Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

Zwischen Krieg und Frieden. 
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Gesellschaft hatten sich bei der Anschaffung von 
Pfefferkuchen, Alkoholicis usw. für die Pfleger 
nicht lumpen lassen, und wie hoch es auf dem 
lichterstrahlenden Panzerschiffe herging, geht 
schon daraus hervor, das) die Mannschaft für 
mehr als 200 Mark Christbäume gekauft hatte. 
Die türkische Regierung tat in gewohntem 
Entgegenkommen für die Sitten ihrer Gäste 
das Unverhoffte; sie hob für die ganze heilige 
Rächt und den ersten Feiertag den Belagerungs¬ 
zustand aufl 
Die Regierung kann aber auch mit uns 
Fremden zufrieden sein: Macht doch deren 
Mildtätigkeit nicht bei der pflege der kranken 
Türken Halt, sondern erstreckt sich auch auf 
deren weitere Unterstützung. So hat die Ge¬ 
mahlin des österreichischen Botschafters Grafen 
pallavicini nach Abberufung des österreichisch- 
ungarischen Roten Kreuzes eine Busennadel 
mit Inschrift gestiftet, die man für wenige 
Piaster erstehen kann und deren Ertrag den 
Kranken in der Taschkischla zugute kommt. 
In den Hospitälern Sofias. 
Rn dieser Stelle möge eine Korrespondenz 
aus Sofia eingereiht sein, welche die „Reue 
Freie Presse" Ende Dezember aus der Feder 
Ernst Kleins veröffentlichte. Es heißt da unter 
anderem: 
Ganz weit draußen vor der Stadt, in der 
Ebene, aus der wie aus einem Guß der Vi- 
toscha in die Wolken emporsteigt, erhebt sich 
auf der linken Seite der Straße, die schnur¬ 
stracks ins Gebirge hineinführt, ein Gebäude¬ 
komplex, dem man schon von weitem die Be¬ 
stimmung anmerkt. Schmucklos sind alle diese 
Häuser, mit geraden, nüchternen Linien, grau, 
doppelt düster in dem endlosen Regen, der 
melancholisch auf sie niederrieselt. Dieselbe 
Ebene sah ich, als ich vor Ausbruch der Feind¬ 
seligkeiten ins Vitoschalager hinausfuhr, wo 
damals die Reservisten des unglücklichen J. und 
6. Regiments von der Früh bis zum Abend 
exerzierten. Damals lag heller Sonnenschein 
über ihm, vergoldete den Gipfel des Vitoscha 
und tauchte Menschen und Gegenstände in 
frohe, leuchtende Farben. Auf der rechten Seite 
der Straße, dort, wo die mehr als primitiven 
Baracken des Lagers eine kleine Stadt für sich 
bilden, regte sich und rührte sich militärisches 
Leben. Dort übten sich die Männer Sofias 
für den Kampf ein. Was die Stadt an Intel¬ 
ligenz, an geistiger Kraft und Hoffnung besaß, 
war hier draußen und marschierte und exer¬ 
zierte . . . Und nun ist diese Seite der Straße 
öde und verlassen und die Sonne scheint nicht. 
Auf der anderen aber sind die grauen, düsteren 
Häuser voll, ganz voll. Und Wagen um Wagen 
Balkankrieg. II. 
rollt durch den Regen heran und hält vor den 
Toren dieser Häuser. Und Männer eilen her¬ 
bei mit Tragbahren — wenn sie sie dann hinein¬ 
schleppen, sieht man flüchtig bleiche, schmerz¬ 
erfüllte Gesichter darauf . . . Was Sofia an 
Intelligenz, an geistiger Kraft und Hoffnung 
besaß, liegt draußen auf dem Blutfelde von 
Lüle Burgas oder kehrt heim auf diesen Trag¬ 
bahren . . . 
Das größte unter diesen Häusern ist das 
Divisionsspital, in dem die Mission des öster¬ 
reichischen Roten Kreuzes ihres menschenfreund¬ 
lichen Amtes waltet. Leiter der Mission ist der 
Primarius des Rudolphinums, Dr. Otto v. 
Frisch, dem die Regimentsärzte Dr. Ballner, 
Dr. Beranijuk, ferner die Herren Dr. v. Winni- 
warter, Dr. Hämerli, sowie 10 Schwestern vom 
Rudolphinum zur Seite stehen. 150 Betten hat 
das Spital, zu dem aber noch das alte Spital 
mit zirka 200 Betten Belegraum gehört, so 
daß Dr. v. Frisch an 350 Verwundete ständig 
unter sich hat. Als er mit seiner Mission hier 
eintraf, fand er das leere Haus vor; es war, 
wie wenn die Bulgaren ganz daran vergessen 
hätten, daß es in einem Kriege nicht nur sieg¬ 
reiche, sondern auch verwundete Soldaten gäbe. 
Gar nichts war da, rein gar nichts. Keine In¬ 
strumente, keine Administrationsräume, keine 
Küche. Es ist so bezeichnend für die Bulgaren, 
für diese Leute ohne jedes überflüssige Senti¬ 
ment. Richt einmal Krücken waren für die 
Verwundeten vorbereitet; auf notdürftig zuge¬ 
stutzten Knüppeln mußten die armen Teufel 
umherhumpeln. Man kann bei aller Sympathie 
für diese todesmutigen Sieger von Kirkkiliffe 
und Bunar Hiffar ihnen den Vorwurf nicht 
ersparen, daß ihr Wort „nemo nischto", es 
liegt nichts dran, da eigentlich nicht am Platze 
war. Gut, das Land ist arm, seine Hilfsmittel 
sind beschränkte und die Kraftanstrengungen, die 
es seit 35 Jahren machte, um sich auf den 
Krieg mit der Türkei zu rüsten, könnten bei 
uns in Österreich speziell ganz gut als Beispiel 
patriotischer Opferwilligkeit dienen — allein 
etwas mehr hätten sie doch für die Fürsorge 
für ihre Verwundeten aufbringen können. So 
kämpfte die Königin seit Jahren mit dem 
Kriegsministerium um die Einführung der kleinen 
Verbandpäckchen, wie sie die Soldaten aller 
anderen Armeen bei sich führen — alle Be¬ 
mühungen der hohen Frau blieben vergebens. 
Und doch hätte die bulgarische Armeeverwaltung 
Tausenden ihrer Verwundeten viel Schmerzen 
ersparen können. Aber so brach der arme Teufel 
auf dem Schlachtfeld zusammen und hatte oft 
nichts, mit dem er seine Wunde verbinden 
konnte. Mit schmutzigen Fehen, mit Ieitungs- 
papier mußten sie sich heffen und so kamen sie 
dann herauf in die Spitäler, wo bei vielen, 
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