Volltext: Aufgaben und Probleme der sozialen Fürsorge und der Volksgesundheitspflege bei Kriegsende

VIII. 
Die Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten. 
Auch bei der Besprechung der „Bekämpfung der Geschlechts 
krankheiten“ will ich nicht das ganze Thema aufrollen; ich will 
auch diesen Gegenstand nur insoweit besprechen, als es sich um 
Behebung von Kriegsfolgen, um Beseitigung von aus diesen 
entspringenden Gefahren handelt oder um an solche Maßnahmen 
sich unmittelbar anschließende. 
Von jeher haben Kriege viel zur "Verbreitung der Geschlechts 
krankheiten beigetragen. Der Zug Karl VIII. von Frankreich gegen 
König Ferdinand von Neapel hat das erste Mal die Syphilis in 
Europa verbreitet (1495), das endemische Auftreten der Syphilis 
in der Bukowina und den Karpathengegenden Ostgaliziens schloß 
sich an die Rückkehr der österreichischen Regimenter aus Bosnien 
1879 an. 
Eine Reihe noch anderer Beispiele über die Verbreitung der 
Syphilis durch den Krieg führt Finger in seinen Aufsätzen an, 
Beispiele, die uns ein eindringliches „Caveant consules!“ zurufen. 
Ebensowenig wie über die tuberkulösen Soldaten ist über die 
geschleehtskranken Soldateh im gegenwärtigen Augenblick eine 
genaue, Statistik möglich; gewiß ist, daß in den Militärspitälern 
eine ganz gewaltige Zahl Geschlechtskranker untergebrach't ist, 
daß diese Tausende von Geschlechtskranken, deren Heilung nun 
Sache der Behörden ist, die Bedeutung der Geschlechtskrankheiten 
für die Volksgesundheit nun auch jenen vor Augen führen, die 
den hier bestehenden Notstand in Friedenszeiten — sei es aus 
welchen Gründen immer — nicht sahen oder nicht sehen wollten. 
Fest steht auch nach den Berichten unserer obersten Militär 
behörden, daß der Zuwachs der Geschlechtskranken im Verhältnis 
zur Kopfstärke mehr als doppelt so groß ist als in Friedenszeiten; 
und wenn auch in Friedenszeiten die Erkrankungshäufigkeit 
unter der Mannschaft weit unter der in der Zivilbevölkerung 
zurückbleibt, so können wir bei der großen Anzahl der höheren 
Altersjahrgängen angehörenden und der großen Zahl der aus länd 
lichen Gegenden stammenden Soldaten wohl annehmen, daß die 
Zahl der jetzt im ITeere Erkrankten bei weitem die Zahl jener 
überragt, die auch in Friedenszeiten an Geschlechtskrankheiten 
gelitten hätten. 
Es sei hier betont, daß die Verbreitung der Geschlechts 
krankheiten in Friedenszeiten in unserer Armee eine sehr viel 
größere ist als in der deutschen; 1909 betrug der Zugang an Ge 
schlechtskrankheiten im österreichisch-ungarischen Fleere 54*7 0 oo 
der Kopfstärke, im deutschen Heere hingegen 1912/13-21*2 °/ u0 . 
Und ebenso erscheint auch jetzt bei unserem Heere die Be 
kämpfung der Geschlechtskrankheiten nicht so rasch und nicht 
von so gründlichem Erfolg gewesen zu sein.
	        
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