Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

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Die Greuel des Krieges. 
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gebot kretischer Gendarmen vermochte nichts 
auszurichten, und so wurde früh morgens eine 
Kompagnie griechischer Truppen geschickt, die 
dort Aufstellung nahm und den Zugang zur 
Druckerei sperrte. Doch auch die Bulgaren 
waren nicht müßig und sandten eine kleine, un 
gefähr 50 Mann starke Abteilung an Ort und 
Stelle, die den Griechen gegenüber Aufstellung 
nahm und zwar so, das) Mischen ihnen ein 
freier Weg von 1 Vs Meter Breite blieb. Man 
pflanzte die Seitengewehre auf und stand sich 
wohl i Vs Stunde gegenüber. Die Geschäfte 
wurden geschlossen» die Leute schauten dem 
sonderbaren Schauspiele neugierig zu und jeder 
mann glaubte, das) es nun zu dem längst er 
warteten Zusammenstoß kommen würde. In- 
Mischen hatte man aber den Generalmajor 
Andrejew und den Kronprinzen Konstantin von 
der ernsten Wendung unterrichtet, welche die 
Angelegenheit zu nehmen drohte, und beide 
begaben sich in Kraftwagen nach dem Franken 
viertel, wo soeben weitere Abteilungen kretischer 
Gendarmen angekommen waren. Man hatte 
glücklicherweise den Einfall, die Truppen sofort 
zurückzuziehen und nur eine Gendarmerieabteilung 
vor der Druckerei zu belassen. Es verlautet, 
das) die Bulgaren im Interesse der Auhe in 
der Stadt die Zeitung „Bulgarin" nicht schützen 
werden, zumal sie nicht als maßgebendes Organ 
der Militärkreise gilt. 
Gestern wurde eine 82 Mann starke griechi 
sche Militärabteilung, die sich in Begleitung 
von 4 Offizieren nach Dolno poroje begeben 
hatte, um angeblich dort eine griechische Schule 
zu eröffnen, von den dort befindlichen bulgari 
schen Soldaten umzingelt, entwaffnet und wieder 
nach Saloniki gebracht, wo ihnen die Waffen 
wieder ausgehändigt wurden. Ein sicheres 
Zeichen, das) die Bulgaren nicht dulden werden, 
das) sich griechische Soldaten nach den Ort 
schaften ihrer Jone begeben. Man behauptet 
hier, Kronprinz Konstantin habe angeordnet, 
nun auch gegen die Bulgaren schärfer vorzu 
gehen, wo immer sich die Notwendigkeit ergeben 
werde. Der Standpunkt der Bulgaren, das) sie 
ein besonderes Anrecht auf Saloniki hätten, 
indem sie die Veranlassung gewesen wären, das) 
Hassan Tachsin Pascha eingesehen habe, die 
Stadt nicht halten zu können, wird von den 
Griechen aufs schärfste bekämpft. 
Man will die Tatsache nicht gelten lassen, 
das) die Bulgaren noch am 8. Vovember, als 
sich die Griechen schon in Eilmärschen Saloniki 
näherten, einen Kampf bei Aitwatli zu bestehen 
hatten. Die Griechen stützen sich auf ihren Er 
folg bei Ienidze Vardar, wo die Türken nach 
18stündigem Kampfe vollständig geworfen wor 
den seien und auf die Ubergabeverhandlungen, 
die sie mit Hassan Tachsin Pascha geführt haben. 
Vun sprechen verschiedene Umstände dafür, das) 
die Griechen doch von dem Hintergedanken ge 
leitet wurden, um jeden preis vor den Bul 
garen Saloniki zu besetzen. Als Beweis dafür 
werden folgende Punkte angeführt: die überaus 
günstigen Ubergabsbedingungen, die Haffan 
Tachsin Pascha herausschlagen konnte, die dann 
allerdings infolge des angeblich entdeckten An 
schlages der türkischen Offiziere nach der Über 
gabe umgestoßen wurden; der Umstand, daß, 
wie aus diesen Bedingungen hervorgeht, der 
griechische Generalstab auch im Aamen der Ver 
bündeten verhandelt hat, wozu er gar nicht be 
rechtigt war, denn ein vorheriges Einverständnis 
hierüber war nicht vorhanden; ferner ein Brief, 
den der Kronprinz Konstantin noch am 8- Ok 
tober, als er bereits wissen mußte, daß er auf 
keinen Widerstand mehr stoßen würde, dem bul 
garischen Hauptquartier nach Kilindir zugehen 
ließ, worin er darlegt, daß er noch am 8. in 
Saloniki einzurücken gedenke und deshalb den 
Bulgaren gleichsam den Rat gibt, ihre Truppen 
nicht weiter anzustrengen und sie gegebenenfalls 
für eine andere Bestimmung zu verwenden. Dieses 
Abwinken hat die Bulgaren stutzig gemacht, sie 
hatten durch ihre Kavallerie inzwischen auf 
geklärt, wie weit die Griechen am 8. früh vor 
gerückt waren und daß weder ihre Geschütze 
noch ihre Fuhrwerke den Galliko überschreiten 
konnten. Die Bulgaren haben vom ersten Tage 
angefangen den Griechen sehr deutlich zu ver 
stehen gegeben, daß sie ihren Handel nicht gut 
heißen und Hassan Tachsin Pascha war deshalb 
auf seinen Erfolg bei der Festsetzung der Uber 
gabebedingungen sehr stolz. 
Vorgestern haben nun die hier weilenden 
fremden Militärattache zusammen mit einigen 
Konsuln die Gefechtslage von Ienidze Var 
dar studiert. Welchen Zweck man damit ver 
folgt, kann man vorläufig nur vermuten. Die 
Türken waren dort kaum 12.000 bis 13.000 
Mann stark, standen aber einer sechsfachen Über 
macht der Griechen gegenüber, die sie, wie schon 
erwähnt, 18 Stunden aufgehalten haben. Der 
französische Militärattache soll sich dahin aus 
gesprochen haben, daß Haffan Tachsin Pascha, 
indem er diese Stellung räumte, von Kriegs 
kunst und Schlachtenführung nichts verstanden 
habe, oder daß er überhaupt von der Absicht 
geleitet wurde, Saloniki zu übergeben, ein Ur 
teil, das die Griechen über ihren Erfolg vor 
Zenidze nicht stolz werden lassen darf. Die 
Bulgaren weisen nun darauf hin, daß ein Ver 
zichtleisten ihrerseits auf Saloniki auch den Ver 
zicht der Griechen auf diese Stadt nach sich 
ziehen müsse. Käme es je aus irgendeinem 
Grunde dazu, daß die Griechen hier belassen 
würden, so wäre dies nur vorübergehend, denn 
dann wäre ein Krieg zwischen beiden Wider-
	        
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