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III. Kapitel.
III. Kapitel.
Die ersten Jahre der Republik.
1. Siegreicher Vormarsch der Gewerkschaften.
Der Umsturz der politischen Verhältnisse in Österreich wälzte
auch das Verhältnis der Gewerkschaften zu Staat und Wirtschaft
um. Vor dem Kriege waren sie nur geduldet, der Staat erkannte
ihre Verträge nicht als rechtskräftig an, die Unternehmer beugten
sich nur zähneknirschend, aus Angst um ihren Profit, den Verein¬
barungen über Lohn und Arbeit, um sie bei der ersten Gelegenheit
zu zerbrechen. Weder Staat noch Unternehmer duldeten, daß die
Gewerkschaften in Wirtschaftsfragen mitentschieden. Die politische
Vorherrschaft der Arbeiterklasse in der jungen Republik, die Macht
der Sozialdemokratie hob auch die Gewerkschaften zur Gleich¬
berechtigung, vielfach zur Führung bei den Wirtschaftsentschei¬
dungen im Staate und zur Mitbestimmung in den Betrieben empor.
Die Arbeit trat dem Kapital als gleichberechtigter Partner gegen¬
über, der Staat erkannte beide Fronten des wirtschaftlichen Klassen¬
kampfes an.
Im Oktober 1918, als die provisorische Nationalversammlung
unter dem Drucke der Sozialdemokratie der Aufrichtung der Repu¬
blik Deutschösterreich zustimmte, als sie an Stelle der kaiserlichen
Regierung einen Staatsrat und an Stelle der kaiserlichen Mini¬
sterien Staatsämter unter führendem Einfluß der Sozialdemokratie
schuf, wurde als Vertreter der Gewerkschaftskommission Franz
Domes in den Staatsrat delegiert und Ferdinand Hanusch, der
Vorsitzende der Gewerkschaftskommission, übernahm das Staats¬
amt für soziale Fürsorge,
Im Trubel der Umsturzwochen, als die Heimkehrer nach vier¬
jähriger Kriegsmarter und Peinigung durch die Habsburgeroffiziere,
als die Arbeiter der Betriebe nach jahrelanger Entrechtung und
Erniedrigung durch die militärischen Leiter die politische Revolution
gegen Habsburg zur Diktatur des Proletariats weitertreiben woll¬
ten, blieben die Gewerkschaften, fern allen Illusionen, treu ihrer