Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

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Die Botschafterreunion und die Balkansragen. 
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gelegene weyenreiche Gebiet von Kumanovo, 
sowie das westlich gelegene, nicht minder frucht 
bare Tetowotal, in dem der Vardar entspringt, 
mit den Städten Kalkandelen und Gostivar zu- 
sallen, wohin eine Bahn kurz vor Kriegsaus 
bruch von Usküb aus hätte gebaut werden sollen. 
In allen diesen erwähnten Gebieten leben zahl 
reiche Albanesen, ja in dem militärisch wichtigen 
Engpässe von Kacanik bilden sie die ausschließ 
liche Bevölkerung, und bei pristina überschrei 
ten sie sogar die Grenze des alten Königreiches 
Serbien und dehnen sich bis Leskovak an der 
Morawa aus. Würde sodann die von den 
Balkanstaaten stets in den Vordergrund gescho 
bene ethnographische Volksverteilung für die 
Bestimmung der neuen Grenzen allein maß 
gebend sein, so wären die obigen Forderungen 
der albanesischen Deputation vollkommen berech 
tigt. Im Hinblick auf die gegenwärtige mili 
tärische Situation der Verbündeten erscheinen sie 
jedoch politisch kaum realisierbar. 
Ebensowenig glauben wir daran, daß die 
Verbündeten den fruchtbaren Talkessel pelagonia 
mit den beiden eroberten Städten Monastir und 
Prilep den Albanesen überlassen werden. Die 
selben müssen vielmehr zufrieden sein, wenn 
ihnen die beiden schönen Seen: der presba- 
und Ochridasee, erhalten bleiben. Die östlich 
des Drin laufende Grenze müßte sich sonach 
längs der Biglakette fortsetzen, den berühmten, 
weit in die Ebene von Monastir hinabblicken 
den peristeri (2570 Meter) umfassend, welcher 
den griechischen Vamen „Das Täubchen" führt, 
weil seine ausgebreiteten Schneeflecken, von der 
Ebene aus betrachtet, wie die Flügel einer Taube 
aussehen. Die Grenze müßte nun der lang 
gestreckten hohen Aeredska Planina folgen, 
welche die Wasserscheide zwischen dem abfluß 
losen Gebiete des presbasees und der dem 
Vardar zufließenden Erna Aeka bildet. Von hier 
hätte die Grenze, die die Wasserscheide zwischen 
der Adria und dem Golf von Saloniki bildende 
Hauptkette des pindusgebirges bis an die heutige 
griechische Grenze zu bilden. 
An der Südgrenze Albaniens liegen die 
Dinge genau ebenso wie an der Vordgrenze. 
So wie die Montenegriner trotz aller bombasti 
schen Siegestelegramme Skutari, die Haupt 
stadt Vordalbaniens, bisher nicht einnehmen 
konnten, so haben die griechischen Armeen ver 
gebens versucht, sich des tapfer verteidigten 
Janina zu bemächtigen und es erscheint daher 
nur billig, daß Janina das bleibe, was es bis 
her war, die Hauptstadt Südalbaniens. Ob 
aber Griechenland nicht noch einen südlichen 
Teil Albaniens, also des alten Epirus, für sich 
verlangt, mag dahingestellt bleiben. Die gegen 
wärtig festgestellte Südgrenze von Albanien und 
Griechenland, welche nach dem von Griechen 
land unglücklich geführten Kriege gegen die 
Türkei im Jahre 1897 von Europa festgesetzt 
wurde, hat den großen Vorzug, daß sie nicht 
nur eine natürliche Grenze im besten Sinne 
des Wortes, sondern auch eine ethnographische 
Grenze ist. Denn mögen auch die Griechen sich 
darauf berufen, daß es in Südalbanien viele 
Bewohner gibt, die Griechisch sprechen, so ist 
doch auch darauf hinzuweisen, daß die Be 
völkerung des westlichen und mittleren Griechen 
land, ja bis nach Athen hin und im Peloponnes, 
albanesischen Ursprunges ist und nur die griechi 
sche Sprache angenommen hat. Sie sind im 
13. und 14. Jahrhundert aus Albanien über 
Einladung der damals Griechenland beherr 
schenden italienischen Fürsten und Venedigs 
dorthin eingewandert, um das ganz verwüstete 
und öde Land zu bevölkern. Daher kann man 
einen großen Teil der heutigen Griechen als 
gräzisierte Albanesen bezeichnen. 
Bei alledem läßt sich aber nicht verschweigen, 
daß es gerade heute wieder in Belgrad nicht 
an Stimmen fehlt, die an dem so lieb ge 
wordenen Gedanken eines serbischen Adria 
hafens, selbstverständlich mit einem nicht unbe 
deutenden Stück albanesischer Küste und dem 
berühmten Korridor, festhalten. Fast die gesamte 
Belgrader Presse bis tief hinein bis in das 
offiziöse Lager will von einer Zurückziehung der 
serbischen Truppen aus Durazzo nichts wissen 
und wenn man dem „Secolo" in Mailand 
glauben darf, so hat sich jetzt General Popovic 
in Durazzo in ähnlichem Sinne geäußert. Daß 
aber auch in sehr ernsten serbischen Kreisen dieser 
Gedanke festen.Fuß gefaßt hat, dafür spricht 
eine Abhandlung, die der bekannte, und als 
geographischer und als geologischer Fachgelehrte 
allseits hochgeschätzte Professor der Universität 
in Belgrad, Dr. Jovan Evijic, in einer ersten 
wissenschaftlichen Zeitschrift Deutschlands über 
den Zugang Serbiens zur Adria jüngst ver 
öffentlicht hat. Cr sagt darin: Das Hauptziel 
der serbischen Kriegsleitung war die Eroberung 
eines Adriahafens. Von ihm hängt die wirt 
schaftliche Selbständigkeit Serbiens ab. Jeder 
Soldat wußte das und die Volksseele war da 
von beherrscht. Die Leute warben förmlich um 
die Gunst, zu dieser Armee zugelassen zu 
werden. Als die Truppe an die Küste kam, 
fand sie den Hafen von Medua schon in den 
Händen der Montenegriner. In leichterem 
Kampfe wurde dann Alessio erobert und der 
etwa 50 Kilometer lange Landstreifen am Meere 
bis Durazzo besetzt. Mit atemloser Spannung 
verfolgte das serbische Volk die Bewegungen 
der Zeta-Armee bis zur Erreichung des ihr ge 
setzten Zieles. Die Gründe dafür darzulegen, 
wie es kam, daß ein ganzes Volk in allen 
seinen Gliedern sich einig sah in dem festen
	        
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