Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Zweiter Band. (Zweiter Band)

Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914)15. 
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sind ineinander ein 
geschwärmt. Erst ge 
gen elf Uhr nachts 
finden sich die ein 
zelnen Bataillone 
und Kompanien wie 
der zusammen. Doch 
ehe die Nacht der 
aufgehenden Sonne 
noch ganz gewichen 
war, begann das 
feindliche Jnfanterie- 
und Artilleriefeuer 
schon von neuem. 
Zwischen Regi 
ment Kaiser Friedrich 
Nr. 125 und Grena- 
dierregim ent Königin 
Olga Nr. 119 hat sich 
in der Schützenlinie 
eine größere Lücke 
gebild et. Unsere Kom 
panie soll sie aus 
füllen. Das Granat- 
feuer wächst von Mi 
nute zu Minute. Die französische Artillerie ist wieder vor 
züglich eingeschossen in dem ihr bekannten Gelände. Trotz 
dem dringen wir immer weiter vor. Siegen oder sterben ist 
unser fester Entschluß. Wir sind schon auf den Höhen west 
lich von Sommaisne angelangt. Die feindliche Infanterie 
wird von uns mit Feuer überschüttet. Cie wankt, geht zurück. 
Doch die Artillerie rächt sich an uns. Wir werden alle 
paar Minuten rings in dichte schwarze Rauchwolken gehüllt. 
Mittag mich schon längst vorüber sein. Man hat jeden 
Zeitbegriff verloren bei diesem fürchterlichen Todeskampf mit 
den feindlichen Artilleriegeschossen, gegen die wir Infante 
risten machtlos sind. 
Wieder machen wir einen Sprung vorwärts. Ein 
Hügel links von uns sieht sich an wie ein feuerspeiender 
Vulkan beim heftigsten Ausbruch. Er ist eine einzige 
Rauchsäule, in der jede Sekunde acht Feuerstrahlen auf 
blitzen. Darüber schweben weiße Schrapnellwölkchen, die 
ihre Füllkugeln von sich stoßen. Das war das feurige 
Heldengrab von Leutnant Boieg und den Tapferen seines 
Zuges. 
Endlich läßt das Feuer etwas nach, so daß wir sofort 
unbekümmert weiter vorstoßen. Es glückt! Neben- und 
übereinander liegen französische Tote in jeder Mulde. Die 
Lebenden sind nur noch am Horizont als eiligst verschwin 
dende Schwärme zu sehen, auf die unser Verfolgungsfeuer 
wegen zu großer Entfernung ohne wesentliche Wirkung zu 
sein scheint. Jetzt sind 
wir an der tief ein 
geschnittenen Bahn 
linie, an der Station 
La Vaur Maria an 
gelangt. Immer wei 
ter geht es vor. Die 
Schützenlinie verteilt 
sich auf einen zu gro 
ßen Raum. Die Zwi 
schenräume werden 
größer und größer. 
Schon klaffen Lücken. 
So kamen wir bis 
Höhe 302, von der 
wir einen herrlichen 
Aberblick hatten und 
von wo aus wir uns 
zu unterrichten hoff 
ten. Doch — dort 
drüben — ganz hin 
ten am Waldsaum — 
unsere Herzen klopf 
ten zum Zerspringen 
— das waren dichte 
französische Infanterie- und Artilleriekolonnen! Sie gingen 
jedoch nicht zurück — das wird also einen Gegenangriff 
geben! Wenn diese zusammengeschweißte Masse auf unser 
zersplittertes Häufchen stieße! Nur eine Rettung gab es 
noch: sich eiligst zurückziehen, unsere Verbände ordnen, 
eine Verteidigungstellung suchen und den Gegner in der 
bald hereinbrechenden Dunkelheit gegen diese Stellung 
anlaufen lassen, um ihn durch große Verluste aufzurei 
ben. Schon waren wir bemerkt worden. Schon heulten 
die Granaten um uns und hüllten die Höhe 302 in 
dichte Rauchwolken. Vier Mann eilten mit der überaus 
wichtigen Meldung davon. Hoffentlich kam wenigstens 
einer von ihnen glücklich und rechtzeitig durch den Granat- 
hagel! Wir anderen krochen zurück, liefen gebückt an der 
Bahnlinie entlang und trafen am Stationsgebäude von 
La Vaur Maria Major Junker (später in Nordbelgien ge 
fallen), der auf unsere Meldung hin die Lage sofort 
richtig beurteilte und eben sein Bataillon konzentrisch gegen 
die Höhen dicht südöstlich Sommaisne sammeln wollte, 
als wir ein Unheil verkündendes grelles Pfeifen hörten. 
Nach Bruchteilen einer Sekunde erfolgte ein donnerähn 
liches Krachen. Steinquader, Dachziegel, Erdklumpen, 
Eisenspäne sausten über uns weg, während wir alle platt 
wie die Flundern uns an den Boden schmiegten. Ersticken 
der schwarzer Rauch benahm uns fast den Atem. War 
das unser aller Tod? 
Internationaler Jllustrationsverlag, Berlin. 
Wolfsgruben und Drahtverhaue, die unsere Truppen bei ihrem Vordringen auf dem 
westlichen Kriegschauplatz zu überwinden hatten. 
'4 
Foto: Vereenigde Fotobureaux, Amsterdam. 
Das von Drahtverhauen umgebene Fort Nr. 7 von der zweiten Fortlinie vor Antwerpen, wie die Belgier es hinterlassen haben.
	        
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