Volltext: Im Weltkrieg und in der Nachkriegszeit (II. Band / 1929)

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VII. Kapitel. 
die nun zu der latenten österreichischen Strukturkrise hinzukam, 
zur Wirtschaftskatastrophe werden. 1930 fügt die Fort¬ 
dauer der Heimwehrtreibereien und insbesondere das vier¬ 
zigtägige Regime Vaugoin-Starhemberg der österreichischen Wirt¬ 
schaft weiteren Schaden zu. Ein fortdauernder Rückgang der Spar¬ 
einlagen ist die Folge. Im Frühjahr 1931 eröffnet Österreich mit dem 
Zusammenbruch der Credit-Anstalt die Serie der großen in¬ 
ternationalen Bankenzusammenbrüche. Ein Großteil der öster¬ 
reichischen Betriebe ist von Stillegung bedroht. Der Staat muß ein- 
springen. Aber die Geld- und Kreditverhältnisse entwickeln sich 
immer ungünstiger. Die Lage der Notenbank hat sich im Herbst 
1931 derart verschlechtert, daß man sich im Oktober zur Einführung 
der Devisenbewirtschaftung entschließen muß. Dadurch 
wird der Export weiter gedrosselt. Der Winter 1931/32 wird zum 
ärgsten Krisenwinter, den die österreichische Wirtschaft bisher er¬ 
lebt hat. 
Die Krise trifft mit besonderer Heftigkeit die Schwerindustrie. 
Die Erzeugung von Roheisen geht von 1929 bis 1931 von 462.240 
auf 110.327 Tonnen zurück. Die von Stahl und Eisen von 631.933 auf 
250.657 Tonnen, die von Fertigwaren an Eisen und Stahl von 456.361 
auf 198.612 Tonnen. Im Dezember 1931 beträgt der Stand der offenen 
Bestellungen in der Eisenindustrie nur mehr 15 Prozent der Nor¬ 
malbeschäftigung. Die vom österreichischen Institut für Konjunktur¬ 
forschung berechneten Indexziffern des allgemeinen Geschäfts¬ 
ganges sind von 1127 im Durchschnitt des Jahres 1929 auf 85*3 im 
Jahre 1931 gesunken, der Produktionsindex von 114*3 auf 87*8. Der 
österreichische Export ist, wenn der Durchschnitt der Jahre 1923 bis 
1930 mit 100 angenommen wird, im Jänner 1932 auf 51*1, also auf 
die Hälfte gesunken! 
Die Rückwirkung auf die österreichische Arbeiterschaft ist kata¬ 
strophal. Von 1929 bis 1930 allein büßt die österreichische Eisen- 
und Metallindustrie mehr als 20.000 unfallversicherte Arbeiter ein, 
die Textilindustrie mehr als 10.000, Bergbau- und Hüttenindustrie 
mehr als 6000. Der Gesamtstand der unfallversicherten Arbeiter 
sinkt um 52.000. Schon bei der Betriebszählung vom 14. Juni 1930 
ergibt sich, daß sogar an diesem ungünstigen Stichtag im Sommer 
7*1 Prozent der Angestellten und 15*9 Prozent der Arbeiter ar¬ 
beitslos sind. 12 Prozent der von der Arbeiterkammerstatistik 
erfaßten Betriebe sind stillgelegt. Im August 1931 beträgt der Ar¬ 
beiterstand in den gewerblichen Betrieben Österreichs nur mehr 
69*3 Prozent des Durchschnittsstandes von 1929.
	        
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