Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

Die Agäischen Inseln. 
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Krieg wieder beginnen werde, falls diese Stadt die anderen, wie beispielsweise die der Dette 
nicht der Türkei belassen werde. Bisher seien publique verlangen noch eine ernste Dis- 
nur territoriale Fragen behandelt worden, aber kussion. 
Die Agäischen Inseln. 
ySgp'fae der Hauptschwierigkeiten, die dem 
Friedensschluß entgegenstanden, war 
außer der Frage von Adrianopel die 
Frage nach dem künftigen Besitz der 
Agäischen Inseln. Es mag hier eingereiht sein, 
was der bekannte Kenner des Orients, Dr. 
v. Le Monnier, über die Inseln in jener Zeit 
schrieb. Der Gelehrte sagte: 
Wenn wir das im Altertum so gefürchtete 
und auch heute noch der griechischen Küsten 
schiffahrt so gefährliche, stets von Stürmen um 
toste Kap Matapan, die Südspitze des Pelo 
ponnes und damit Griechenlands umfahren 
haben, gelangen wir zur letzten jonischen Insel 
Cerigo, dem alten Kythera, dem Lieblingssitze 
der reizvollen Aphrodite, die hier als Schaum 
geborene dem Meer entstieg. Und heute noch, 
wenn wir das mit silberglänzenden Wogen er 
füllte unruhige Meer durchfahren, ist es uns 
unwillkürlich, als sollte die golden thronende 
Göttin neuerdings aus den Wellen empor 
tauchen — doch es sind nur die Köpfe der 
Delphine, die das Schiff umgaukeln. Wie wir 
die schmale Meeresstraße Mischen der felsigen, 
öden Insel Cerigo mit ihrer hochragenden Haupt 
stadt Kapsali und ihrer verfallenen, mittelalter 
lichen Burg einerseits und dem kleinen Eiland 
Lerigotto anderseits passiert haben, treten wir 
ein in das Agäische Meer, das durch seine 
Inselmenge einzig dasteht. Diese Agäischen 
Inseln sind für die Geschichte der Menschheit 
von allerhöchster Bedeutung. Sie bildeten die 
Brücke, auf der die Kultur phöniziens zuerst 
nach Griechenland auf das Festland Europas 
vor mehr als 3000 Jahren kam und denselben 
Weg nahm dann die verfeinerte griechische 
Kultur wieder zurück und über die Inseln an 
die Gestade Kleinasiens und Syriens. Wäre 
diese Inselbrücke nicht vorhanden gewesen, hätte 
griechische Kultur niemals zu solcher Höhe 
gelangen können und wäre Europa vielleicht 
um ein Jahrtausend länger in Barbarei ver 
blieben. Diese Inseln, begünstigt durch ein 
mildes Klima und eine subtropische Vegetation, 
wie eine glänzende Perlenkette sich aneinander 
reihend, waren geradezu prädestiniert, Kultur 
stätten ersten Aanges zu werden. Geschützt vor 
rauhen Winden oder dürrender Hitze, welche 
das Festland Asiens so oft heimsuchen, lagen 
sie in einem Meere, das zur Schiffahrt beson- 
Balkankrieg. II. 
ders geeignet schien, da es von außerordentlich 
regelmäßigen Winden beherrscht wird. 3m 
Sommer, namentlich im Juli und August, 
wehen fast beständige Vord- und Vordostwinde, 
die sogenannten Etesien der Alten, die während 
des Tages oft sturmartige Stärke annehmen. 
Sie reinigen die Luft über dem Jnselgewirr, 
kühlen die Hitze ab, sind trocken und gesund 
und zerstreuen oft die Schiffahrt hemmende 
Hitznebel. Jm Winterhalbjahr wehen die Winde 
oft wechselnd, meist aus Süd oder Südwest 
und Südost. Die Schiffahrt der alten Griechen, 
die ihre Lehrmeister in den Phöniziern hatten, 
ward in ihrem Beginne als eine bloße Küsten 
schiffahrt durch die geringen Entfernungen zwischen 
den einzelnen Inseln des Agäischen Meeres, die 
ein baldiges Landen gestatteten und die klare 
Luft, welche den Schiffern deutlich ihr Ziel 
zeigte, gegenüber den nordischen Seeleuten, die 
mit dichten Vebeln oder Stürmen zu kämpfen 
hatten, wesentlich begünstigt. 
So war es für die Geschichte des griechi 
schen Volkes von höchster Bedeutung, daß es 
diese vor seinen Küsten liegenden Inseln be 
siedeln durfte, die es in vollem Bewußtsein 
ihres hohen Kultur- und Handelswertes mit 
den größten Opfern und seltener Zähigkeit bis 
auf den heutigen Tag, wo ihm auch ihr politi 
scher Besitz zufallen soll, besetzt hielt. 
Der griechische Archipel, wie die Agäischen 
Inseln mit einem Gesamtnamen von den Vene 
zianern, verstümmelt aus den beiden lateinischen 
Worten Aegaeum pellagus, d. i. Agäisches 
Meer, bezeichnet wurden, besteht aus drei großen 
Inselgruppen: den Cykladen, die sich kreis 
förmig (daher der Vame) um die kleine Insel 
Delos mit dem größten Heiligtum des Apollo 
scharten und die bereits heute zu Griechenland 
gehören, den Sporaden, welche mit Ausnahme 
der ebenfalls zu Griechenland gehörenden nörd 
lichen Sporaden sich an den Küsten Kleinasiens 
ausdehnen und heute noch im nominellen Be 
sitz der Türkei sich befinden, und endlich den 
thrazischen Inseln, die sich in der Aähe der 
Mündung der Dardanellen bis zum thrazischen 
Festlande ausdehnen und heute ebenfalls noch 
türkisch sind, mit einziger Ausnahme der Insel 
Thasos, die unter ägyptischer Verwaltung steht. 
Die Geschichte des Agäischen Archipels hat 
ebensoviele Wandlungen durchgemacht, wie jene 
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