Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

Der Fortgang des griechischen Feldzuges. 
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der Friedensverhandlungen mißmutig begrüßt 
hat. Die türkischen Vertreter hatten vorgegeben, 
sie erwarteten Instruktionen von ihrer Negierung 
über die Frage, ob sie auch mit Griechenland 
über den Frieden verhandeln können, ehe dieses 
nicht den Waffenstillstand unterschreibt. In Wahr 
heit aber scheint es, als ob die Türken Zeit 
gewinnen wollen, einerseits um sich besser zu 
rüsten, falls die Feindseligkeiten wieder auf 
genommen werden, und anderseits um durch 
eine eventuelle griechische Niederlage auch diplo 
matisch eine bessere Stellung einnehmen zu können. 
Nur in dieser Weise läßt sich der mißglückte 
Versuch der türkischen Flotte, sich mit der griechi 
schen zu treffen, erklären. 
Am 16. Dezember meldeten die am Ein 
gang der Dardanellenstraße den Späherdienst 
verrichtenden griechischen Schiffe dem übrigen, 
bei Tenedos liegenden Geschwader durch draht 
lose Telegraphie, daß die türkische Flotte aus 
der Meerenge herausfahre. Es entspann sich 
zwischen den beiden feindlichen Parteien ein 
kurzer, aber hitziger Kampf, der ungefähr eine 
Stunde dauerte. Die türkischen Schiffe manöv 
rierten und zwar nur unter dem Schutze der 
Forts des Festlandes, so daß eigentlich das 
Treffen keine richtige Seeschlacht, sondern eine 
Offensive der sozusagen weiter ins Meer hinein 
gerückten Forts war. Trotzdem aber konnten sie 
den griechischen Geschützen nicht stand halten, 
und so mußten sie nach einer Stunde wieder 
in ihren sichern Zufluchtsort zurückkehren, und 
zwar wie nach und nach bekannt wird, arg be 
schädigt, vor allem das Admiralsschiff „tzaireddin". 
Die griechische Flotte Hat, abgesehen von der 
leichten Verwundung einiger Mann der Be 
satzung, keinen Schaden erlitten. 
Die politische Bedeutung des Zusammen 
treffens der beiden Flotten ist nicht zu unter 
schätzen. Nach der Weigerung Griechenlands, 
dem Waffenstillstand beizutreten, wartete man 
hier in Athen bestimmt auf die Ausfahrt der 
türkischen Flotte aus der Dardanellenstraße, als 
eine letzte verzweifelte Hoffnung der Türkei, 
die Waffenehre zu retten. In der kurzen Spanne 
Zeit, jener einen Stunde, während welcher die 
beiden feindlichen Geschwader ihre Geschosse 
wechselten, war das ganze Gelingen des Balkan 
krieges aufs Spiel, auf eine einzige Karte ge 
setzt. Denn ein unbestrittener türkischer Seesieg 
hätte der Türkei das Meer freigemacht. 
In Epirus wird der Feldzug der unter Ge 
neral Sapundzakis stehenden Truppen fortgesetzt. 
Das Endziel ist die Einnahme von Janina, 
und die um sie stattfindenden Kämpfe sind 
äußerst blutig und fordern täglich Opfer. Die 
Stadt Janina soll von deutschen Offizieren 
außerordentlich stark befestigt sein. Trotzdem ist 
die griechische Armee schon ziemlich weit vorge 
drungen und die Eroberung einiger äußerer Forts 
und befestigten Anhöhen, von wo sie die Wälle 
beschießen können, gibt dem unter unsäglichen 
Strapazen und grimmiger Kälte leidenden Heere 
täglich neuen Mut. In Janina sind schon lange 
die Lebensmittel knapp; außerdem hat die 
meistens aus Christen bestehende Bevölkerung 
stark unter dem Fanatismus der sich ihrer end- 
giltigen Niederlage bewußten Mohammedaner 
zu leiden. 
Der größte Teil des Nuhmes und des Er 
folges der in Epirus operierenden Westarmee 
des griechischen Heeres gehört den Cvzonen. 
Es sind dies eine Art leichte Infanterie, 
in die malerische Tracht ihrer einheimischen 
Fustanella gekleidet, meist aus den gebirgigen 
Provinzen Nordgriechenlands rekrutierte Sol 
daten, wo die Bewohner seit der Befreiung 
Griechenlands nie ihren kriegerischen Charakter 
abgetan haben. Viele feste Punkte sind von 
den Cvzonen mit dem Bajonett eingenommen 
worden; ihr Mut und ihre Todesverachtung 
flößt überall den Türken solch eine Panik ein, 
so daß sie meist bei ihrem Anblick die Flucht 
ergreifen und oft dabei ihre Kanonen und alles 
andere im Stiche lassen. 
Auf diese Art wurden bis jetzt die beiden 
vor Janina liegenden Festungen Vesta und 
Aetorachi eingenommen. Der Kampf dreht sich 
jetzt augenblicklich um das Fort Bizani, das 
fast uneinnehmbar sein soll. Wenn auch dieses 
in die Hände der Griechen fällt, ist die Straße 
nach Janina offen. 
Die Befreiung des Epirus vom türkischen 
Joche wird von den Griechen mehr wie alles 
andere als eine heilige Pflicht betrachtet. Ab 
gesehen davon, daß in der fast nur aus Christen 
bestehenden Bevölkerung die Türken und Alba 
nesen am schlimmsten gehaust haben, sind es 
von jeher Epiroten gewesen, die dem freien 
Vaterlande stets die größten Spenden und 
Opfer gebracht haben. Die meisten der Athener 
öffentlichen Prachtbauten: die Akademie, die 
Universität, das Polytechnikum, die Kadetten 
schule und schließlich das ganz aus weißem pen- 
telischen Marmor bestehende panathenische Sta 
dion sind auf Kosten von reichen Epiroten er 
richtet worden, die auf diese großmütige Weise 
ihre Anhänglichkeit an das Mutterland bezeugt 
haben. In keiner anderen Stadt vielleicht gibt 
es so viele von privaten errichtete und dem 
Staate geschenkte schönen Gebäude, wie in 
Athen. 
Wenn man dabei noch des größten griechi 
schen Panzerschiffes „Averoff" gedenkt, das aus 
dem Nachlaß des aus Metsovon in Epirus 
stammenden großen Patrioten Georg Averoff 
gebaut und der griechischen Flotte geschenkt wurde, 
kann man sich vielleicht den Enthusiasmus vor-
	        
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