Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

Der Abbruch der Zriedensverhandlungen. 
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vermöge ihres besonderen Charakters in untrenn 
barem Zusammenhange mit dem türkischen Neiche 
steht, hat das bloße Gerücht einer Abtretung 
dieser Stadl im ganzen Lande eine derartige 
Erregung hervorgerufen, das) sie die Demission 
der früheren Negierung herbeigeführt hat. 
Nichtsdestoweniger ist die kaiserliche Ne 
gierung, um den äußersten Beweis ihrer fried 
fertigen Gesinnung zu geben, geneigt, sich dem 
Wunsche der Mächte hinsichtlich jenes Teiles 
Adrianopels zu fügen, der am rechten Ufer der 
Mariha gelegen ist, während sie den am linken 
Ufer dieses Flusses gelegenen Stadtteil mit 
seinen Moscheen, Mausoleen und anderen histori 
schen und religiösen Denkmälern behielte. Die 
Erhaltung dieses Teiles der 
Stadt unter der direkten otto- 
manischen Souveränität ist für 
die kaiserliche Negierung eine 
Notwendigkeit, der sie sich nicht 
entziehen könnte, ohne das Land 
einer Erschütterung auszusehen, 
die die schwersten Konsequenzen 
mit sich bringen könnte. 
Für nicht weniger unerläß 
lich hält es die Pforte, daß die 
ausländischen Postanstalten unter 
Bedingungen aufgelassenwerden, 
die leicht festzusetzen wären in 
dem Sinne, daß dem Handel 
alle Garantien für die not 
wendige Naschheit und Sicher 
heit des Postverkehrs geboten 
werden. 
Die Pforte ist weiter der 
Ansicht, daß eine Erklärung der 
Mächte, in der sie ihren Wunsch 
zu erkennen geben, dem Negime 
der Kapitulationen in der Türkei 
ein Ende zu sehen und die Er 
öffnung von Verhandlungen nach 
dem Abschluß des Friedens, um 
gemeinsam die zur Durchführung 
dieses Zieles geeigneten Mittel zu studieren, 
zusammen mit den früher aufgestellten wirtschaft 
lichen Maßregeln eine Gesamtheit von Maß 
regeln bilden würden, die die Durchführung der 
Versprechungen ermöglichen, welche die Mächte 
in ihrer Note gemacht haben. 
Diese Antwort der Pforte, ein diplomatisches 
Meisterstück, forderte also von den Mächten 
gewisse wirtschaftliche Garantien. Dagegen er 
klärte sich die Pforte bereit, den am rechten 
Marihaufer gelegenen Teil Adrianopels, sowie 
die von den Griechen besetzten Inseln Ehios 
und Mytilene an die Verbündeten abzutreten. 
Darin lag eigentlich mehr Nachgiebigkeit, als 
man von dem neuen Kabinett in Konstantinopel 
erwartet hatte. Für die Mächte selbst bedeutete 
die Antwortnote eine bittere Satire; man hört 
ordentlich, besonders aus den ersten Sähen des 
amtlichen Schriftstückes, den Hohn heraus, mit 
dem die neue türkische Negierung die Be 
strebungen der Mächte beantwortete. 
* * * 
An der Tatsache des Abbruches der Friedens 
verhandlungen änderte die Note der Pforte 
nichts; der Stein war im Nöllen und der 
Wiederausbruch des Krieges unvermeidlich. 
Wenigstens glaubten das die Bulgaren, die 
wegen Adrianopel das größte Interesse an der 
Fortführung der Feindseligkeiten hatten. Auf 
serbischer Seite war man noch immer geneigt, 
eventuelle Friedensmöglichkeiten 
ins Auge zu fassen. Noch am 
31. Januar erklärte der serbische 
Gesandte am Wiener Hofe, 
Jovanovic: 
Ich möchte nicht die Hoff 
nung aufgegeben haben, daß 
trotz Abbruches der Verhand 
lungen die Feindseligkeiten nicht 
wieder werden aufgenommen 
werden. Es liegt im türkischen 
System, die Dinge zu ver 
schleppen und nur Schritt für 
Schritt nachzugeben. Das neuer 
liche Zugeständnis der Pforte, 
den europäischen Teil von Adria 
nopel an Bulgarien abzutreten, 
ist derart, daß man hoffen darf, 
daß die Türken auch im übrigen 
Mr Besinnung kommen. Cs liegt 
in der bulgarischen Verfassung, 
Toleranz gegen alle Kulte zu 
üben. So könnte also die Türkei 
von vornherein überzeugt sein, 
daß die in das Bereich der 
frommen Stiftungen fallenden 
Heiligtümer, die Moscheen, die 
Gräber, auch wenn Bulgarien 
ganz im Besitz Adrianopels ist, geachtet werden 
würden. 
Die Türkei hätte also nichts in dieser Nichtung 
zu besorgen. Dazu kommt ja» daß, wenn die 
Türkei Adrianopel ganz abtreten wollte, der 
Schutz der Güter der frommen Stiftungen in 
einer besonderen Klausel des Friedensvertrages 
und noch in einem speziellem Vertrage zwischen 
der Türkei und Bulgarien festgelegt werden 
könnte. Es erscheint mir jedoch wenig plausibel, 
daß die gegenwärtige Lösung, wie sie das 
türkische Kabinett vorschlägt, gute Aussichten 
für die Zukunft böte. Es könnten vielmehr, 
wenn die Bulgaren den einen Teil und die 
Türken den anderen Teil der Stadt besäßen, 
in Zukunft Neibungen daraus entstehen. 
Kuhowalache.
	        
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