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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/18.
leiten. Doch die ganze verzweifelte Anstrengung hat einzig
zu dem „Erfolg" geführt, daß die Landungsarmee in über
aus gefährlicher Lage auf winzigem Raum aushält, von
dem sie sich selbst auf die rettenden Schiffe nur unter Ver
lusten zurückziehen könnte, die vielleicht völliger Aufreibung
gleichkämen. In jedem Augenblick mäht der Tod in ihren
Reihen und schlägt nach ihr, wohin sie sich auch immer
wenden mag; für sie gibt es
kein Vorwärts und kein Zurück.
Den Herzstotz führte England
nicht gegen die Türkei, sondern
in den eigenen Leib. Es be
grub sein Ansehen als unüber
windliche Seemacht bei diesem
verzweifelten Anrennen gegen
die Dardanellen. Es wollte
seine überlegene Macht in
hehrstem Glanze zeigen und
. wies doch nur seine schmähliche
Blötze.
Aller Wagemut der von
gewissenlosen Diplomaten in
das grausige Abenteuer ge
hetzten feindlichen Generale
und Admirale brach an dem
todesverachtenden Heldenmut
der türkischen Soldaten, die sich
ihrer deutschen Führerund der
Kampfgemeinschaft mit ihren
deutschen Kameraden in un
endlich schweren Wochen voll
auf wert erwiesen. Auch vor
den Dardanellen werden die
anscheinend so unentwirrbar
angelegten diplomatischen Netze
unserer Gegner von moralisch
überlegenen, der Heimat und ihrem Schutze bis zum letzten
ergebenen Vaterlandsverteidigern bis zur Vernichtung zer
hauen und zerrissen.
Der wuchtige Märzangriff der verbündeten Seestreit
kräfte auf die Dardanellen, der ihnen so schwere Opfer
kostete und doch nicht den leisesten Erfolg brachte, lietz uns
aufatmen, weil der so glänzend ergebnisreiche Widerstand
der Türken unser Vertrauen auf die Stärke der Darda
nellenbefestigungen hob.
Der zweite, noch wütendere Maisturm der verbündeten
Flotten und der verbündeten Armeen gegen Gallipoli und
die Dardanellen erwies zu unser aller größter Genugtuung
nun auch die unerschütterliche Standhaftigkeit und Festig
keit der türkischen Landstreitkräste selbst gegenüber der toll
wütigsten Anwendung der schrecklichsten und mörderischsten
neuzeitlichen Eefechtsmittel. Die heilige Fahne des Pro
pheten (siehe Bild Seite 481),
die der Großscherif unter in
brünstiger Begeisterung der
Mohammedaner aus Mekka
abholte, weht dem türkischen
Soldaten voran. Sie spornt
ihn im Verein mit dem Ver
trauen zu seinen Führern zur
Aufbietung aller körperlichen
und geistigen Kräfte an, der mit
der Fahne des Propheten ver
knüpfte heilige Schauer des
Gedenkens an die heldenmü
tigen, alles zerschmetternden
Kriegstaten seiner Vorfahren
belebt aufs neue in ihm die
eingeschlummerte Lust am
Wagen und Kämpfen und reißt
ihn zu einer draufgängerischen
und doch zielbewußten Kühn
heit hin.
Die unermüdliche, tapfere
Ausdauer, die den türkischen
Dardanellenkämpfer auszeich
net, bewies der türkische Soldat
auch an der kaukasischen
Grenze. Am Kaukasus (siehe
die Karte Seite 302) ist es bisher
nicht wieder zu Gefechten von
besonders erheblichem Umfang gekommen, weil der Kampf
an den Dardanellen naturgemäß den größten Teil der
türkischen Armee fesseln muß und also für ein langwieriges
Vorgehen in dem schwierigen Eebirgsgelände nicht die
nötigen Massen zur Verfügung stehen. Dennoch ist die Ver
teidigung der Türken am Kaukasus kraftvoll und belebt
von heftigen Angriffen auf die russische Front, die wiederholt
zu erfreulichen Erfolgen führten.
Am 14. April kam es in der Gegend von Milo, in der
Oberst v. Seeckt (X). moi '® rop ' S8erlilt *
Chef des Generalstabes der Armee Mackensen, der anläßlich des siegreichen
Vorgehens am San mit dem Orden Pour le Merite ausgezeichnet wurde.
Phot. R. Seynccke, Berlin^
Blick auf einen Teil der russischen Stellungen am San, die von deutschen Truppen gemeinsam mit österreichisch-ungarischen Verbänden
durchbrochen wurden.