Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

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Vom maritimen Kriegsschauplatz. 
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stellen, den die Aachricht von der Befreiung des Metsovon, dessen christliche Häuser vorher von 
kleinen Dorfes Metsovon hier hervorgerufen hat. den Türken eingeäschert worden waren, ist viel- 
Die Hiffung der griechischen Flagge auf dem leicht bis jetzt die schönste Seite des epirischen 
einzigen ärmlichen öffentlichen Gebäude von Feldzuges. 
Vom maritimen Kriegsschauplatz. 
en „Hamburger Aachrichten" wurde 
unterm 15. Dezember aus Lampsakos 
geschrieben: 
Die widersprechendsten Gerüchte über 
Christenmassakers in der Umgegend von Gallipoli 
veranlaßten mich zum sofortigen Aufbruche nach 
der alten Griechenstadt. „Sofort" ist allerdings 
in Anführungsstrichen zu schreiben, da die Ab 
fahrt des Schiffes nach orientalischer Gewohn 
heit fast eine Moche lang Tag für Tag ver 
zögert wurde. Als wir endlich am Freitag bei 
Tagesgrauen abdampften, legte ich mich zufrieden 
in meine Koje. Ich erwachte von dem Geräusche 
des fallenden Ankers bei Kawak am Schwarzen 
Meere. Me ich jetzt erfuhr, muß zur Isolierung 
der Cholera jedes Schiff nach der Ausfahrt aus 
Konstantinopel die Quarantäne von Anadoli 
Kawak passieren. Diese Prozedur besteht darin, 
daß alle Fahrgäste 2. Klasse und Schiffs 
bemannung in großen Barken an Land geholt 
und dort untersucht werden. Ihre Kleidung wird 
währenddessen im Dampfsterilisator desinfiziert, 
den sie recht zusammengeschrumpft und zerknittert 
verläßt. Die Fahrgäste 1. Klaffe sind ohne 
weiteres gesund. Aach nochmaligem Aufenthalte 
in Beikos, wo Matrosen zur Begleichung der 
Quarantäne an Land gehen müssen, passieren 
wir nachmittags 3 Uhr endlich unseren Aus 
gangsort Stambul bei der Durchfahrt nach dem 
Marmarameer. 
In dessen tiefblauen Fluten liegen, wie vom 
Himmel heruntergefallene Felsblöcke, die Prinzen 
inseln, nur auf kleinasiatischer.Seite von Schnee 
gipfeln des Olymp überragt. Ich vermisse vor 
San Stephano den „Haireddin Barbarossa" 
— das ehemalige deutsche Panzerschiff Kurfürst 
Friedrich Mlhelm — den ich sonst den linken 
Flügel der Tschataldschaarmee decken sah. Auch 
bei Kütschük-Tschekmetsche liegt kein Kriegsschiff 
mehr — sie sind alle nach den Dardanellen 
abgedampft. 
Aach zwölfstündiger Fahrt lasse ich mich in 
Gallipoli ausbooten. Schon am Anlegeplatz 
empfindet man es, daß hier das Militärregime 
eingeführt ist: Aach der üblichen Visitation von 
paß und Teskere durch den Polizeibeamten wird 
man nochmals von der Feldgendarmerie gehörig 
.ins Gebet genommen, welche dunklen Pfade 
man hier zu wandeln gedenke. Auch dies Proto 
koll geht vorüber. Ich durchstreife binnen kurzem 
die unverfälscht alttürkischen Straßen des Städt 
chens. Mir fällt auf, daß die Briefpost von 
Soldaten ausgetragen wird. Die Bevölkerung 
macht einen durchaus ruhigen, etwas verschüch 
terten Eindruck. Der Zivilist grüßt den Offizier 
schon von fern und spricht sein sonores: Selam 
Aleikum! An den Ausgängen der Stadt stehen 
Posten, die jede einzelne Militärperson vom 
Betreten der Umgebung abzuhalten haben. 
Ich marschiere hinaus aus der Stadt: Die 
Felder sind größtenteils verlassen und vom Vieh 
zertreten. Der Boden ist fett und tief, wie überall 
in Thrazien. Auffallend viele kleine Brunnen 
voll klaren Masters sind vorhanden. Die Straßen 
sind durch den Sonnenschein der letzten Tage 
genügend getrocknet, um schnelle Transporte zu 
gestatten. 
Die Gehöfte sind frisch zerstört. Ich betrete 
einen Hof, nicht im Einverständnis mit den 
wilden Hunden, die gerade einem Stierkadaver 
die letzten Eingeweide entreißen. Knochenreste 
von Rindern, Schafen und Kamelen liegen aller 
orten, übersät mit Dachziegeln und rußgeschwärztem 
Mauerschutte. In trauriger Untätigkeit stehen die 
zerstörten Göpel und die Gruppen kleiner Mühlen 
auf den Feldern. Die Leinwandsegel ihrer Flügel 
sind gerefft. 
Gegen 8 Uhr treffe ich die einstigen Be 
wohner des Meichbildes von Gallipoli, die in 
die Stadt geflüchtet sind und ihre Tiere nur 
zur Meide hinaustreiben. Mie alle Landbewohner 
hier, strotzen die Leute von Gesundheit. Sie 
reiten irgendeinen Vierfüßler und treiben große 
Herden wohlgenährter Rinder, Schafe und Esel 
vor sich her und ziehen am Halfterbande ein 
Kamel, dem ein Dutzend seiner Gattung folgt. 
Die Karawane bedarf nur eines Führers, weil 
jedes Tier an das voranschreitende angekoppelt 
ist. Man sieht hier Riesenexemplare, wie sie 
Aordafrika nicht kennt. Sie müssen den Land 
bewohnern die Arbeit der für die Armee requi 
rierten Pferde mitleisten. 
Ich besuche die interimistischen Mohnungen 
der Flüchtlinge, der Muhadschirs: Teils schlafen 
sie in ihren geräumigen Planwagen unter einem 
Berge selbstgewebter Teppiche, teils haben sie 
Zelte auf freien Plätzen aufgeschlagen, teils sind 
sie in dem großen Saale der Moschee unter
	        
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