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Die Haltung Rußlands.
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in Berlin wird, obwohl er seit geraumer Zeit
angekündigt war und daher nicht durch augen
blickliche Vorgänge veranlaßt ist, den Eindruck
verstärken, daß die Dreibundmächte der Balkan
krise in voller Einmütigkeit gegenüberstehen,
ohne daß daraus auf einen Gegensatz zu anderen
Großmächten zu schließen wäre. Im Gegenteil
sind Deutschland, Österreich-Ungarn und Italien
bemüht, mit England, Frankreich und Nußland
das beste Einvernehmen ?u unterhalten und
diese Bemühungen haben sich bisher in weitem
Umfange erfolgreich erwiesen. Sicherlich wird
das Bestreben, dieses Einvernehmen auch für
die Folgezeit zu fördern, bei den Unterredungen
des Habsburgischen Thronerben mit Kaiser
Milhelm und dessen Staatsmännern die Nicht
schnur bilden. In jedem Falle wird Erzherzog
Franz Ferdinand die
Mahrnehmung
machen, daß Deutsch
land allezeit bereit ist,
bei einer friedlichen
Lösung der schweben
den Fragen nach bester
Kraft mitzuwirken und
den Interessen seiner
Verbündeten jeden
Vorschub zu leisten,
der sich aus der
Freundschaft und aus
der Vertragstreue von
selbst ergibt.
Die offtziöse.. Köl
nische Zeitung" be
tonte, daß der Besuch
des Erzherzogs Franz
Ferdinand über die Be
deutung eines Jagd-
besuches weit hinaus
reiche. Es wird, schrieb
das Blatt, Mischen
dem Kaiser und dem Etzhetzog eine politi
sche Aussprache über die europäische Lage, be
sonders über die Orientkrisis nicht fehlen. Bei
dem Frühstück, das mittags im Schlosse statt
findet, trifft der Etzhetzog auch den Staats
sekretär von Kiderlen-Maechter, der durch Dienst
geschäfte an der Teilnahme an der Hofjagd
selbst verhindert ist. Menn man den politischen
Charakter des Besuches betont, ist es nötig,
dabei Aufbauschungsversuche zurückzuweisen, wie
sie in Meldungen über angeblich bevorstehende
militärische Schritte Österreich-Ungarns enthalten
sind. Derartige Nachrichten, die man natürlich
mit dem Besuch des Thronfolgers in Ver
bindung zu bringen versuchen wird, sind mit
aller Vorsicht aufzunehmen und entsprechen
weder dem Stande der Dinge noch den Ab
sichten Österreich-Ungarns. In diesem Zusammen-
Der bulgarische Delegierte General Paprikow.
hange ist es vielleicht nützlich, darauf hinzu-
weisen, daß die Möglichkeit der Erreichung
Durazzos durch die Serben von den Mächten
längst in ihre Besprechungen eingestellt und die
serbische Negierung von den Mächten nicht in
Zweifel gelassen wurde, daß sie durch die Be
setzung von Durazzo kein fait accompli schafft.
König Peter in Belgrad.
Soweit das offtziöse Blatt. Amtlich wurde
über die Ergebnisse der Berliner Neise des
Etzhetzogs nichts berichtet. JnMischen gingen
die Ereignisse weiter. In Serbien vor allem
schwankte die Stimmung von einem Tag zum
anderen. Nicht ohne Interesse ist ein Bericht
über die Ankunft König Peters in Belgrad.
Aus der serbischen
Hauptstadt wurde
unterm 24. November
berichtet:
König Peter, der
nach hetzlicher Ver
abschiedung von den
Behörden und der
Bevölkerung von Us-
küb in der Begleitung
des Hofdienstes und
des Präsidenten der
Skupschtina, Nikolic,
vorgestern von dort
abgereist und auf der
ganzen Bahnstrecke
Gegenstand begeister
ter Kundgebungen der
Bevölkerung war, traf
gestern vormittags in
einem Sonderzug hier
ein. Unter Geschütz
salut, Glockengeläute
und stürmischen Zivio-
rufen fuhr der Hofzug in den dekorierten Bahn
hof ein, wo sich Prinzessin Helene, Prinz Paul,
die Minister und Staatswürdenträger, die Geist
lichkeit mit dem Metropoliten an der Spitze,
das Offizierskorps, die Gesandten Nußlands
und der verbündeten Balkanstaaten, sowie der
gesamte Gemeinderat zur Begrüßung des Königs,
dessen Aussehen vorzüglich ist, eingefunden hatten.
Nachdem der König die Ehrenkompagnie
des dritten Aufgebotes unter den Klängen der
serbischen Hymne abgeschritten hatte, begrüßte
der Belgrader Bürgermeister Davidovic den
König vor dem Bahnhof mit einer längeren
Nede, in welcher er ausführte, daß der König
nach kaum einem Monat von einem beispiel
losen Siegeszug der serbischen und verbündeten
Armeen nach Befreiung der Stammesgenossen
in die Hauptstadt zurückkehre. Wenn der Kriegs-