Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

Der Kriegsschauplatz im Epirus. 
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Effad Pascha vor der Süd- und Ostfront von 
Ianina, Djavid Pascha auf dem Straßenüber- 
gange von Colonia südlich Korica und Mehmed 
Pascha im Raum Delvino—Chimara. 
Erst nach dem Waffenstillstand der Balkan 
mächte mit der Pforte wurden die griechischen 
Operationen gegen Ianina nachdrücklicher, bis 
zu diesem Zeitpunkte hielt Essad Pascha die 
Griechen mit minderwertigen Landsturmfor 
mationen in Schach und trat erst Ende No 
vember den Rückzug nach Ianina an. Mittler 
weile langten Teile der türkischen Vardararmee 
dort ein und als die Griechen vom 8. bis ein 
schließlich 12. Dezember durch einen allgemeinen 
Sturm gegen die Ost- und Südfront die 
Festung nehmen wollten, wurden sie bereits von 
anatolischen Schützen mit großen Verlusten 
zurückgeschlagen. Den Tür 
ken gelang es sogar, durch 
die Eroberung taktisch wich 
tiger Punkte, welche die 
Griechen zur Zeit der 
Truppenleere beseht hatten, 
vorübergehend eine durch 
schnittlich 10 Kilometer 
breite Jone von ihrem 
äußeren Gürtel zu säubern, 
so daß bis Mitte Januar 
sämtliche permanente Fe 
stungswerke außer Bereich 
der griechischen Belage 
rungsgeschütze waren. Erst 
der letzte griechische Angriff 
vom 20. bis einschließlich 
22. Januar brachte die 
Feuerlinie auf wirksame 
Schußdistanz. Von einer 
Belagerung Ianinas kann 
aber beileibe nicht die Rede 
sein, da von den 34 Kilo 
meter der Gesamtumfassung 
kaum 5 Kilometer engagiert sind. Vielmehr ist 
der Kampf bei Ianina ein reiner Positions 
krieg geworden, mit der nicht zu verstehenden 
Tatsache, daß die Griechen trotz vierfacher Über 
zahl noch nie den Versuch machten, die türki 
schen Linien durch Umfassung in die Festung 
zu werfen und die Belagerung Ianinas ein 
zuleiten. Ernste Kämpfe haben überhaupt noch 
nicht stattgefunden. Die letzten griechischen Er 
folge sind auf die Massendesertionen der Al 
banesen zurückzuführen, welche den osmanischen 
Gefechtsstand um ein Drittel reduzierten. 
Die am 7. Dezember bei Santi Ouaranta 
gelandete Athener Brigade schiffte sich nach 
einer grundlosen Panik während des Vor 
marsches auf Delvino am 18. fluchtartig ein. 
Bei Korica haben bis jetzt noch keine 
Kämpfe stattgefunden. Übrigens würde bei den 
äußerst günstigen Verteidigungsverhältnissen für 
die Türken im Defilee von Colonia ein griechi 
scher Druck vom Rorden her lange kein aus 
schlaggebender Faktor für den engeren Kriegs 
schauplatz um Ianina werden. Ali Riza Pascha 
zögerte daher auch nicht mit der Verschiebung 
seiner strategischen Reserve bei Leskovik nach 
dem südlichen Kriegsschauplätze. Run steht fast 
der gesamte Rest der osmanischen Westarmee 
bei Ianina, ein Häuflein Helden. Um wie viel 
mehr sie zu Kriegsbeginn waren, gehört in das 
Kapitel Kumanovo, wo während der ersten 
Gefechtsphasen 30.000 Albanesen ihre Reihen 
durch verabredete Fahnenflucht lichteten? Daß 
die Türken bei Monastir überhaupt noch Wider 
stand leisteten, ist für uns kaum verständlich; sie 
bleiben trotz aller Riederlagen in diesem Kriege 
gute Soldaten. Ganz sach 
liche Angaben würden bei 
jedem die Skepsis wach 
rufen. Die Kriegsgeschichte 
wird aber die Tatsachen 
festnageln, später, wenn sie 
nicht mehr schaden kann. 
Seinerzeit verschwiegen wir 
auch die Kräfte Envers. Er 
kämpfte am 3. März 1912 
vor Derna mit 47 Regu 
lären und 800 mangelhaft 
bewaffneten Arabern gegen 
16.000 italienische Sol 
daten? 
Die Stärke der helle 
nischen Epirusarmee dürfte 
6 Divisionen, rund 60.000 
Mann, mit überlegenem 
Geschützmaterial betragen; 
bei Korica sollen 10.000 
Griechen bereit stehen, um 
die Übergänge von Colonia 
zu forcieren. 
Der Schlüsselpunkt zur Überwindung des 
türkischen Widerstandes wäre eine Landung bei 
Santi Ouaranta, beziehungsweise die Unter 
bindung der Verbindungswege von Ianina mit 
Mittelalbanien. Die Griechen scheinen diesen 
wichtigsten strategischen Punkt nicht mehr in den 
Kreis ihrer Operationen zu ziehen. Die Ursache 
dürfte in dem Umstande zu suchen sein, daß den 
hellenischen Kolonnen im nördlichen Epirus 
aber auch schon bei einem etwaigen Vorstoß 
über philiades gegen die türkischen Rachschub 
linien ein neuer Gegner erwachsen würde, 
nämlich die Albanesen im Rücken, während 
ihnen gegenwärtig die zweideutige Haltung sehr 
zustatten kommt. Dieses Für und Wider er 
klärt die sonst unverständliche Taktik der Griechen 
einigermaßen. 
Türkischerseits liegt das Schwergewicht 
General Effad Pascha. Ianina.
	        
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