Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

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Der Wiederausbruch des Krieges. 
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Aach Konstantinopel zurückgekehrt, wurde 
er, wie alle in Deutschland ausgebildeten 
Offiziere, zum Flügeladjutanten des Sultans 
ernannt und mit dem Kommando des Artillerie 
regimentes betraut. Als Kaiser Wilhelm II. 
Konstantinopel besuchte, führte Schükri sein 
Regiment bei der großen Parade so prächtig vor, 
daß ihm der Kaiser eine große Auszeichnung 
verlieh. Auf jedem Posten, auf den er gestellt 
wurde, zeichnete er sich aus, und der Weg, der 
vor ihm lag, schien klar und ohne Windungen 
in die Höhe zu führen. Aber Allahs Wege 
sind wunderbar und die des padifchah noch 
wunderbarer. Eines Tages fiel Schükris 
Schwiegervater, der bis dahin allmächtige 
Stallmeister des Sultans, Ami Pascha, in 
Ungnade und wurde nach Damaskus in die 
Verbannung geschickt. Infolgedessen fand man 
es auch für dringend notwendig, feinen Schwieger 
sohn aus Konstantinopel zu entfernen. Als 
Brigadegeneral und Kommandant der Artillerie 
division wurde Schükri Pascha nach Adrianopel 
geschickt. Aber Schükri machte sich nicht viel 
daraus, wenn er nur ein Feld zum arbeiten 
fand, dann war er schon zufrieden. Und das 
fand er in Adrianopel und vor allem in der 
Person Magyar Mahmud Paschas, eines Vor 
gesetzten, der ihm dieses Arbeitsfeld nicht durch 
Steine verlegte. Das war ein ehemaliger 
ungarischer Offizier, der, Gott weiß wie und 
wann, nach der Türkei gekommen war und es 
hier bis zum Feldmarschall gebracht hatte. 
Mohammedaner war er geworden, aber kein 
Türke, und so kannte er keinen kleinlichen Aeid 
gegen seinen fleißigen und begabten Unter 
gebenen, ließ ihn schalten und walten, und 
Schükri arbeitete auch wie ein echter Soldat 
arbeiten soll. „ „Ich bin der erste in 
meiner Division," sagte er, „folglich muß ich 
auch am besten reiten und fechten können." Er 
war der Reit- und Fechtlehrer seiner Offiziere, 
die er außerdem während ihrer dienstfreien 
Stunden in seinem Hause versammelte, wo er 
ihnen Vorträge über militärische Wissenschaften 
hielt. Und wie er sich um die Bildung der 
Offiziere kümmerte, so sorgte er sich auch um 
die der Soldaten. Man kann ruhig sagen, daß 
70 bis 80 Prozent der Mannschaft des Schreibens 
und Lesens kundig in ihre Heimat entlassen 
wurden. Streng war er im Dienst und unerbitt 
lich, und in der Armee hatte er schon damals 
den Beinamen „Deli"; der Pascha war bekannt 
als ein Mann, der keinen Widerspruch gestattete 
und durchführte, was er sich vorgenommen 
hatte. 
Er wurde Divisionsgeneral und Armee 
inspektor und in dieser Stellung konnte er zum 
erstenmal zeigen, was er im Ernstfall wirklich 
wert war. Im Jahre 1903 brach der große 
Aufstand in Mazedonien aus, in dem die bul- 
garifchen Banden an zwei Stellen zugleich den 
Kampf gegen die Türken begannen. Das eine 
Hauptquartier der Insurgenten befand sich in 
Bitula, das andere in Adrianopel selbst. 
Zwischen Tirnovo und Viza sammelte sich eine 
große Bande von 5000 bis 6000 Mann, deren 
Ziel die Überrumpelung Adrianopels war. Die 
Türken waren von den Ereignissen vollkommen 
überrascht, hatten keine schlagfertigen Truppen, 
keine Munition, mit einem Mort, die Situation 
sah sehr bedrohlich aus. Da raffte Schükri 
Pascha alles zusammen, was er an kampffähigen 
Mannschaften bei der Hand hatte, und ging 
den Aufständischen in ihrem eigenen Haupt 
quartier an den Leib. Schlecht waren die Wege, 
miserabel die Beförderungsmittel, aber seine 
wunderbare Energie brachte es zustande, die 
Strecke nach Viza, die sonst zwei Tagesmärsche 
erforderte, in 12 Stunden zurückzulegen. Ehe 
sich die Insurgenten besannen, waren sie aus 
einandergejagt. 
Zum Dank dafür wurde er bald darauf 
nach Saloniki verseht und hier — kalt gestellt. 
Seine Berichte nämlich, die er an den Sultan 
sandte, waren rein militärischer Aatur und auf 
„zeitgemäße" Berichte ließ er sich nicht ein, 
trotzdem seine Freunde in Konstantinopel ihm 
mehr als einmal dazu rieten. Dieser aufrechte, 
ehrliche Soldat hielt es für seiner unwürdig, 
den Spion für seine eigenen Offiziere abzu 
geben. Also war es seinem Vorgesetzten, einem 
Feldmarschall und Kommandanten der 2. Armee, 
ein leichtes, ihn in Konstantinopel mißliebig 
zu machen, so daß man ihn nach Saloniki 
schickte. Hier war er lahmgelegt, aber Schükri, 
der selbst jede Disziplinarwidrigkeit aufs strengste 
bestrafte, murrte nicht gegen diese Entscheidung 
seines obersten Kriegsherrn. Aichts Fürchter 
licheres gibt es für einen von Tatkraft und 
Arbeitsfreude erfüllten Menschen, als zur Un 
tätigkeit verdammt zu sein — aber Schükri 
unterwarf sich ohne Widerstreben. 
Das Jahr 1908 kam heran, das Jahr der 
jungtürkischen Revolution. Im Sultanspalast 
am Goldenen Horn hörte man das ferne 
Brausen und Wogen, mit dem sie sich ankündigte, 
und Abdul Hamid sah sich nach einem Manne 
um, dem er vertrauen konnte. Unter den Hunderten 
von Paschas siel sein Blick auf den in Ungnade 
gestoßenen Schükri Pascha. Ihn schickte er nach 
Monastir und in das Vilajet Kossovo, um sich 
über die Dinge, die sich dort vorbereiteten, zu 
orientieren. Wahrheitsgetreu, wie er sie sah, so 
berichtete sie Schükri nach Konstantinopel, und 
so hoch stand er im Ansehen bei Soldaten und 
Offizieren, daß er es wagen konnte, ihnen mit 
Rücksicht auf Europa von übereilten Schritten 
abzuraten. Scheuch Pascha, der das gleiche
	        
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