Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

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Die Greuel des Krieges. 
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ist von Interesse, weil er ein Bild von dem 
Zustand der türkischen Flotte gibt. Was die 
angeblichen schweren Beschädigungen des „Ave- 
roff" anlangt, ist nie festgestellt worden, ob das 
griechische Schiff wirklich eine namhafte Havarie 
erlitten hat. Die Griechen stellten es in Ab- 
rede und tatsächlich hat der „Averoff" später 
wieder an den Operationen der Flotte teil 
genommen. Die beiden Parteien maßen sich den 
Sieg bei, doch kann wohl von einer Entschei 
dung in diesem Gefecht überhaupt nicht ge 
sprochen werden. Ein Gefecht, das auf beiden 
Seiten abgebrochen wurde, als es gefährlich zu 
werden drohte l 
Die Greuel des Krieges. 
^ Jut} nach der Einnahme von Saloniki 
[/) war über Grausamkeiten berichtet 
worden, welche die griechischen Sieger 
sich hatten in der eroberten Stadt zu- 
schulden kommen lassen. Wir haben diese ersten 
Meldungen bereits registriert, aber es ist not 
wendig — leider) — noch einmal und zwar 
eingehender auf diese Greueltaten zurückzu- 
kommen. Man hatte schon bei Ausbruch des 
Krieges die Befürchtung gehegt, daß die rohen 
Instinkte, die hier aufeinander prallen würden, 
schaudervolle Verbrechen im Gefolge haben 
könnten und diese Befürchtung hat sich nur zu 
sehr bestätigt. Diese griechischen, serbischen und 
auch die bulgarischen „Kreuzfahrer", die im 
Namen des Christentums gegen den türkischen 
Erbfeind gezogen sind — eine Blasphemie, wie 
sie unerhörter kaum gedacht werden kann — 
haben wie die wilden Tiere, ja noch ärger wie 
diese, gehaust und ihre Mordlust nicht nur am 
Feind, sondern auch an wehrlosen Weibern, 
Kindern und Greisen in grauenvoller Weise 
ausgelassen. Die schwersten Anklagen müssen 
insbesondere gegen die griechischen, serbischen 
und bulgarischen Irregulären erhoben werden, 
die es an Bestialität jenen türkischen Horden 
gleichtaten, die im Mittelalter Europa in Blut 
zu ersticken suchten. 
Zunächst hatten die wilden Exzesse in Saloniki 
begonnen. Einer Korrespondenz aus der eroberten 
Stadt, die in einem Berliner Blatt zum Ab 
druck gelangte und die im November geschrieben 
ist, entnehmen wir das Folgende: 
Die alte Stadt Theffalonike ist nun seit dem 9. 
dieses Monats von den siegreichen Truppen 
beseht. Zuerst trafen die Griechen, zwei Tage 
hierauf die Bulgaren hier ein. Die Befürch 
tungen der Bevölkerung, daß sich Mischen 
Übergabe der Stadt und ihrer Besetzung durch 
die Sieger Unruhen einstellen könnten, daß 
Leben und Gut der Einheimischen und der 
Fremden durch die Türken gefährdet sein würde, 
haben sich nicht erfüllt, deshalb war auch alle 
Welt zufrieden. 
Man schien sich bis auf weiteres mit den 
Ereignissen abfinden zu wollen, begann wieder 
den Geschäften nachzugehen und hoffte nach den 
aufregenden Tagen auf eine Zeit der Ruhe, 
der Erholung. Diese Erwartungen sind leider 
infolge der bedauerlichen Ausschreitungen von 
Soldaten der Okkupationsarmee nicht in Er 
füllung gegangen und es hat tatsächlich den 
Anschein, als sollte jetzt erst die eigentliche 
Schreckensperiode angehen. Was sich in Saloniki 
schon unter den Augen der Offiziere dieser 
Armee ereignet hat, ist um so bedenklicher, als 
doch mit dem Umstande gerechnet werden muß, 
daß sich ein König, )wei Kronprinzen, eine 
Prinzessin und mehrere Prinzen in den Mauern 
Salonikis befinden. Hätte man den festen 
Willen gehabt, die Ausschreitungen, Plünde 
rungen bei Tag und Nacht, auf offener Straße, 
in den Geschäftslokalen, in den Wohnhäusern 
hintanzuhalten, nichts wäre leichter gewesen, 
als einen militärisch organisierten Wachdienst 
einzurichten, jeden ehrvergessenen Soldaten, jedes 
Mitglied der nach Saloniki geströmten Banden 
sofort niederzuschießen, wenn man sie bei der 
Plünderung ertappte) Dafür, daß man diese 
Maßnahmen nicht eingeführt hat, gibt es keine 
wie immer geartete Entschuldigung. Die Be 
völkerung wurde in Angst und Schrecken ver 
seht, die Geschäfte mußten gesperrt werden. 
Niemand traute sich, Geld oder Geldeswert zu 
zeigen, die Leute bringen ihre Wertsachen, ihre 
Ersparnisse in Sicherheit, man sucht nach Schuh 
und findet ihn nicht. Wohl haben die griechi 
schen Behörden angekündigt, daß mehrere hundert 
Gendarmen hieher gebracht werden sollten und 
wirklich trafen gestern schon 200 kretensische 
Gendarmen hier ein. Das ist aber viel zu 
wenig, da muß auch Militär eingreifen, um die 
Bürger vor Gewalttaten und Übermut zu 
schützen. Man hat armen türkischen, entwaffneten 
Soldaten ihre paar Piaster, ihr schwer er 
gattertes Brot gestohlen, man hat sie noch dazu 
geohrfeigt, man hat hochachtbare Leute, auch 
Österreicher, auf den Straßen angehalten und 
sie nach Waffen durchsucht, wobei den Soldaten 
oft nur daran gelegen war, sich der Uhren und 
der Geldbeträge zu bemächtigen, welche die 
Leute bei sich trugen. Dagegen dürfen die
	        
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