Volltext: Illustrierte Geschichte des Balkankrieges 1912 - 13 Zweiter Band (Zweiter Band / 1914)

Der Fortgang des griechischen FeldMges. 
Operationen auf dem westlichen 
Kriegsschauplatz dauerten inzwischen 
fort, denn zwischen der Türkei und 
* Griechenland herrschte uneingeschränkt 
der Kriegszustand, über die Vorgänge auf diesen 
Kriegsschauplätzen veröffentlichte die „Reue 
Zürcher Zeitung" anfangs Dezember einen von 
griechischer Seite stammenden interessanten Be 
richt, dem wir folgendes entnehmen: 
Um Zanina und in ganz Epirus fahren die 
Griechen mit den Operationen fort, ebenso in 
Südwest-Mazedonien und auf den beiden Inseln 
Chios und Mytilene, wo sich die Türken auf 
den Bergen im Innern verschanzt haben. Mit 
größter Spannung sehen die Großen und die 
Kleinen den Ergebnissen der Waffenstillstands- 
verhandlungen entgegen. Wie würde wohl der 
Orakelspruch der Pythia heute lauten? Würde 
sie, wenn, wie sehr zu befürchten steht, das 
Resultat der Verhandlungen ein totgebornes 
Kind sein wird und der Kampf von neuem und 
erbitterter entbrannt, die griechische Überlieferung 
über den Zankapfel Konstantinopel bestätigen, 
die lautet: ein Konstantin hat die Stadt erbaut, 
ein Konstantin hat sie verloren und ein Kon 
stantin wird sie wieder nehmen? Wie die Dinge 
auf beiden Seiten liegen, hält es schwer, an 
eine Verständigung zu glauben. Geschieht das 
Wunder nicht in den nächsten 14 Tagen, so 
haben die Kanonen wieder das Wort. Der 
Hauptgrund, warum Griechenland dem Waffen 
stillstandsvertrag nicht beitreten konnte, war die 
Forderung der Türkei, daß die Blockade des 
Rgäischen Meeres durch die griechische Flotte 
aufgehoben werde. Aber auch politische Gründe 
sprachen dagegen. Die griechische Presse läßt 
sich darüber folgendermaßen aus: 
Griechenland sehnt sich auch nach Beendi 
gung des Krieges, es ist nicht von unersättlicher 
Ländergier erfüllt und noch weniger will es mit 
seinen Verbündeten und den Großmächten in 
Zwist geraten. Wenn es den Waffenstillstands 
vertrag nicht angenommen hat, so folgte es nicht 
nur den eigenen Interessen, sondern auch denen 
der Verbündeten und behielt den Hauptzweck 
des Bündnisvertrages im Rüge. Dieser aber 
will die Befreiung des europäischen Bodens 
vom türkischen Joche. Er ist also noch nicht 
erfüllt, kann aber durch eine kurze Fortsetzung 
des Kampfes erfüllt werden, wenn nicht jetzt 
schon ein angemessener Friede ohne Abschluß 
eines Waffenstillstandes erzielt werden kann. Die 
uns vorschwebende Idee war und ist, daß mit 
der Türkei ein für allemal abgerechnet werden 
sollte, im Interesse der Ehristen im Orient, im 
Interesse der Zukunft der Balkanstaaten und 
endlich im Interesse von Europa selbst, damit 
es vor weiteren Sorgen und Belästigungen be 
wahrt werde. Bleibt die Türkei in Europa, wie 
es ihr der vorzeitige Waffenstillstand erlauben 
würde, dann wird die Umbildung nicht vollzogen 
und die orientalische Frage wird nur zur Hälfte 
gelöst; sie wird auch fernerhin den europäischen 
Frieden in Gefahr erhalten. Europa wollte nicht, 
oder hatte nicht die Kraft, die orientalische Frage 
zu lösen. Warum sollen wir es nicht, da wir, 
vereint, die Macht dazu haben? Es wäre Tor 
heit, die Gelegenheit, die sich nicht jeden Tag 
bietet, entschlüpfen zu lassen und die endgiltige 
Lösung nicht durchzusehen, vor oder in Kon 
stantinopel. Griechenland soll nicht mißverstanden 
werden, wenn es nicht auf halbem Wege stehen 
bleiben, sondern den uns aufgedrungenen Krieg 
nun auch zu Ende führen möchte, gerade eben, 
um nicht einen faulen Frieden, sondern einen 
dauerhaften zu erreichen, der allein imstande ist, 
den Balkanvölkern die Segnungen ungestörter 
Kulturarbeit zu bringen. 
Für die Bulgaren war freilich die Notlage 
ausschlaggebend. Die Erschöpfung und mangel 
hafte Verpflegung bei enorm schwierigen Ver 
kehrsverhältnissen, wozu sich noch die Sorge 
wegen der Cholera gesellte, zwang die Heeres 
leitung zum Waffenstillstand. Um so unbegreif 
licher erscheint es, daß das Anerbieten der griechi 
schen Regierung, ein griechisches Korps auf dem 
Seeweg nach Dedeagatsch zu senden, abgelehnt 
worden war. Roch unbegreiflicher aber ist es, 
daß die aus nahezu 36.000 Mann bestehende 
7. bulgarische Division 18 Tage lang untätig 
in und um Saloniki verblieb, bis sie^ teils mit 
der Bahn, teils auf griechischen Transport 
dampfern, nach dem östlichen Kriegsschauplatz 
befördert wurde. Wäre diese Truppenmacht, 
eventuell verstärkt durch eine griechische Division, 
vor Tschataldscha eingetroffen, bevor die dortigen 
Operationen auf dem toten Punkt angelangt 
waren, so wäre es dem bulgarischen Heer mit 
>2*
	        
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