Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

Vom maritimen Kriegsschauplatz. 
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Wind ist umgesprungen und bläst eisig kalt aus 
Aorden. Die See geht hoch. Im letzten Augen 
blick stößt ein Boot vom „Barbarossa" ab und 
bringt Wassi Bey, den Admiralstabschef, zu uns 
an Bord. Dann gehen wir, gefolgt von drei 
anderen Booten, mit 20 Meilen Geschwindig 
keit in See. Aach einer Stunde ungefähr sind 
wir auf der Höhe von Gallipoli angelangt, 
dampfen noch etwa 5 Meilen weiter, stoppen 
und machen klar ?um Schießen. 
11 Uhr. Soeben kommt drahtlos von An 
gara die Meldung, die Bulgaren hätten süd 
lich von Rodosto ein Dorf überfallen, ange 
zündet und die Bewohner getötet. Eines der 
Boote geht hin, um mit seinen Geschützen Auhe 
zu schaffen. Ob das nun der „Waffenstill 
stand" ist. 
Wir haben unterdes eine rotbemalte Panzer 
platte, die auf einem Kloß befestigt ist, ins 
Wasser gelassen, die Scheibe, und dampfen los: 
die Torpedos sind im Rohre, die Pistolen 
werden aufgesetzt. Dabei fällt mir sowohl bei 
den Offizieren, wie bei der Mannschaft der 
vollkommene Mangel an Aervosität auf. Ganz 
ruhig geht das alles, kaum, daß ein lautes 
Wort fällt. Wir sind in einer Entfernung von 
2000 Metern angelangt. „Fertig, Feuer!" 
Zischend entweicht die Preßluft, gleich einem 
Delphin saust der silberglänzende Torpedo ins 
Wasser, daß es nur so fischt und wir alle, die 
wir am Rohre stehen, pudelnaß werden. Rasch 
zieht das Geschoß vorwärts, ungefähr einen 
Meter unter der Wasserfläche; bis auf 1000 
Meter kann ich es deutlich an dem hellgrünen 
Streifen, den es im dunklen Wasser zurückläßt, 
verfolgen. Genau auf die Scheibel Aun geben 
wir Volldampf und feuern ein zweitesmal, 
während auch die Scheibe mit 15 Seemeilen 
geschleppt wird. Wieder das gleiche Resultat 
und genau so ruhig, so sicher schießen die 
anderen Boote. Wir versuchen unsere Geschütze. 
Aach 5 Minuten ist die Platte buchstäblich 
durchlöchert. 
Bald sind wir wieder in Aagara. Diese 
Aacht nun soll es wirklich losgehen. Wir be 
geben uns an Bord des Admiralschiffs. Ramis 
fordert mich auf, mich für ein paar Stunden 
hinzulegen. Er würde mich zur rechten Zeit 
wecken lassen,- unterdes schickt er zum Komman 
danten des Landforts, Rüschti Pascha; der soll 
Befehl geben, daß nicht auf unsere eigenen 
Boote geschossen wird. Um Vs2 Uhr nachts 
weckt mich Ramis selbst. Schnell, los, los! Ich 
springe in die Barkasse, hinter mir Raouf. Der 
wütet, ist außer sich. Fast 5 Stunden hat es 
gedauert, bis die Außenforts Befehl erhielten. 
Die Aacht ist klar; bis wir draußen sind, ist 
es Tag. Aber trotzdem! Vorwärts! Volldampf. 
Zum nächsten Torpedoboot. „Seid ihr fertig? 
Balkankrieg. II. 
— „Aein, Herr!" — „Warum nicht?" — Er 
schreit nicht mehr, er brüllt, daß man es eine 
Meile weit hört. Sie haben seit 2 Monaten 
ihr Kesselwasser nicht gewechselt, können gar 
nicht volle Kraft fahren. Seit 2 Monaten, 
und wir wollen jetzt hinaus, wo unser Leben 
davon abhängt, daß wir so schnell wie möglich 
sind! Außerdem hatte keines der Boote an 
ständige Kohlen. Türkische Kohlen sind hin 
reichend da, aber die kommen für einen Tor- 
pedo-Aachtangriff gar nicht in Betracht, da sie 
eine Flamme geben, die kilometerweit zu sehen 
ist. Keine Kohlen, kein Wasser! Am nächsten 
Tage ging ich in Chianakkale an Land. In 
das Grandhotel Hellespont. Warum es eigent 
lich diesen Aamen führt? Line schauderhafte, 
schmutzige Bude und Betten! Die Flotte lag 
unter mir, rührte sich nicht! 
Am 14. früh kamen drei griechische Torpedo 
boote bis auf einen Kilometer weit vor die 
Dardanellen, feuerten ein paar Schüsse ab, 
trieben sich, trotzdem sie von den Außenforts 
beschossen wurden, herum. Um 11 Uhr verließ 
endlich die „Medschidijeh" ihren Ankerplatz und 
dampfte los. Ging die Dardanellen hinaus, be 
schrieb einen Bogen und kehrte, da ja längst 
niemand mehr da war, zurück. 
Am nächsten Tage erfuhr ich in Stambul, 
am Donnerstag hätte eine große Seeschlacht 
stattgefunden. Schade! Aun bin ich eigens 
hinausgefahren, war am Donnerstag nachts an 
Bord fast aller Schiffe und habe nichts gemerkt. 
Die Seeschlacht muß ich wohl verschlafen haben. 
Sonntag wieder nichts. Tolle Gerüchte in 
Stambul, noch tollere in pera. Endlich, Montag, 
ging die Flotte hinaus. Es kam zu einem leb 
haften Feuergefechte, der „Averoff" wurde, wie 
es offiziell hieß, schwer beschädigt, die Griechen 
flohen. Am gleichen Tage sprach ich einen 
rumänischen Kapitän, der auf einige tausend 
Meter Entfernung dem Kampfe beigewohnt 
hatte. Die Türken waren mit der ganzen Flotte 
ausgefahren und hatten gegen die Griechen das 
Feuer eröffnet. Eine Stunde lang währte das 
Gefecht. Der „Averoff" war von einigen Ge 
schossen getroffen worden. War der tatsächliche 
Erfolg auch nur gering, die moralische Wirkung 
war ungeheuer. Die Flotte, die vielgeschmähte, 
untätige Flotte, konnte also wirklich etwas 
leisten? Am wichtigsten freilich war der Aus 
gang des Kampfes für die Flotte selbst. Wie 
sagte mir Ramis Bey vor einigen Tagen? 
„Ja, wenn nicht die Griechen an Bord wären!" 
Er hatte tatsächlich, obwohl ich ein wenig an 
seinen Worten zweifelte, recht behalten und heute 
bin ich fast überzeugt, daß die türkische Flotte 
nicht mehr so lange auf sich warten lassen wird. 
Soweit der Korrespondent. Er hat von dem 
Seegefecht selbst nichts gesehen, aber sein Brief 
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