Volltext: Aufgaben und Probleme der sozialen Fürsorge und der Volksgesundheitspflege bei Kriegsende

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stemm für Volksgesundheit und soziale Fürsorge“ das Sanitäts 
und das Fürsorgewesen vereint. Gerade aber bei Ausübung staat 
lichen Einflusses auf das Fürsorgewesen wird mit vorsichtiger 
Zurückhaltung vorgegangen werden müssen. Nichts ist weniger 
geeignet für Bureaukratisierung Und Schematisierung als Für 
sorgetätigkeit, und gerade bei uns erscheint jetzt, da alles erst 
im Werden begriffen ist, sorgsame Schonung des Bestehenden, 
Schaffung möglichst freier Entwicklungsmöglichkeit für die be 
stehenden Ansätze nützlicher als allzu straffe Zentralisierung. 
Es sei auch darauf hingewiesen, dlaßi, was es vor dem 
Kriege an Zentralstellen sowohl bei uns als in Deutsch 
land gab, fast ausnahmslos keine Amts'stelle war, und in 
Deutschland sind während des Krieges weitere solche Zentral 
stellen entstanden, zum Beispiel der „Hauptausschuß der Kriegs 
witwen- Und -waisenfürsorge“, der unter Mitarbeit hoher Beamter 
und in steter Fühlung mit den zentralen Amtsstellen arbeitet, 
aber dabei durchaus den Charakter einer durch frei 
willigen Zusammenschluß entstandenen Vereini 
gung trägt. Weder dieser „Hauptausschuß“ noch andere zum 
Teile durch amtliche Anregung entstandene Zentralstellen regle 
mentieren oder ordnen an, sie sind ausschließlich an 
regende, beratende Und begutachtende Stellen. 
Bei Uns aber macht sich in neuester Zeit allzusehr das 
Bestreben geltend — zürn Teil auf Kosten und mit Unterdrückung 
privater Vereinigungen — der Fürsorgetätigkeit einen amtlichen 
Stempel aufzudrücken Und sie z[u reglementieren, obwohl 1 es 
gewiß fraglich erscheint, ob gerade Unsere Bureaukratie über so 
besondere organisatorische Fähigkeiten verfügt. Wir wollen hoffen, 
daß der Organisator des neuen Ministeriums (Baernreither), der 
jahrelang an der Spitze großer privater Zentral Vereinigungen: 
sozialer Fürsorge stand, hier den richtigen Mittelweg finden wird*. 
* 
Wenn ich einleitend darauf hingewiesen und die Gründe 
dargelegt habe, warum wir seit Kriegsbeginn nichts 1 mehr von 
Sozialpolitik hören, so ist damit noch nicht erklärt, warum 
die „Soziale Fürsorge“ nun in aller Munde. 
Zum Teil erklärt sich dies rein psychologisch. Weite 
Schichten der Besitzenden, denen es sonst ganz selbstverständ 
lich schien, daß es eine große Maslse Armer gebe, die es ;als ! ganz 
selbstverständlich ansahen, daß diese Masse durch ihre Arbeit 
die Gesellschaft, durch ihre Steuerleistung den Staat erhält, Und 
die aus diesen Tatsachen niemals' Pflichten für sich abgeleitet 
haben, sie werden sich dieser Pflichten bewußt, da sie sehen, 
daß dieselbe Masse nun Leben und Gesundheit der Verteidigung 
des Vaterlandes opfert. So beteiligen sich heute Männer und 
Frauen an der sozialen Fürsorge, die sonst nie Verständnis 1 für 
diese Dinge gezeigt oder gar betätigt haben. 
Dazu aber kommen noch rein praktische Erwägungen: Woher 
sollen künftig Industrie Und Landwirtschaft Arbeiter, woher soll 
der Staat Steuerzahler Und Soldaten nehmen, woher sollen nach 
dem Kriege die Menschen kommen, die der Staat braucht, Um
	        
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