Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

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Der Staatsstreich in Konstantinopel. 
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Ministers des Austern, der durch eine Erkältung 
an der Teilnahme verhindert war (Roradunghian 
hatte die Ablehnung der Rote der Mächte vor 
geschlagen und war „erkältet", weil er nicht 
durchgedrungen warl), ein Expose über die 
äustere Lage zu verlesen. 
Daran schlost sich sofort eine Erörterung, 
die einen lebhaften Verlauf nahm. In der 
Debatte sprachen: der frühere Deputierte 
Mustapha, der ehemalige Minister Damad 
Ferid Pascha, Marschall Fuad Pascha, der 
frühere Deputierte Mahir Said, sowie die 
Senatoren Reschid Akif und Aristidi, Marschall 
Achmed Mukhtar, Aristarchi Bey und der 
frühere Grostwesir Küt- 
schük Said. 
MitAusnahmeeines 
einzigen billigten sämt 
liche Redner den Stand 
punkt der Regierung; 
sogar der frühere Grost 
wesir Kütschük Said 
trat für die Annahme 
der Rote der Mächte 
ein. 
Die Versammlung 
nahm die von der Re 
gierung gegebenen Auf 
klärungen zur Kenntnis 
und sprach sich für die 
Annahme der Kollek 
tivnote aus. 
Die Regierung wird 
demgemäst den Mächten 
antworten, dast sie deren 
Ratschläge annehme 
und, von ihrem guten 
Millen überzeugt, die 
Versicherungen, die tür 
kische Regierung finan 
ziell und moralisch zu 
unterstützen und für die 
Unterhaltung der dem 
ottomanischen Reiche 
verbleibenden Gebiete 
nis nehme. 
Die Versammlung war um 4 Uhr nach 
mittags zu Ende. Die Beratungen waren streng 
geheim; indessen war es den Berichterstattern 
möglich, die Teilnehmer, die sich vor Beginn 
der Sitzung im grosten Botschaftersaal ver 
sammelten, zu sehen. Beim Verlassen des 
Saales begrüstten Grostwesir Kiamil Pascha 
und der frühere Grostwesir Said Pascha 
einander mit Händedruck. Vor dem Palais 
war nur wenig Publikum zu sehen, welches 
das Ergebnis der Beratung abwartete. 
Sofort nach Schlust der ratgebenden Ver 
sammlung trat der Ministerrat im Palais zu 
sammen, um endgiltig den Text der Antwort 
note festzustellen, die abends den Botschaftern 
überreicht werden soll. 
Die türkische Regierung selbst veröffentlichte 
ein Communique über die Äotabelnversammlung, 
in welchem es hiest: 
Rachdem die Regierung Aufklärungen ge 
geben hatte, erörterte die Versammlung in 
loyalem patriotischen Geiste die gegenwärtige 
Lage des Landes und beschlost, den Stand 
punkt der Regierung zu billigen und den 
patriotischen Bemühungen des Kabinetts zu 
vertrauen, die darauf gerichtet sind, die Sicher 
heit zu erlangen, dast das Land, indem es 
dem Billigkeitsgefühl 
der Mächte und deren 
Versprechen vertraut, 
durch Beistand das zu 
künftige Mohl und die 
wirtschaftlichen Inter 
essen des Landes sicher 
zustellen, tatsächlich 
Ruhen ziehe. 
Im Laufe der Sitz 
ung erklärte der Kriegs 
minister, das Land und 
die Regierung haben 
volles Vertrauen zur 
Armee, deren Geist 
ausgezeichnet ist, sich 
für die Verteidigung 
des Landes zu opfern. 
Die Polizei hatte 
in der Umgebung des 
Palais von Dolma- 
bagdsche umfassende 
Sicherheitsmastregeln 
getroffen. 
Oberst Enver Bey, 
der Organisator des jungtürkischen Staatsstreichs. 
einzustehen, zur Kennt- 
Die Komödie des 
grosten Rats war, wie 
man sieht, sehr geschickt 
inszeniert; Kiamil Pa 
scha hatte bei der Zusammensetzung dieser Ro- 
tabelnversammlung schon im voraus dafür ge 
sorgt, dast seine Vorschläge auf keine Opposition 
stiesten. Die Auswahl war vorzüglich getroffen. 
Höhere Beamte, die in einem gewissen Ab 
hängigkeitsverhältnis zur Regierung standen, 
Deputierte, auf deren Ergebenheit die alt 
türkische Partei zählen konnte, persönliche 
Freunde der Regierungsmitglieder — das waren 
die Statisten, die berufen wurden, durch ihre 
Anwesenheit den Schritt zu rechtfertigen, den 
die Regierung unternehmen wollte. Es hiest 
zwar, dast die Antwortnote der Pforte, die am 
24. Januar hätte überreicht werden sollen, 
keineswegs vorbehaltlos die Forderungen der
	        
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