Volltext: Aufgaben und Probleme der sozialen Fürsorge und der Volksgesundheitspflege bei Kriegsende

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der Stadt,, ebensowenig darüber, ob die Ehemänner besonders 
häufig erkranken, ob der Prozentsatz der Ehemänner unter den 
Erkrankten ein größerer ist. als unter den Armeeangehörigen über 
haupt, auch nicht, ob . er ein größerer ist als unter einzelnen 
Schichten der Bevölkerung in Friedenszeiten. Mag es> sich aber 
damit ‘ wie immer verhaltendie t a t s ä c,h 11 c h e n F es.l- 
Stellungen allein, daß der II ä u p t lr erd der 
Infektionen im Hinterland, daß unte r d e ir 
Infi z.i er t. e n s i c h viele vom Lande stammend e 
und viele verheiratete Leute befinden 
müssen für die bei der Demobilisierung und 
nach dem Krieg e" zu .ergreifenden Maßregeln 
von ausschlaggebender B e s d e u t u n g sein. 
* 
Wir haben bisher nur von der Verbreitung der Geschlechts 
krankheiten unter dem Militär gesprochen. Aber auch unter der 
Zivilbevölkerung hat der Krieg auch in Bezug auf die 
Verbreitung der Geschlechtskrankheiten bereits w e i t gehend e 
W irkung ausgeübt und wird sie in noch weiterem Maße aus 
üben. Zunächst sei hier auf die bereits von mehreren Autoren als 
häufig festgestelLte Ansteckung von Ehefrauen, Geliebten durch die 
vom Felde oder der Etappe auf Urlaub heimkehrenden Männer 
hin gewiesen. 
Ferner ist es. ja selbstverständlich, daß das Zusammen 
strömen von Dirnen in den sonst kleinen und stillen Orten des 
Etappenraumes, und jenen Orten des Hinterlandes, die nun plötz 
lich eine große Garnison bekommen haben, nicht nur zur Durch 
seuchung des Militärs, sondern auch der dort lebenden noch nicht 
oder nicht mehr militärdiensttauglichen männlichen und dann 
auch der weiblichen Bevölkerung wesentlich beitragen muß. 
Dann seien erwähnt die Verheerungen, die in dieser wie in 
jeder Dichtung der Krieg in den von ihm unmittelbar b e- 
t r offenen Gebieten angerichtet hat. Da wird aus Belgien 
(„Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung der 
Geschlechtskrankheiten“, 1915) berichtet: „Das Elend in den 
unteren Klassen ist sehr groß . . ., kein Wunder, daß die Pro 
stitution eine grauenhafte Höhe erreicht hat. Neben den vielen 
früheren Kokotten . . ., die große Zahl der „Femmes entretenues“ . . . 
und dazu die ungeheure Schar der Mädchen ohne Beschäftigung- 
öder mit Hungerlöhnen, die sich aus purer Not selbst an die ver 
haßten Deutschen verkaufen.“ Aus dem Osten wird berichtet: 
„Es prostituiert sich hier, um es kurz zu sagen, fast alles, von der 
Bettlerin bis hoch hinauf.“ Der Stadtmagisrat von Czernowitz hat 
eine Enquete über die sittliche Verwahrlosung der Jugend ver 
anstaltet; in einem Bericht darüber heißt es: „Die Verwil 
derung der Sitten, die unsicheren und unsteten Verhältnisse, die 
Auflösung der Familienbande schufen einen Boden, auf dem Not, 
Verrohung und die leichte Möglichkeit, .sehr viel Geld zu ver 
dienen, eine beispiellose Prostitution erzeugten. Nicht etwa bloß 
Untreue gegen den Gatten, der im Felde steht, sondern Prostitution 
in der gemeinsten Form, Verkauf des eigenen Körpers und des der 
Kinder Alle Gesellschaftsschichten sind da vertreten —■ auch 
darin ist der Krieg ein Gleichmacher: er hat seine Opfer in allen
	        
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