Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Zweiter Band. (Zweiter Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
Photothek, Berlin. 
rüttelnde Postzug von Lernberg aus in Friedenszeiten — 
zu 30 Kilometer in der Stunde — in etwa fünf Stunden 
erreicht. Es liegt hoch, und in seiner Nähe entspringen 
die Quellen des Dnjestr. Knapp an seinen Mauern 
„rauscht" der Stryjflutz vorbei. Die Stadt hat eine hübsche 
Kirche und ein durch seine Erziehungsanstalt in der polni 
schen Gesellschaft bekanntes Nonnenkloster. Im übrigen 
bietet sie wenig, und der Fremde, der dort vorüberfährt, 
um etwa den interessanten Bahnbau über den Uszoker Patz 
zu studieren oder sich an den landschaftlichen Schönheiten 
der Polonina Rowna, des höchsten Gipfels dieses Teiles der 
waldreichen Karpathen, zu erfreuen, würdigt den Ort kaum 
eines Blickes. 
In diesem Weltkrieg hat aber auch dieses vergessene 
Städtchen eine Rolle gespielt, denn hier fanden Ende 
Oktober und Anfang November erbitterte Kämpfe zwischen 
österreichisch-ungarischen und russischen Truppen statt. 
Es war bald nach der Riesenschlacht südlich von Lemberg, 
als die sonst so friedlichen Bewohner der kleinen Bergstadt 
plötzlich den Feind, die Russen, ankommen sahen. Teile 
ihrer Armee suchten — mehr aus politischen als aus mili 
tärischen Gründen — nach dem 20. September die Kar 
pathenpässe zu überschreiten, und einige Kosakenabteilungen 
den Karpathen von den tapferen österreichisch-ungarischen 
Truppen gezogen worden war. Schon am 30. Oktober 
gelang es diesen, mehrere wichtige Höhenstellungen nord 
östlich von Turka zu besetzen. Die Schlacht war ungemein 
erbittert, weil — wie die Russen in ihren amtlichen Mit 
teilungen selbst schreiben — „die Soldaten der österreichisch- 
ungarischen Armee mit Entschlossenheit und Todesverachtung 
und einer entscheidenden Energie" kämpften. Am 1. No 
vember konnte der amtliche Draht verkünden: „Die mehr 
tägige erbitterte Schlacht im Raume nordöstlich von Turka 
und südlich von Stary-Sambor führte zu einem vollstän 
digen Sieg unserer Waffen. Der hier vorgebrochene Feind, 
zwei Infanteriedivisionen und eine Schützenbrigade, wurde 
aus allen seinen Stellungen geworfen." 
Ein nächtlicher Überfall. 
Es war in den ersten Tagen des Oktober. Die Schlachten 
bei St. Quentin hatten die Reihen der braven Ter be 
deutend gelichtet. Manch guter Kamerad war auf dem 
Felde der Ehre geblieben, und das Regiment sehnte sich, 
am Feinde Vergeltung zu üben. Vorerst aber waren 
unsere Leute zur völligen Untätigkeit verdammt. Seit 
Landsturm Lrn Osten mit Bagagewagen und SaniLätshund. 
rückten auch über Turka südlich vor, um durch den Uszoker 
Paß in das Ungvarer Komitat einzufallen. Ihr Versuch 
endete kläglich. Obwohl die südlichen Abhänge der Kar 
pathen damals von österreichisch-ungarischen Soldaten ver 
hältnismäßig nur sehr schwach besetzt waren, wurden die 
Russen doch bald über das Gebirge zurückgedrängt, und ihr 
Rückzug artete stellenweise in wilde Flucht aus. Was von 
den tapferen Honveds nicht gefangen genommen oder 
getötet worden war, das zog sich östlich von Turka zusam 
men, um sich mit anderen nördlich stehenden russischen 
Kräften wieder zu vereinigen. 
Als dann die Österreicher und Ungarn Ende Oktober 
in jenen Gegenden wieder zum Angriff übergingen, be 
reiteten sie den Russen in der Umgebung von Turka eine 
furchtbare Niederlage. 
Hatte die große Welt am 9. Oktober durch die amtliche 
Meldung, daß „der vom Uszoker Paß geworfene Feind 
über Turka weitergedrängt wird", zum ersten Male den 
Namen dieses galizischen Städtchens gehört, so vernahm 
sie zwanzig Tage später, daß „die Versuche der Russen, 
gegen den Raum von Turka vorzudringen, erfolgreich ab 
gewiesen" worden waren. Aber die Russen kamen wieder, 
und hald entwickelte sich eine mehrtägige Schlacht in der 
Umgebung dieses Ortes. Die russische Heeressäule stürmte 
gegen den festgefügten Wall, der vom San bis zu 
achtzehn Stunden lagen sie im Schützengraben, wurden be 
strichen von der feindlichen Artillerie, konnten aber selbst 
nicht kämpfen. Die deutschen Flieger jedoch hatten fest 
gestellt, daß die feindliche Infanterie kaum einen Kilometer 
entfernt in den Schützengräben lag, vor der unsrigen. Es 
war hell in den Nächten, weil der Vollmond am Himmel 
stand. Endlich aber überzog sich an einem warmen Abend 
der Himmel. Unsere Artillerie hatte am Tage die feind 
lichen Batterien zum großen Teil zum Schweigen gebracht. 
Ein Nachtangriff stand in Aussicht, dem wir zuvorkommen 
mußten, und mit Ungeduld erwarteten die Mannschaften 
ihre Befehle. Um halb zwei Uhr sollte das erste Bataillon 
marschbereit sein, um die Franzosen im Schlafe in ihrer 
Stellung zu überraschen. Das war unseren Tapferen ein 
willkommener Auftrag. Sie standen zur Minute in Reih und 
Glied. Die erste Kolonne faßte sich an der Hand und bildete 
eine lange Kette, das Gewehr wurde um den Hals gehängt. 
Am linken Arm waren die Leute mit einer weißen Binde 
kenntlich gemacht, voraus gingen die Patrouillen. Lautlos, 
ohne Tritt, gingen die Mannschaften vor, dicht Fühlung 
nehmend. Dann war der große Augenblick da! Bajonettangriff 
wurde befohlen, die Patrouillen hatten die feindlichen Wachen 
bereits unschädlich gemacht. Eilig und lautlos sprangen die 
Deutschen in die Schützengräben, wo der Feind völlig über 
rascht und vonunserem einzigen Bataillon überwältigt wurde.
	        
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