Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

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Vom maritimen Kriegsschauplatz. 
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publik den „Victor Hugo" eiligst nach Galli- 
poli beorderte. Vach Feststellung des wahren 
Sachverhaltes kehrte das Panzerschiff nach Kon 
stantinopel zurück. Vach herzlichem Abschiede 
von dem liebenswürdigen Pascha und Stabsarzt 
trat ich die herrliche Fahrt nach Lampsakos an, 
von wo ich auf Abbas Paschas Vat zu Pferde 
nach den Dardanellen reiten sollte. Damit ich 
das beste verfügbare Pferd erhielte, und über 
haupt meiner Vationalität entsprechend ausge 
nommen würde, gab er mir einen Oberleutnant 
als Begleiter mit, der nicht eher zurückkehren 
durfte, als bis für meine Weiterreise gesorgt sei. 
Lampsakos enttäuscht den, der annimmt,Aphro 
dite habe ihren Sohn in einer großen, sauberen 
Stadt zur Welt gebracht. Mich persönlich be 
rührte noch bitter, daß trotz den Bemühungen 
meines Oberleutnants und sogar der Hodschas 
des Ortes niemand aufzutreiben war, der bei der 
schlechten Beschaffenheit der anatolischen Wege sein 
Pferd bis in die tiefe Vacht hinein bei annehm 
barer Forderung hergegeben hätte. Ich wurde 
deshalb der Obhut des Gebildetsten im Orte, 
eines armenischen Arztes, anvertraut, der mir 
das beste Zimmer und die einzige Bettstelle in 
einem üblen Chan verschafft hat, damit ich 
hier übernachtete. 
Trotz des Waffenstillstandes bemühen sich 
die Bulgaren, die Zickzacklinie ihrer Stellungen 
zu glätten, um in London eine gerade Grenze 
beantragen zu können. So griff bulgarische 
Artillerie vor einer Woche bei Scharköj die 
zwei dort postierten türkischen Bataillone heftig 
an. Etwa fünfzig reguläre bulgarische Kavalle 
risten waren es, die lediglich als Organisatoren 
und Führer einer größeren Abteilung griechischer 
Komitatschis dienten, die ja mindestens 90 Pro 
zent der hiesigen Landbevölkerung ausmachen. 
Während ein lebhaftes Gefecht im Gange war, 
sahen sich die Türken plötzlich von oben be 
schossen: die Bewohner von Scharköj griffen 
in den Kampf ein, so daß die Türken den Ort 
nicht länger halten konnten. Wollten sie irgend 
wo den Franktireurs zu Leibe rücken, so hatten 
sich diese bereits in friedliche Bauern zurück 
verwandelt. Die Folge war ein Vorgehen mit 
berechtigter Energie, dem über 1006 einheimische 
Griechen zum Opfer fielen. Vicht ein wehrloses 
Wesen wurde angetastet, und der Strafvollzug 
erstreckte sich ausschließlich auf Griechen, nicht 
auf andere Christen oder Juden. Um seine 
Leute nun vor weiteren Verlusten zu bewahren, 
hat der Kommandant durch eine Postenkette 
vor der Stadt dafür gesorgt, daß keine einzelnen 
Militärpersonen sich in das Gebiet der Frank 
tireurs hinausbegeben. 
Scharköj ist noch immer in Feindeshänden. 
' Vor dem Orte liegen 2 türkische Torpedoboote, 
zu deren Unterstützung beim Bombardement ver 
mutlich der „Sultan Hissar" zugezogen wird, 
der heute um 11 Uhr unter Volldampf abging, 
nachdem er in den Dardanellen und in Galli- 
poli Kohlen und Munition ergänzt hatte. 
Das Seegefecht vor den Dardanellen am 
16. Dezember. 
Der Zustand des türkischen, ständig bei 
Chanak liegenden Geschwaders war im großen 
und ganzen günstig. Das Schiffsmaterial war 
gut instand gehalten; die Besatzungen waren 
recht gut ausgebildet und hatten Vertrauen zu 
ihrem Schiffsmaterial, insbesondere ließen die 
Gefechtsvorbereitungen nichts zu wünschen übrig. 
Das Personal machte im allgemeinen einen vor 
teilhaften Eindruck. Indessen mangelte es dem 
Geschwaderchef und seinem Stabe an Energie 
und Kampflust. Im Einklang hiermit steht ein 
Zeitungsbericht von Mitte Dezember, laut welchem 
der Geschwaderchef Tahir Bey sich dem Drängen 
der Seeoffiziere, das griechische Geschwader an 
zugreifen, ständig widersetzte, schließlich aber das 
Kommando niederlegte und,, sein Flaggschiff ver 
ließ. Der bisherige Führer des oppositionellen 
Seeoffizierkorps, Kapitän zur See Vamsi Bey, 
ein rühriger Mann von über 60 Jahren, wurde 
dadurch stellvertretender Geschwaderchef. 
Die griechischen Seestreitkräfte der Darda 
nellenblockade forderten durch Funkspruch in letzter 
Zeit täglich das türkische Geschwader zum Kampfe 
heraus. Griechische Zerstörer gingen schließlich 
so weit, daß sie am 14. Dezember das Fort 
Sedil Bahr beschossen. Am 16. Dezember, 
einem sonnigen, milden Tage mit schwachem 
nördlichem Winde, verließ das türkische Ge 
schwader um 7 Uhr 5 Minuten vormittags Cha 
nak, um sich außerhalb der Dardanellen zum 
Kampf zu stellen. Der von diesem Auslaufen 
sofort unterrichtete Gegner eilte ihm entgegen. 
Das nun folgende Gefecht spielt sich laut einem 
in der „Marine-Vundschau" veröffentlichten Be 
richte des griechischen Geschwaderchefs, Kontre- 
admirals Konduriotis, und des Befehlshabers 
der griechischen Zerstörer folgendermaßen ab: 
Das griechische Geschwader, an dem Tage 
bestehend aus „Averoff", „Hydra", „psara" 
und „Spetsai", sowie 9 Zerstörern, kreuzte zwi 
schen Jmbros und der Halbinsel Gallipoli, als 
um S Uhr 2O Minuten das türkische, aus den 
Dardanellen auslaufende Geschwader in Sicht 
kam. 
Die türkischen Seestreitkräfte bestanden aus 
„HaireddinBarbaroffa", „TorgutVeis", „Meffu- 
dijeh", „Affar-i-Tewfik", sowie S Zerstörern und 
liefen zunächst Westkurs. Die griechischen Schiffe 
machten sofort klar zum Gefecht und liefen auf 
Kap Helles zu, dem Feinde entgegen, dessen in 
Kiellinie formierte 4 Schlachtschiffe schließlich
	        
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