Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

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Die Einnahme von Hanina. 
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Anfang des Krieges waren unbedeutende Ge 
fechte, die Einnahme von Skutari erfolgte ohne 
Schwertstreich, nachdem die türkische Besatzung, 
halbverhungert und entsetzlich herabgekommen, 
sich freiwillig und ohne den Versuch eines 
ernsteren Widerstandes ergeben hatte. In Ianina 
hatte, wie wir gesehen haben, auch der Mangel 
den Griechen wesentlich vorgearbeitet und die 
Treulosigkeit der Albanesen, die einfach deser 
tierten, hatten die Reihen der Verteidiger der 
Stadt stark gelichtet. Aber die Griechen haben 
auch tapfer gekämpft und geschickt operiert. 
Ianina. 
Ianina, die Hauptstadt des gleichnamigen 
Vilajets, ist am Ostufer des denselben Ramen 
wie die Stadt tragenden Sees inmitten einer 
gutbevölkerten und fruchtbaren Ebene gelegen. 
Diese besteht aus zwei Teilen: aus dem eigent 
lichen Becken von Ianina in der unmittelbaren 
Umgebung des Sees und dem sich westlich 
daranschließenden Talgebiete des Kalamas. Das 
ganze Becken ist etwa 40 Kilometer lang, aber 
nur 5 bis >0 Kilometer breit, da es von ziem 
lich hohen Gebirgszügen eingeengt wird. Der 
See, im Altertum pambotis genannt, ist ziem 
lich flach, seine größte Tiefe beträgt etwa 1 1 
Meter und wird hauptsächlich als echter Karst- 
see von unterirdischen Quellen gespeist. Auch 
der Abfluß geschieht teilweise durch unterirdische 
Sauglöcher, teilweise durch einen stark ver 
sumpften Abfluß in den im gleichen Becken ge 
legenen Lapsistasee, der sein Wasser unterirdisch 
an den Kalamas abgibt. Der See ist sehr fisch 
reich, hat aber, besonders im Sommer, ein trü 
bes, übelriechendes Wasser, dessen Genuß Fieber 
erzeugt. Dadurch wird das sonst gute Klima 
nicht unwesentlich beeinträchtigt. Östlich des 
Sees erhebt das Midschikeligebirge seinen kahlen 
langen Kalkrücken bis zu 1300 Meter. 
Die alte Stadt Ianina wurde 1118 von 
Kaiser Johannes Komnenos neu aufgebaut, 
aber bald von den Vormanen zerstört. Später 
kam sie vorübergehend unter Stephan Dusan 
an die Serben, dann an den mazedonischen 
Tyrannen Thomas von Wodima und unterwarf 
sich 1422 Murad. Von da an bis 1788 blieb 
sie unter türkischer Herrschaft, bis Ali, der 1787 
vom Sultan Abdul Hamid I. für seine Dienste 
im Kriege gegen Rußland und Österreich zum 
Pascha von Trikala in Thessalien ernannt wor 
den war, sich ihrer bemächtigte und dort despotisch 
herrschte, ohne sich viel um den Großherrn in 
Konstantinopel zu kümmern. 1820 von Sultan 
Mahmud geächtet, verteidigte er sich mit Hart 
näckigkeit gegen die zu seiner Bekämpfung heran 
gezogenen Truppen, mußte aber im Januar 1822 
kapitulieren, wo er in einem Landhause im See 
von Zanina am 5. Februar ermordet wurde. 
Seither blieb die Stadt ununterbrochen in türki 
schem Besitz. 
Das heutige Zanina ist zum großen Teil 
am Ostabhang einer Gebirgskette, die sich an 
der Westseite des Sees hinzieht, erbaut. Gegen 
das Ufer zu befinden sich größere Baumanlagen. 
Ein kleiner Teil der Stadt, besonders die alten 
Befestigungen, liegen auf einer kleinen, in den 
See hineinreichenden Halbinsel. Die Einwohner 
zahl beträgt etwa 25.000 Köpfe, von denen un 
gefähr zwei Drittel Griechen oder wenigstens 
gräzisierte Albanesen sind. Die Verkehrssprache 
ist griechisch. Dem Bekenntnis nach sind unge 
fähr die Hälfte der Einwohner Christen. Ianina 
hat 14 Moscheen, 7 griechische Kirchen und 
2 Synagogen und ist Sitz eines griechischen 
Erzbischofs. 3 Schulen und 1 griechisches Gym 
nasium sorgen für die Volksbildung. Österreich- 
Ungarn, Italien, England, Frankreich, Rußland 
und Griechenland hatten dort zur Zeit der Be 
lagerung Konsulate. Die hauptsächlich von den 
Griechen betriebene Fabrikation von Goldstoffen, 
Schnüren, Seidenzeug und Leder macht Zanina 
zu einer ziemlich bedeutenden Industriestadt und 
damit zu einem wichtigen Handelsplatz und 
Verkehrsknotenpunkt für den ganzen Epirus. 
Der größte Teil der dorthin bestimmten euro 
päischen Waren nimmt den Weg über Ianina. 
Seit der Abtretung Thessaliens an Griechen 
land hat der Handel stark gelitten, ist aber 
nichtsdestoweniger sehr bedeutend. Die Rähe 
des Hafens von Santi Ouaranta wird der 
Stadt stets eine gewisse Wichtigkeit erhalten. 
Die Verteidiger von Zanina. 
Die beiden tapferen Verteidiger von Janina, 
Essad Pascha und sein Bruder Vehib Bey, die 
nach viermonatlicher Belagerung die Waffen 
strecken mußten, verteidigten ihre Vaterstadt. 
Söhne eines wohlhabenden Gutsbesitzers, traten 
sie in die türkische Armee. Essad Pascha war ein 
Schüler der deutschen Armee; er hatte in Deutsch 
land sowohl im Generalstab als auch bei ver 
schiedenen Waffengattungen gedient und war 
nach seiner Rückkehr als Lehrer an der Gene- 
ralstabsschule in Konstantinopel angestellt wor 
den. Dort organisierte er den Lehrplan nach 
europäischem Muster und führte trotz vielfachen 
Widerstandes sein Reformwerk durch. Sein Ver 
dienst blieb dem Sultan nicht unbekannt; er 
wurde 1907 zum Generalleutnant ernannt und 
als Stellvertreter des Feldmarschalls Chairi 
Pascha, des Kommandanten der 3. Armee, nach 
Saloniki geschickt. Damals ging es in Maze 
donien wieder einmal sehr heiß her; von den 
Grenzen Serbiens und Bulgariens herunter bis 
zu den Küsten des Agäischen Meeres knatterten
	        
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