 
Hand weggeschossen, er hilft sich schon ganz ge 
schickt mit der Linken und raucht vergnügt seine 
Zigarette. Da liegt ein älterer Anatolier, er hat 
durch ein Schrapnell ein Bein verloren, und 
jetzt zeigt mir der Arzt einen schwarzbärtigen 
Lasen. Er hat einen Schuß durch den rechten 
Arm und einen zweiten durch die linke Brust, 
gilt als geheilt und soll in seine Heimat als 
Invalide entlasten werden, da bittet er mit 
Tränen in den Augen, ihn doch wieder zur 
Front zu schicken, er will nicht nach Hause, so 
lange kein Frieden ist, er will weiter kämpfen. 
Ich drückte dem Braven die Hand und er bittet 
mich, sein Fürsprecher zu sein. Nachdem ich noch 
die Operationssäle und das neueingerichtete, für 
hiesige Verhältnisse elegante Bad besichtigt habe, 
gehe ich zum Bahnhof zurück. 
Hier hat sich jetzt das Bild verändert. Große 
Kamelkarawanen sind angekommen, um für die 
Truppen in der Linie Proviant zu holen. Die 
langen Beine der Tiere sind von oben bis 
unten mit Kot überzogen und beweisen am 
besten, in welchem Zustand sich das Gelände 
in der Hauptstellung befindet. Das bestätigt mir 
am Abend auch der Kommandeur des achten 
Kavallerieregiments, ein Bruder des Generalissi 
mus, der bei Derkos weit vorgeschoben liegt. 
Er kam nach siebenstündigem Nitt am Abend 
hier an und erzählte mir, daß das Gelände, 
das die türkische und bulgarische Linie trennt, 
einfach undurchschreitbar ist. Die kleinen Flüsse 
und Bäche bringen Hochwasser, der Morast ist 
meterhoch und die Baumstümpfe, die von dem 
Kot bedeckt sind, bilden eine direkte Gefahr für 
Pferd und Netter. Ein Vormarsch ist daher für 
den rechten Flügel ganz ausgeschlossen. Jetzt erhalte 
ich auch einige sichere Nachrichten über die Lage der 
Truppen. Den rechten Flügel bei Derkos bil 
det das III. Korps unter Mahmud Pascha, mit 
dem Hauptquartier in Zasse Misen. Die Mitte 
der Linien besetzt das II. Korps unter Abuk 
Pascha, Korpsquartier Hademköj. Den linken 
Flügel nimmt das I. Korps ein unter Hussein 
Jzzet Pascha, derselbe der im letzten Sommer 
die erste Division befehligte, die bei Djakova 
meuterte, und der damals von seinen eigenen 
Offizieren gefangen gehalten wurde. Hussein 
Pascha gilt als ein äußerst tüchtiger und ener 
gischer Offizier und erinnert in seiner ganzen 
Haltung und auch im Äußern an Djavid Pascha. 
Gegenüber der Tschataldschalinie sollen von den 
Bulgaren die X., IV. und IX. Division stehen. 
Vier Divisionen, also das Gros, liegen am 
Ergenefluß, wo sie sich verschanzt haben. 
Hademköj, 13. März. 
Derkos bildet den rechten Flügel der türki-' 
schen Armee und ist vom dritten Armeekorps 
besetzt, dessen Stab in Jassoiren, einem Dorfe 
südwestlich des Derkossees liegt. Die Straße 
von Hademköj nach Derkos führt in nordöst 
licher Nichtung und kreuzt kurz nach Verlassen 
des Ortes die Bahn. Am Bahnübergang ist 
eine neue Militärstation errichtet. Große Ba 
racken dienen als Munitions- und Proviant 
lager, ein neuangelegtes Gleis führt zu den 
Nampen. Hinter den Magazinen läuft eine 
Schmalspurbahn zum linken Flügel, welche die 
Verproviantierung des I. Korps versorgen soll. 
Die Straße nach Derkos, die wir nehmen, dient
	        
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