Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Zweiter Band. (Zweiter Band)

Phot. Kühlcwindt, Hofphotograph, Königsberg i. Pr, 
Ein Schützengraben bei DarLehmen nach der Schlacht. 
Jllustrierie Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
werden — um so schlechter wurden die Nachschublinien 
trotz aller Mühen der Eenietruppe. Schon langten die 
Etappenzüge mit größerer Verspätung an. Vielleicht wäre 
es damals noch möglich gewesen, die Truppen sich eingraben 
zu lassen, bis neue Etappenstationen für Lebensrnittel und 
Munition errichtet werden konnten; darüber werden spätere 
Generalstabswerke Aufschluß geben. Für uns, die wir diese 
Spanne Zeit fast in der Eefechtsfront mitmachten, ist ein 
Urteil unmöglich. Wir wissen nur so viel, daß es bereits 
an Brot und Munition zu mangeln anfing und die Truppen 
trotzdem mit beispiellosem Mut noch immer vorgingen. 
Unglücklicherweise regnete es dazu fast ununterbrochen. 
Ob in diesem Augenblick tatsächlich die Serben, wie 
man sagt, frische Hilfe aus Rußland bekamen, weiß ich nicht. 
Sicher aber ist, daß sie mit weit überlegenen Kräften das 
16. Korps, das bisher fast immer die schwierigsten und 
verlustreichsten Aufgaben zu lösen hatte, in einer für 
ihre eigenen Leute rücksichtslosen Weise angriffen. Unsere 
unsere Truppen sonst bei den Rückzugsgefechten Verluste 
erlitten, ist natürlich und begreiflich; aber nichts kennzeichnet 
besser die llbertriebenheit der Gerüchte, als eben die Tat 
sache, daß das Ende des Trains jenes Korps, das am heftig 
sten angegriffen war, auf der am meisten gefährdeten Rück 
zugstraße in größter. Ordnung zurückgeführt werden konnte. 
Weshalb der Rückzug dann so weit fortgesetzt wurde, 
sagt die amtliche Mitteilung ganz offenherzig. Es wäre 
nicht ratsam gewesen, die Truppen in ungeeigneten Stel 
lungen zur Entscheidung zu führen. Wer Serbien kennt, 
muß dies billigen. Auf dem ganzen Wege steigt das Ge 
lände im allgemeinen stufenförmig an, so daß, wie beim 
Vormarsch, auch jetzt beim Rückzug der Gegner stets die 
überhöhte Stellung einnehmen konnte. Zurzeit sind unsere 
Truppen ausgezeichnet untergebracht, bekommen doppelte 
Kriegsportionen und sind jeden Augenblick bereit, von 
neuem und diesmal wohl endgültig in Serbien einzurücken. 
* -i- 
Truppen hielten aus, bis der Befehl zum Rückzug kam. 
Ob die Armeeleitung keine Verstärkung schicken konnte mit 
Rücksicht auf die Kriegslage in Galizien, oder ob sie die 
eigenen angegriffenen Truppenteile für zu sehr erschöpft 
hielt, ist mir nicht bekannt. Genug, es kam der Befehl zum 
Rückzug, und bei diesem sollen wir — so behaupteten die 
Serben in ihren Berichten an das Ausland — fürchterliche 
Verluste erlitten haben. Nun, ich habe diesen Rückzug 
mitgemacht, und zwar gerade von der gefährdetsten Stelle 
aus. Zufälligerweise war nämlich unser Feldspital auf 
jener Straße, wo der serbische Angriff einsetzte, fast bis 
an die Gefechtsfront vorgeschoben. Auch dieses weite Vor 
stoßen der größeren Sanitätsanstalten hatte seinen Grund 
in den elenden Wegverhältnissen, durch die unsere Ver 
wundeten auf dem Transport fürchterlich leiden mußten. 
Mein Spitalzug bildete damals das Ende der Kolonne. 
Trotzdem ging der Rückzug, bei dem wir nach serbischer 
Behauptung den ganzen Train verloren haben sollen, 
vollständig unbelästigt für uns vonstatten! Auf dem ganzen 
Wege kam uns kein serbisches Schrapnell in die Nähe. Daß 
Auf dem nordöstlichen Kriegschauplatz war unsere Oberste 
Heeresleitung unermüdlich tätig gewesen, um durch Truppen 
verschiebungen und Neuaufstellungen die großen Schläge 
vorzubereiten, die schon Anfang November folgten. Drei 
russische Kavalleriedivisionen, die die Wartha oberhalb Kolo 
überschritten hatten, wurden hier geschlagen und über den 
Fluß zurückgeworfen (vgl. Bd.I S.436). Ebenso wurde kurz 
darauf ein Angriff starker russischer Kräfte nördlich des 
Wysztyter Sees unter schweren Verlusten für den Feind 
zurückgewiesen. Man ersah daraus, daß die Russen, nach 
dem sie bisher zumeist mehr südlich, im Raume Suwalki— 
Augustow, angegriffen hatten, diesmal weiter im Norden 
vorgestoßen waren. Der Wysztyter See liegt etwa 45 Kilo 
meter nördlich von Suwalki. Offenbar beabsichtigten die 
Russen, auf der Linie Gumbinnen—Insterburg ein 
zubrechen, was ihnen aber nicht gelang. Ihre Verluste 
betrugen 4000 Gefangene und 10 Maschinengewehre. Das 
war ein beträchtlicher Erfolg der Deutschen, dessen Haupt 
bedeutung darin liegt, daß das schon so sehr heimgesuchte 
Ostpreußen dadurch vor einem neuen Einfall bewahrt
	        
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