Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

Die Haltung Rußlands. 
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ruf verhallt fein werde, werde der König in 
den neuen Gebieten eine Bürge des Rechts, 
des Glücks, des Friedens und des Wohlstands, 
ein Bürge des friedlichen Fortschritts aller 
seiner Untertanen sein. 
Der König erwiderte mit einer längeren 
Rede, in welcher er seinen Dank für den tief 
ergreifenden Ausdruck der Liebe gegenüber 
seinem Hause aussprach, der kriegerischen Tu 
genden und der Selbstverleugnung, welche die 
Armee vom -Infanteristen bis zum General be 
wiesen, gedachte und betonte, das) Serbien seine 
Pflicht im Balkanbunde ehrlich erfüllt habe. Er 
schloß mit dem begeistert aufgenommenen Rufe: 
„Es lebe das serbische Volk und seine würdige 
Armee l" 
Hierauf übergaben Vereine dem König 
mehrere Lorbeerkränze, sowie einen silbernen 
Kran), auf dessen Blättern die Ramen aller 
eroberten Städte verzeichnet sind. 
Unter begeisterten Ovationen begab sich der 
König mit dem Ministerpräsidenten pasic in 
die Christi Himmelfahrtskirche, wo er einem 
kurzen Dankgottesdienst beiwohnte und hierauf 
durch die festlich geschmückten Straßen in das 
Palais, vor welchem ihm erneuerte stürmische 
Ovationen bereitet wurden. Der König erschien 
zweimal auf dem Balkon und dankte für die 
Kundgebungen der nach Tausenden zählenden 
Volksmenge. 
Bei aller Siegesfreude aber war die Stim 
mung in Belgrad keineswegs sehr friedlich. Mir 
verzeichnen zur Charakterisierung dieser Stimmung 
nachstehenden Belgrader Situationsbericht: 
Man hat nicht den Eindruck, als ob die 
Rückkehr König Peters nach Belgrad eine Ent 
spannung der Krise beschleunigen werde. Allge 
mein verbreitete Gerüchte versichern, das) das 
serbische Kriegsministerium alle verfügbaren 
Truppen aus prizrend und Monastir zurück 
berufen habe, um andere Stellungen einzu 
nehmen und das) Tag und Rächt an der Ar 
mierung der alten Belgrader Festung gearbeitet 
und schweres Geschütz in Position gebracht 
werde. 
In politischen Kreisen, die zu einem Ein 
lenken bereit schienen, hat sich ein bemerkens 
werter neuerlicher Umschwung vollzogen. Man 
will von einem Rachgeben nichts mehr wissen 
und rechnet darauf, das) im äußersten Falle 
Rußland für die serbischen Wünsche mit den 
Waffen eintreten werde. In sonst gut unter 
richteten Kreisen verlautet, die Antwort der 
serbischen Regierung auf die österreichischen An 
fragen werde eine höfliche Ablehnung sein, in der 
auf die Bereitwilligkeit für ein wirtschaftliches 
Entgegenkommen hingewiesen, aber die Unmög- 
Balkankrieg. II. 
lichkeit ausgesprochen werden wird, auf den 
serbischen Hasen an der Adria mit einem 
Korridor zu vernichten. Diese Ansichten wurden 
in Kreisen laut, die Beziehungen zu dem russi 
schen Gesandten von Hartwig haben, um dessen 
Person sich jetzt alles dreht. Die Stellung des 
Gesandten Hartwig ist heute die eines intimen 
politischen Beirates Serbiens, was übrigens 
auch gar nicht geleugnet werden kann, wenn 
man nur rein äußerliche Momente der fast un 
unterbrochenen Konferenzen mit dem Vertreter 
Rußlands zur Einschätzung nimmt. 
Ein weiteres Moment, das für alle Friedens 
freunde in Serbien verstinimend wirken muß, 
ist das Vorgehen einzelner Mitglieder des 
Kabinetts pasic, die es sich angelegen sein 
lassen, aggressive Erklärungen gegen Österreich- 
Ungarn zu lancieren, obzwar die halbamtliche 
„Samouprava" vor einigen Tagen bemerkt 
hatte, mit Rücksicht auf die Haltung der ver 
bündeten Staatsmänner würden seitens serbischer 
Minister keine Erklärungen an die Presse mehr ab 
gegeben werden. Besonders befremdend wirken 
die heftigen Ausfälle des Handelsministers 
Trifkovic . . . 
Ssasonows Kämpfe für den Frieden. 
Der russische Gesandte in Belgrad trieb also 
im Sinne der Panslawisten die Serben noch 
mehr in ihre Opposition gegen Österreich- 
Ungarn hinein. Es ist schwer, sich ein sicheres 
Urteil darüber zu bilden, wie weit Hartwig auf 
eigene Faust handelte, wie weit man in Peters 
burg von seiner Haltung wußte und sie still 
schweigend duldete. Denn der russische Minister 
des Äußern Ssasonow versicherte nach wie vor, 
daß Rußland nur den Frieden wolle. Man be 
gann Mischen der offiziellen und der inoffiziellen 
russischen Politik zu unterscheiden. Bezeichnend 
dafür ist folgender Petersburger Brief eines 
deutschen Blattes, datiert vom 23. Rovember, 
und überschrieben „Ssasonows Kämpfe für den 
Frieden": 
Roch heute wird in den Petersburger Re 
staurants das „Schumi Maritza", zu dessen 
Popularität das ebenso unüberdachte wie kurz 
lebige polizeiliche Verbot sehr viel beigetragen 
hat, mit Begeisterung gespielt, noch steht eine 
ganze Reihe jener „Slawenabende" und 
„Slawenkonzerte" bevor, die bis jetzt den Clou 
der Petersburger Saison gebildet haben, noch 
winkt uns die „Balkandebatte" der neuen 
Reichsduma, die sich zum Arger des Aus 
wärtigen Amtes schwerlich wird verhindern 
lassen, aber die Furcht, daß diese Demon 
strationen und Stimmungsmachereien im Verein 
mit der wütenden Preßkampagne der „Rowoje 
Wremja", der „Wetscherneje Wremja", des 
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