Volltext: Aufgaben und Probleme der sozialen Fürsorge und der Volksgesundheitspflege bei Kriegsende

IX. 
Die Bekämpfung des Alkoholismus. 
Schwerer noch als die Feststellung, wie der Krieg , auf die 
Verbreitung der Tuberkulose und der Geschlechtskrankheiten ge 
wirkt hat, ist die Feststellung, wie der Krieg auf den Alkoholismus 
einwirkt. Während wir bei den erstgenannten Volksseüchen zwei 
fellos eine* sehr bedeutende Vermehrung feststellen konnten, nur 
ein genaues zahlenmäßiges Erfassen dieser Vermehrung unmöglich 
erschien, ist es heute kaum möglich, etwas darüber auszusagen, ob 
als Kriegsfolge eine Vermehrung oder Verminderung des Alkoho 
lismus Zurückbleiben wird. 
Zwar trägt die vorschriftsmäßige Verabfolgung bestimmter 
Mengen alkoholischer Getränke an die im Felde stehende Mann-, 
schaft — insbesondere da eine Ablösung in Geld nicht gestattet 
ist — zweifellos dazu bei, das Alkoholbedürfnis zu erhöhen, und 
bestünde die Gefahr, daß dieses erhöhte Bedürfnis auch in Frie 
denszeiten übernommen wird. Aber es dürfte wohl ganz unmöglich 
gewesen sein, der Mannschaft diese vorgeschriebene Menge auch 
wirklich täglich zukommen zu lassen, und davon, ob regelmäßig 
die bestimmte Menge genossen wurde, hängt ja vor allem das 
Eintreten einer Gewohnheit und das erhöhte Bedürfnis ab. 
Man hat bei uns auch, wenigstens zeitweise von Staats wegen 
dafür gesorgt, daß die Munitionsarbeiter Bier erhalten, obwohl bei 
diesen doch gewiss jene psychologischen Momente, die vielleicht 
die Verabreichung von Alkohol an die Soldaten an der Front 
rechtfertigen, nicht geltend gemacht werden können und die ein 
wandfrei festgestellte Wirkung des Alkohols auf die Arbeitsleistung 
gegen jede Förderung des Alkoholkonsums hätte sprechen sollen. 
Man vergleiche hiezu das über England Berichtete. 
Was die Zivilbevölkerung des Hinterlandes anbelangt, so 
kann man vielleicht hoffen, daß die durch den Mangel an alkoholi 
schen Getränken erzwungene Entwöhnung tatsächlich zu einer 
Verringerung des Alkoholismus, wenigstens für längere Zeit, 
führen wird. 
Leider ist dieser durch die Verhältnisse erzwungenen Mäßi 
gung seitens der Behörden nur recht wenig nachgeholfen worden. 
Man ist bei uns nicht mit jenen energischen Mitteln gegen den 
Alkoholgebrauch und Mißbrauch vorgegangen wie in anderen 
Ländern. Aber immerhin hat man in einzelnen Gebieten gewisse 
Beschränkungen geschaffen. 
In R ußland waren scharfe Bestimmungen gegen den 
Alkoholismus in der Armee kurz vor Kriegsausbruch (22. Mai 
1914) erlassen worden. Zugleich mit dem Mobilisierungsbefehl 
wurde ein Verbot des Verkaufes aller alkoholischen Getränke er 
lassen, nur für Restaurants und Gasthöfe ersten Ranges wurden 
Ausnahmen gemacht, ln der Armeezone soll dieses Verbot auch
	        
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