Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

Die Haltung Rußlands. 
ist zweifellos, daß Serbien es nicht 
*§>»««• gewagt hätte, sich Österreich-Ungarn 
gegenüber so abweisend zu verhalten, 
wenn es nicht eine Rückendeckung 
an Rußland zu haben geglaubt hätte. Ruß 
land spielte in dieser Zeit eine sehr bedenkliche 
Rolle. Trotz aller friedlichen Versicherungen, 
die von Petersburg aus gegeben wurden, ließen 
die Meldungen aus Rußland selbst keinen 
Zweifel darüber, daß das Zarenreich ganz außer 
ordentliche militärische Vorkehrungen traf. Ruß 
land mobilisierte an der Südgrenze, und Serbien 
baute in seinem Konflikt mit Österreich-Ungarn 
auf die werktätige Hilfe des großen Bruders 
im Rorden. Von österreichischer militärischer Seite 
wurde über die russischen Rüstungen unterm 
23. Rovember verlautbart: 
Rn der österreichisch-ungarischen und an der 
deutschen Grenze sind sehr umfangreiche russische 
Rüstungen im Zuge. Der russische Kriegsminister 
hat zwar vor einigen Tagen einen Befehl an 
die untenstehenden Kommanden und Truppen 
erlassen, in welchem er die Gerüchte über Kriegs 
vorbereitungen und eine in Vorbereitung befind 
liche Mobilmachung in Rußland als leeres Ge 
schwätz bezeichnet und den Verbreitern solcher 
Rachrichten, soweit es Militärpersonen sind, 
mit schweren Strafen droht. Dieser Erlaß des 
russischen Kriegsministers enthielt kein direktes 
Dementi der Meldungen über russische Kriegs 
vorbereitungen und erfolgte im Gegenteil zu dem 
Zwecke, der Verbreitung von Rachrichten über 
die militärischen Maßregeln Rußlands vorzu 
beugen. Der Tagesbefehl des russischen Kriegs 
ministers ist der Ankündigung einer Zensur aller 
militärischen Rachrichten gleichzuhalten. Er kann 
als Beweis dafür angesehen werden, daß tat 
sächlich militärische Vorkehrungen seitens Ruß 
lands getroffen werden, denn selbst Gerüchte 
müssen irgendeine Grundlage haben; er kenn 
zeichnet aber auch den Ernst der Situation, denn 
solche Befehle pflegt man nur in Zeiten politi 
scher Spannung zu erlassen. 
über den Umfang der russischen Rüstungen 
läßt sich auf Grund verläßlicher Quellen folgen 
des sagen: Die Russen haben den letzten Aktiv- 
jahrgang, der im Rovember in die Reserve über 
setzt werden sollte, unter den Fahnen behalten; 
sie haben weiter die im September und Oktober 
zur Waffenübung eingerückten Reservisten zurück 
behalten. Diese Maßregeln erstrecken sich au 
die Mehrzahl der an der deutschen und öster 
reichischen Grenze dislozierten 11 Armeekorps. 
Bei den Truppen dieser Korps stehen sonach 
5 Assentjahrgänge unter den Waffen, während 
unter normalen Verhältnissen der Friedensstand 
aus 3 Affentjahrgängen gebildet wird. Der Effekt 
der Zurückbehaltung dieser Mannschaften drückt 
sich in einer sehr bedeutenden Erhöhung der 
Friedensstände aus, die fast die Höhe der bei 
unserer Armee in Betracht kommenden Kriegs 
stände erreicht. Die russischen Korps an der 
Grenze Österreich-Ungarns und Deutschlands 
wurden dadurch in ihrer Schlagfertigkeit fast bis 
zur vollkommenen Kriegsbereitschaft entwickelt. 
Außer der Erhöhung der Stände bei den 
Truppen des Grenzkorps haben auch bedeutende 
Verschiebungen von Truppen aus dem Innern 
des Reiches, nach der österreichisch-ungarischen 
Grenze stattgefunden. Es soll ein Armeekorps 
und eine Kavalleriedivision gegen die ostgalizi- 
sche Grenze hin verschoben worden sein; das 
wären etwa 32 Bataillone, 12 Batterien und 
4 Reiterregimenter. Von den 37 Armeekorps, 
welche Rußland im Frieden besitzt, stehen 27 in 
Europa. Von diesen entfallen auf den Militär 
bezirk Warschau, der gegen die österreichisch 
ungarische und gegen die deutsche Front gerichtet 
ist, 5 Armeekorps; auf den Militärbezirk Kiew, 
gegenüber unserer Rordostfront, 4 und auf den 
Militärbezirk Odessa 2 Armeekorps; auf den 
Militärbezirk Wilna, gegenüber Deutschland, 
5 Armeekorps. Von diesen 16 Armeekorps be 
finden sich einschließlich der Warschauer Korps 
5 Armeekorps unmittelbar an unserer und 6 Ar 
meekorps unmittelbar an der deutschen Grenze. 
Das russische Kriegsministerium hat nun eines 
der rückwärts dieser vorderen Linie dislozierten 
Armeekorps und eine Kavalleriedivision an die 
galizische Grenze vorgeschoben. 
Mit diesen Truppenanhäufungen an der 
österreichisch-ungarischen und an der deutschen 
Grenze können zweierlei Zwecke verfolgt werden. 
In erster Linie kommt die Sicherung des russi 
schen Aufmarsches in Betracht. Der Aufmarsch 
der russischen Armee, der bis zum Jahre 19JO 
zum großen Teil in Russisch-Polen, gestützt auf 
die dortigen festen Plätze, hätte durchgeführt
	        
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