Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

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Der Abbruch der Zriedensverhandlungen. 
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man durch geduldiges Zuwarten die eventuelle 
Aeigung der Zungtürken zum Aachgeben nicht 
fördern. 
Die bisherige Verschleppung habe nur be 
wirkt, das) die Rumänen wieder schroffer auf 
treten. Die Bulgaren versichern, das) die 
rumänische Regierung schon auf dem besten 
Wege war, das bulgarische Angebot zu akzep 
tieren. Vorgestern ersuchte der hiesige rumänische 
Gesandte Misu Dr. Danew um eine Zu 
sammenkunft. Als diese aber gestern stattfand, 
erklärte Misu, noch keine Instruktionen zu 
haben. 
Dies erscheint den Bulgaren unfaßbar, da 
doch Misu selbst die Zusammenkunft verlangt 
hatte, und sei nur so zu erklären, das) eben 
Mischen vorgestern und gestern der Umschwung 
in Konstantinopel eingetreten ist. Die Bulgaren 
weisen auch darauf hin, das) schon die heutige 
Grenze den Rumänen mehr gibt, als ihnen 
der Berliner Vertrag bewilligte. Die Grenze 
reicht viel weiter südlich von Mangalia, als in 
Berlin festgesetzt wurde; auch sei Silistria da 
mals von den Mächten ausdrücklich Bulgarien 
zugewiesen worden und die Mächte haben ihre 
Ansicht noch nicht geändert. 
Der Abbruch der Zriedensverhandlungen. 
machte sich also in den Kreisen 
'/> der Balkandelegierten aus die Mög- 
lichkeit eines Miederausbruches des 
Hopses gefaßt und war nur im 
unklaren darüber, was man unternehmen sollte, 
um möglichst rasch Gewißheit über die Absichten 
des jungtürkischen Kabinetts zu erlangen. Die 
Balkandelegierten hatten den Mächten das Ver 
sprechen gegeben, den türkischen Delegierten 
kein Ultimatum zu stellen, ehe die türkische Re 
gierung die Kollektivnote der Mächte beant 
wortet hatte. Jur Beantwortung dieser Rote 
war der türkischen Regierung Kiamil Paschas 
keine Frist gegeben worden und man konnte auf 
die neue Regierung keinen Druck ausüben, 
ohne die Gebote der Aeutralität aufs gröbste 
}ü verletzen. Um jedoch die Antwort der Türkei 
zu forcieren, beschlossen die Delegierten der 
verbündeten Balkanstaaten am 26. Januar, die 
Verhandlungen mit der Türkei abzubrechen. 
Die Verhandlungen waren bekanntlich nur 
unterbrochen worden und konnten auf Wunsch 
des einen oder anderen Kontrahenten jederzeit 
wieder aufgenommen werden. Der Beschluß der 
Balkandelegierten war nur „im Prinzip" ge 
faßt, hatte also ganz den Charakter einer 
Demonstration, die noch nicht unter allen Um 
ständen wörtlich aufgefaßt werden mußte. Es 
wurde darüber aus London, 26. Januar, be 
richtet: 
In der heutigen Beratung der Balkandele 
gierten wurde im Prinzip beschlossen, weitere 
Verhandlungen mit der Türkei abzubrechen und 
einem speziellen Komitee die Ausführung dieses 
Beschlusses zu übertragen. 
Soweit die offizielle Mitteilung, die aber 
die verschiedensten Deutungen zuläßt und tat 
sächlich von verschiedenen Delegierten ganz ver 
schieden ausgelegt wird. Am weitesten gehen 
die Bulgaren, welche sagen, die Serben haben 
heute die nötigen Instruktionen erhalten und 
daraufhin wurde beschlossen, die weiteren Ver 
handlungen abzubrechen und den Waffenstill 
stand zu kündigen. Bis morgen wird der Be 
schluß redigiert, offiziell verlautbart und im 
Wege des bulgarischen Oberkommandos dem 
türkischen Generalissimus mitgeteilt sein, so daß 
von morgen, Montag 7 Uhr abends die vier 
tägige Kündigungsfrist laufen wird. Eine 
Wiederaufnahme der Feindseligkeiten könnte 
nur durch Aachgeben der Türkei vermieden 
werden. Es ist aber möglich, daß unter dem 
Eindruck der Kündigung des Waffenstillstandes 
die jungtürkische Regierung wieder gestürmt und 
eine andere Regierung das Ruder ergreifen und 
Adrianopel zedieren wird. 
Eine ganz andere Deutung des heutigen 
Beschlusses geben griechische Delegierte. Sie 
sagen: wir haben uns heute im Prinzip ge 
einigt, den türkischen Friedensdelegierten mit 
zuteilen, daß wir nicht länger zuwarten wollen 
und die Verhandlungen, die bisher nur suspen 
diert waren, abbrechen. Die Ausarbeitung der 
Aote wurde den Chefdelegierten übertragen, die 
eine Art ständigen Ausschuß bilden. Aach der 
Ausarbeitung der Aote wird sie dem Plenum 
der Delegierten der Verbündeten vorgelegt und 
nach Erhaltung der Genehmigung den türki 
schen Friedensdelegierten mitgeteilt werden, aber 
auch das nur für den Fall, daß inzwischen keine 
Antwort der Pforte, oder eine ablehnende Ant 
wort auf die Aote der Großmächte erfolgt ist. 
Der bulgarische Chefdelegierte Dr. Danew 
hat von seiner Regierung Instruktionen erhalten, 
die folgenden Inhalt haben: 
Dr. Danew soll sich mit den anderen Dele 
gierten des Balkanbundes in Verbindung setzen, 
um den türkischen Delegierten in London ein 
kurzfristiges Ultimatum zur Beantwortung der 
Kollektivnote der Mächte zu stellen.
	        
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