Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

Die Folgen der Umwälzung in Konstantinopel. 
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Umschwung in Konstantinopel könnte im schlimm 
sten Falle die Verweigerung der Abtretung 
Adrianopels zur Folge haben, eine Eventualität, 
mit welcher auch unter dem Kabinett Kiamil 
Pascha schließlich gerechnet werden mußte. Trotz 
aller gegenteiligen Meldungen glaubt man in 
unterrichteten Kreisen, daß sich auch das neue 
Kabinett den zahlreichen triftigen Argumenten, 
die der Türkei eine Miederaufnahme der Feind 
seligkeiten äußerst gefährlich erscheinen lassen 
müssen, nicht verschließen werde. Die Haupt 
stütze für die ruhige Beurteilung der Situation 
ist jedoch die Einigkeit der Mächte, die auch 
durch die jüngsten Ereignisse nicht gestört wurde. 
Die Einigkeit der Mächte! Mie herrlich es 
um diese Einigkeit be 
stellt war, haben wir 
schon gesehen: nur das 
gegenseitige Mißtrauen 
hinderte die beiden großen 
Mächtegruppen, selbst 
ständig in den Balkan 
krieg einzugreifen. Meil 
man nicht wollte, daß 
der verhaßte Vachbar 
irgend etwas unternehme, 
tat man selbst auch 
nichts und beschränkte sich 
auf wohlmeinende Rat 
schläge, an deren Mort 
laut Machen lang herum 
redigiert werden mußte. 
Die Ansicht der Bal 
kandelegierten in 
London. 
Mie man in Kreisen 
der Balkandelegierten die 
Situation nach dem Kon- 
stantinopler Staatsstreich 
auffaßte, zeigt folgende 
Depesche aus London, 
25. Januar: 
Heute Vachmittag traten die Chefdelegierten 
der Balkanverbündeten wieder zu einer Beratung 
zusammen. Von den Alliierten hat Griechen 
land den Maffenstillstand bekanntlich nicht unter 
zeichnet und führt mit der Türkei Krieg. Mon 
tenegro ist trotz des Maffenstillstandes in kriege 
rischen Operationen begriffen. Griechenland und 
Montenegro sind also an einer eventuellen Kün 
digung des Maffenstillstandes nicht direkt inter 
essiert. Sie interessieren mehr die diplomatischen 
Folgen, die sich an den Wiederausbruch des 
Krieges knüpfen würden, und die eventuelle 
Maffenhilfe, die sie als Bundesgenossen zu 
leisten hätten. 
Es handelt sich also heute hauptsächlich 
darum, ob die serbischen Delegierten ihre In 
struktionen erhalten haben, die sie zur Annahme 
des bulgarischen Vorschlages ermächtigen würden 
und ob die Bulgaren auf dem Vorschlag be 
stehen, von der türkischen Regierung eine rasche 
Antwort im Mege eines Ultimatums zu ver 
langen. 
Auch wenn sie eine Maffenhilfe nicht 
brauchen, müssen die Bulgaren auf die Stim 
mung ihrer Bundesgenossen Rücksicht nehmen. 
Die Serben können zu dem, was sie bereits 
okkupiert haben, nichts dazu gewinnen, es sei 
denn, daß die Bulgaren ihnen vom bulgarischen 
Anteil ein Stück versprechen. Die Bulgaren 
waren heute vormittags noch unbedingt dafür, 
daß man ein Ultimatum stelle, denn die im Ulti 
matum zu sehende Frist 
und die viertägige Kün 
digungsfrist des Maffen 
stillstandes würden der 
jungtürkischen Regie 
rung, im Falle sie nach 
geben wollte, genügend 
Zeit zur Beschlußfassung 
lassen. 
Die Bulgaren glau 
ben, daß die Türkei zu 
einem Offensivvorstoß un 
fähig ist, während sie 
selbst die Ungeduld ihrer 
Leute zu zügeln haben. 
Ihnen kommt auch zu 
gute, daß dank der sel 
tenen Feuerdisziplin ihrer 
Truppen und der starken 
Verwendung des Bajo 
netts ihr Munitions 
verbrauch ganz über 
raschend gering gewesen 
ist. Sie haben pro Ge 
wehr nur JOO Patronen 
verschossen, während vor 
dem Krieg der Verbrauch 
theoretisch auf )0<X> bis 
2000 pro Gewehr berechnet worden war und 
trotzdem die Schlachten im Gegensatz zu denen 
des ostasiatischen Krieges durch die Artillerie ent 
schieden wurden, haben sie pro Geschütz nur 
300 Geschosse abgefeuert. Sie halten die Moral 
der türkischen Truppen für noch nicht hergestellt. 
Als die Bulgaren nach der Einnahme von Kirk- 
kiliffe die Post- und Telegraphenämter besetzten, 
fiel ihnen das Manuskript einer Depesche in die 
Hände, die Mahmud Mukhtar an seinen Vater, 
den damaligen Großwesir gesandt hatte. In 
dieser Depesche hieß es: „Biete alles auf, um 
eine Intervention der Mächte zu erlangen, denn 
mit diesen Truppen ist nichts anzufangen." 
Daran hat sich, wie die Bulgaren glauben, 
auch heute nicht viel geändert. Jedenfalls könne 
Hirt aus Rhodope.
	        
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