Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

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Die weiteren Kriegsereignisse M See während der Friedensverhandlungen. 
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Lemnos oder in See, und die Bevölkerung des 
Archipels ist überwiegend griechisch — nichts 
Wesentliches bekannt geworden. „Averoff" soll 
7 schwere Treffer erhalten haben und „Spetsai" 
schwer beschädigt worden sein. 
Nus den türkischen Schiffen brach während 
des Gefechts mehrfach Feuer aus, so auf dem 
„haireddin Barbarossa" dreimal. Nus „Barba 
rossa" wurden ferner der mittlere 28 Zentimeter- 
turm, eine Munitionsfördereinrichtung, ein Mast 
und ein Schornstein stark beschädigt. Ein Schar 
tentreffer sehte die gesamte Bedienung des mitt 
leren 28 Ientimeterturmes außer Gefecht; ein 
Decktreffer und ein Treffer in die Offiziersmesse 
töteten eine Menge Offiziere und Mannschaften. 
Nus „Torgut Reis" sehte angeblich ein Treffer 
gleichfalls einen schweren Turm außer Gefecht. 
Die Angaben über den türkischen Verlust 
an Toten und Verwundeten schwanken zwischen 
113 und 204 Mann, darunter 24 bis 40 Tote. 
Die Eroberung der Insel Ehios. 
Ende November hatten die Griechen auf 
Ehios Truppen gelandet, die türkische Besatzung 
hatte sich ins Innere zurückgezogen. Der Wider 
stand der etwa 1600 Türken war in 6 Wochen 
gebrochen; sie haben schließlich, geschwächt durch 
Entbehrungen und die Unbilden der Witterung 
in den unwirtlichen Bergen und von aller Ver 
bindung mit der Außenwelt abgeschnitten, der 
erdrückenden Übermacht nachgeben müssen. 
Als die griechische Flotte am 24. November 
früh vor Ehios auftauchte, hatte sich, wie er 
zählt, die türkische Besatzung alsbald, zum Teil 
auf die Bitten der Konsuln, aus der Stadt zu 
rückgezogen, die nach einem erfolglosen Versuch 
der Türken, die Landung zu verhindern, von 
den 3000 Mann griechischer Truppen sofort be 
seht wurde. Die Türken zogen sich sodann auf 
die steilen und unwegsamen hänge des nahen 
Aposgebirges zurück. Dort leisteten sie unter 
Führung des als unerschrockenen Haudegen be 
kannten Obersten Sichni Bey anfangs erfolg 
reichen Widerstand. Die großen Verluste der 
angreifenden Griechen trotz ihrer Übermacht — 
sie erhielten fortwährend neue Verstärkungen 
und Zulauf zahlreicher Kreter und anderer Frei 
williger — veranlaßten sie, nach einer Woche 
vom Kampf abzustehen und zu versuchen, durch 
Hunger die Übergabe zu erzwingen. Indes hiel 
ten die Türken wacker aus und lehnten jeden 
Vorschlag auf Kapitulation glatt ab. 
In der Stadt Ehios war es nach einem 
Bericht der „Kölnischen Zeitung" aus Smyrna 
am Tage nach dem begeistert begrüßten Einzug 
der griechischen Truppen zu Plünderungen tür 
kischer Häuser und Läden durch Gesindel ge 
kommen, auch wurden Gärten verwüstet und 
mehrere Häuser in Brand gesteckt. Doch schritt 
das griechische Militär tatkräftig ein. Der Wie 
derholung wurde durch Verhängung des Be 
lagerungszustandes vorgebeugt, übrigens soll die 
türkische Bevölkerung nicht ohne Schuld an 
diesen Ausschreitungen gewesen sein, indem eine 
Anzahl Zivilpersonen aus dem verfallenen Ka 
stell bewaffneten Widerstand leistete. Ein Attentat 
auf den Oberbefehlshaber veranlaßte diesen, 
nach einigen Tagen eine größere Anzahl übel 
beleumundeter Türken nach dem Piräus abzu 
schieben. Im übrigen blieb die Ruhe muster 
haft. Auch sorgte die griechische Verwaltung für 
die zurückgebliebenen türkischen Familien. Ihre 
Abreise nach dem Festlande wurde jedoch nicht 
gestattet, angeblich, um so Geißeln für den 
Fall von Ausschreitungen türkischer Truppen in 
Händen zu haben, in Wahrheit wohl, um deren 
Widerstandslust durch Furcht vor einem Massaker 
der türkischen Familien zu dämpfen. Nachdem 
die Einschließung der türkischen Truppen einen 
vollen Monat gedauert hatte, ohne daß eine 
erneute Aufforderung zur Kapitulation Erfolg 
gehabt hätte, zogen die Griechen neue große 
Verstärkungen heran, unter anderem die frei 
gewordene Besatzung von Mytilene, und schlossen 
in den letzten Dezembertagen die Türken von 
allen Seiten fest ein. Angesichts der Übermacht 
der Griechen, die über 6000 Mann Truppen 
und große Mengen Freiwilliger, sowie über 22 
Geschütze — gegen 2 türkische — verfügten, 
versuchte auf Bitten der türkischen Bevölkerung 
in letzter Stunde noch der deutsche Konsul zu 
vermitteln, doch zerschlugen sich die Verhand 
lungen der Bevollmächtigten daran, daß die 
Türken auf freiem Abzug bestanden, die Grie 
chen auf Kriegsgefangenschaft wenigstens der 
Truppen. Drei Tage später ergaben sich die 
Türken unter dem Eindruck des vernichtenden 
Feuers der griechischen Artillerie und, nachdem 
die Truppe auf rund 1200 Mann zusammen 
geschmolzen war, bedingungslos. Seitdem dürfen 
auch die türkischen Familien die Insel verlassen, 
was sie in großer Zahl tun. 
Ehios ist die drittgrößte Insel der der 
kleinasiatischen Küste vorgelagerten Inselkette. 
Einen bedeutenden Umfang hat die Gerberei, 
die die einheimische Bevölkerung der Festlands 
küste mit Sohlleder versorgt; die Ausfuhr an 
Sohlleder übersteigt an Wert 2 Millionen 
Mark. Andere Ausfuhrerzeugnisse sind Anis, 
Johannesbrot und vor allem Mastixharz (über 
Va Million Mark). Die Schiffahrt ist eine 
rege. Sie erreicht für den Hafen Ehios fast 
1 Million Tonnen (darunter 1327 Dampfer), 
da die meisten von Smyrna nach Süden ge 
henden Dampfer den schmalen Kanal zwischen 
Ehios und dem Festlande durchfahren. Die Be 
völkerung ist fast ganz griechisch.
	        
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