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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15.
Phot. A.
»s, Berlin.
Eine von deutschen Soldaten Ln Vailly erbaute Straße, die den deutschen Namen »Hüttendorfstraße^ erhielt.
Bergkette beherrscht die Ausmündung des Tales, in die
östlich beginnende Champagneebene. Die strategische Be
deutung des Städtchens erhöht sich noch durch den Fluß-
übergang über die Aisne. Obwohl die Franzosen diesen
Platz durch außerordentlich starke Feldbefestigungen zu
sichern suchten, schoben sich die deutschen Schützengräben
volle sechs Wochen hindurch hartnäckig immer näher an die
feindlichen Stellungen heran. Endlich, am 29. Oktober
nachmittags, wurde der Befehl ausgegeben, am nächsten
Morgen, früh acht Uhr, die gegnerische Stellung im Sturm
zu nehmen. Diese Aufgabe wurde vom Leibregiment,
den Regimentern Nr. 24 und 48 und einem Halbbataillon
der Zwölfer, wie schon Bd. I S. 460 geschildert, glänzend
gelöst.
Es ist selbstverständlich, daß das tapfer verteidigte
Städtchen unter dem deutschen Granatfeuer leiden mußte,
aber die aus ihren Stellungen vertriebene französische Ar
tillerie hat ihm hinterher, wie unsere Bilder zeigen, erst
recht die empfindlichsten Schädigungen zugefügt. Berichtet
doch ein Mitkämpfer, offenbar ein Feldarzt, in einem im
„Tag" veröffentlichten Briefe, daß Vailly zu einem Trüm
merhaufen gemacht wurde und an allen Ecken und Enden
brannte.
„Am 31. Oktober, also nach dem Sturm," so schrieb er,
„hatten wir den ganzen Tag über Ruhe. Um elf Uhr abends
waren die Eingeborenen weggebracht, und um zwölf Uhr
wurden wir von einem so entsetzlichen Eranatfeuer über
schüttet, wie keiner von uns im ganzen Feldzug es nur
annähernd erlebt hatte. Ich sage euch, es war schauer
lich. Unsere Villa, deren eine Dachhälfte schon vom Granat-
feuer heruntergerissen war, als wir einzogen, wurde drei
mal getroffen. In mein Schlafzimmer sauste ein Granat
splitter durch eine Tür und zertrümmerte neben meinem
Bett einen kostbaren venezianischen Spiegel; eine Schrap
nellkugel ging dann noch durch das Fenster. Kinder, so
flink bin ich noch nie aus dem Bett gekommen. Als ein
Radfahrer meldete, Regiment Nr. 24 glaube sich nicht
halten zu können (was sich später als Falschmeldung her
ausstellte), ließen mein Stabsarzt und ich unsere Pferde
satteln, den Sanitätswagen anspannen und machten uns
bereit. Das Regiment. Nr. 12 rückte um zwei Uhr nachts
zur Hilfe herbei, konnte jedoch gleich wieder abziehen, da
unser Regiment keinen Zollbreit zurückgegangen war. Um
zweieinhalb Uhr hörte die Beschießung auf, und zehn
Minuten später konnte ich mein müdes Haupt wieder zur
Ruhe niederlegen."
General der Infanterie v. Falkenhayn,
Chef des Generalstabs der deutschen Armee.
Von Generalleutnant z. D. Baron v. Ardenne.
(Hierzu das Bild Seite 61.)
v. Falkenhayn trat am 17. April 1880 als Leutnant in
das oldenburgische Infanterieregiment Nr. 91 ein. 1887 bis
1890 wurde er zum Besuch der Kriegsakademie und dann
zur Dienstleistung beim Großen Generalstab kommandiert.
1893 kam er als Hauptmann wiederum in den Großen
Generalstab und darauf in den Eeneralstab des 9. Armee
korps in Altona. Nachdem er ein Jahr lang Kompaniechef
im Infanterieregiment Nr. 21 in Thorn gewesen war, ging
er 1896 als Militärinstrukteur nach China und blieb bis 1899
im chinesischen Dienst. Von dort wurde er zum Gouverne
ment in Kiautschou kommandiert und trat im nächsten Jahr
wieder in den Großen Generalstab und von diesem in den
Generalstab des 14. Armeekorps über. Bei Ausbruch der
chinesischen Wirren führte er den ersten Truppentransport
nach China und wurde später dem Eeneralstab der ost-
asiatischen Besatzungsbrigade in Tientsin zugeteilt. 1904
wurde er Bataillonskommandeur in Braunschweig, 1906 Ab
teilungschef im Großen Eeneralstab, bald darauf Chef des
Generalstabs des 16. Armeekorps. Im Januar 1911 wurde
er zum Kommandeur des 4. Garderegiments zu Fuß, ein
Jahr später zum Chef des Eeneralstabs des 4. Armeekorps
in Magdeburg ernannt.
Von dieser Stellung aus (die er nur wenig über ein
Jahr innegehabt hat) wurde der junge Generalmajor im
Juni 1913 zum preußischen Kriegsminister an Stelle des
zurückgetretenen Generals v. Heeringen ernannt, wobei er
gleichzeitig das Patent eines Generalleutnants erhielt.
Ihm lag in dieser Stellung vor allem die schwierige Arbeit
der schnellen Durchführung der großen Heeresvorlage ob,
die eine große Organisationskraft erforderte. Bei Ausbruch
des Krieges ergab es sich von selbst, daß der Kriegsminister
an den Arbeiten des Generalstabs den tätigsten Anteil nahm,
und als Eeneralstabschef v. Moltke (s. Bd. I S. 398) aus
Gesundheitsrücksichten die Leitung abgeben mußte, über
nahm der Kriegsminister zunächst dessen Stellvertretung,
für die ihn seine frühere Eeneralstabstätigkeit besonders ge
eignet erscheinen ließ, bis am 9. Dezember 1914 die end
gültige Ernennung erfolgte.
v. Falkenhayn war somit die größte Zeit seiner mili
tärischen Laufbahn im Eeneralstabe beschäftigt; doch fehlte