Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

Die Bemühung der Mächte um die Fortsetzung der Friedens- 
Verhandlungen. 
^ie Verhandlungen in London waren 
am 6. Januar unterbrochen worden. 
Die Delegierten der Balkanstaaten 
"* erwarteten von den Großmächten eine 
Einwirkung auf die Türkei in dem Sinne, daß 
die Pforte veranlaßt würde, neue, den Alliierten 
genehmere Zugeständnisse )u machen. In der 
Tat haben die Vertreter der Mächte in Kon 
stantinopel fast täglich )um Vachgeben geraten; 
insbesondere in der Frage von Adrianopel, 
welche von Anfang an die schwierigste war. 
Als die Unterbrechung der Friedenskonferenz 
erfolgte, berieten die Mächte außerordentlich 
intensiv über die Schritte, die nun )u unter 
nehmen wären. Am 7. Januar berichtete man 
darüber aus London: 
Trotz der Unterbrechung der Friedens 
konferenz und der griechischen Weihnachtsfeier 
tage, die für alle Balkandelegierten in Betracht 
kommen, wurde heute mit größtem Eifer an 
der Entwirrung der Situation gearbeitet. Die 
Botschafter der Großmächte und Sir Edward 
Grey, die schon gestern der Frage nahegetreten 
waren, diskutierten auch heute sowohl unter 
einander wie mit Besuchern aus den Kreisen 
der Balkandelegierten einen Ausweg. So sprach 
B. Dr. Danew auf der österreichisch-ungari 
schen Botschaft vor, während der Botschafter Graf 
Mensdorff später Sir Edward Grey aufsuchte. 
Man stellt sich die Aktion der Mächte in 
zwei parallelen verlaufend vor: einmal eine 
Demarche in Konstantinopel, die Sache der 
Regierungen wäre, und gleichzeitig in London 
die Einwirkung auf die Delegierten. Es kann 
sich aber um keinerlei Zwang, sondern nur um er 
neute dringende Ratschläge handeln. Eine der 
artige Mediation der Mächte wird kaum auf 
eine Zurückweisung stoßen, sicher nicht bei den 
Alliierten, deren Unterbrechung der Konferenz 
offenbar )u dem Zweck erfolgte, üm die ver 
mittelnde Tätigkeit der Mächte anzuregen und 
nicht um die Türkei einzuschüchtern und zum 
Rachgeben auf der ganzen Linie )u veranlassen. 
Aber selbst auf seiten der Türkei sollte 
man keine absolute Weigerung erwarten, denn 
die Türkei hat ja ursprünglich selbst vorge 
schlagen, eine Reihe der strittigen Fragen der 
Entscheidung der Mächte M überlassen, davon 
aber allerdings die Frage Adrianopels aus 
drücklich ausgeschlossen. 
Irgend etwas werden die Mächte der 
Türkei wohl bieten müssen, um ihre Aktion 
nicht einseitig gegen die Türkei gerichtet er 
scheinen )u lassen. Die Frage der von der 
Türkei geforderten Kriegsentschädigung und der 
Entschädigung der Pforte für Staats- und 
Kircheneigentum in den abgetretenen Gebieten 
ist bisher auf der Friedenskonferenz nicht be 
rührt worden, doch liegt hier jedenfalls ein 
Punkt, an dem die Mächte einsetzen könnten, 
um den toten Punkt Adrianopel )u überwinden. 
Auch wird jedenfalls in der Frage der Agäifchen 
Inseln eine mittlere Linie )u finden sein, auf 
welcher die Mächte sich einigen müssen, um 
ihrerseits den Streitparteien Vorschläge machen 
M können. 
Das wird einige Zeit in Anspruch nehmen. 
Dr. Danew wird die Äußerung zugeschrieben, 
daß die Alliierten nur 3 oder 4 Tage warten 
und, wenn die Türken sich bis dahin nicht 
rühren, abreisen wollen. Es liegt guter Grund 
vor, an der Richtigkeit dieser Meldung zu 
zweifeln. Die Bulgaren wie die anderen Alli 
ierten sind zwar ungeduldig und verweisen darauf, 
daß der Krieg bis zum Abbruch der Feind 
seligkeiten bei Tschataldscha weniger lang ge 
dauert hat, als die Friedensverhandlungen, die 
eigentlich schon am 18. Rovember begonnen 
haben; aber sie wissen, daß die Aktion der 
Mächte Zeit braucht, und sie selbst haben es 
gar nicht so eilig, weil sie — wenigstens sagen 
sie so — den Fall Adrianopels in Bälde er 
warten, ja sogar glauben, daß die türkischen 
Staatsmänner selbst darauf warten, um leichter 
verhandeln ?u können. Außerdem ist die Er 
wartung nicht die, daß die Türken den nächsten 
Schritt machen werden. Es ist sogar fraglich, 
ob, wenn die Türken jetzt die Wiederaufnahme 
der Konferenz verlangten, ohne das ganze am 
vorigen Freitag von den Alliierten aufgestellte 
Programm im vorhinein zu bewilligen, die Alli 
ierten sich darauf einlassen würden.
	        
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