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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15.
Die Franzosenherrschaft sollte aber nicht lange dauern.
Als die Deutschen die Wahrnehmung gemacht hatten, daß
es sich die Franzosen in Logelbach, Türkheim, Jngers-
heim usw. gemütlich machten und von einem Gefecht nichts
wissen wollten, ging eine Abteilung bayrischer Landwehr
bis Logelbach und Jngersheim vor, um den Feind heraus
zulocken; es kam dort auch zu einem größeren Gefecht, bei
dem auf beiden Seiten große Verluste waren, ohne daß
etwas erreicht wurde; die Franzosen ließen sich trotz des
Zurückgehens unserer Truppen nicht bewegen, zu folgen.
Durch dieses feige Verhalten der französischen Führung
war der deutsche Plan vereitelt. Es wurde nun beschlossen,
dem, Herrenleben der Franzosen ein Ende zu machen.
Am 22. August wurde von Colmar aus ein kräftiges
Schrapnellfeuer eröffnet und die Franzosen aus Jngers
heim und Logelbach herausgetrieben. Daß hierbei einige
Gebäude in Mitleidenschaft gezogen wurden, war un
vermeidlich; dabei ist auch die große Nudelfabrik Scheurer
in Logelbach, worin sich die Franzosen gütlich getan hatten,
zerstört worden. Der Zweck war aber erreicht: wie wild
fliehende Karawanen kamen Teile der französischen Truppen
durch Türkheim
und ließen ihre Ab
sätze sehen.
Hiermit endete
der Franzosenbe
such in Türkheim,
viele enttäuschte
Gesichter und die
anfangs um
schwärmte Triko
lore zurücklassend.
Mit der
Artillerie im
Gefecht.
Aus einem Feldpost
brief.
(Hierzu die Farbdruck-
beilage „Auffahrende
Batterie im feindlichen
Feuer".)
Aber Stock und
über Stein, über
Hügel, Löcher,
Gruben und Zäune
geht es sowohl bei
der Artillerie wie
bei der Munitionskolonne, wenn sie lossausen. Das ist
manchmal mehr geflogen als gefahren, halb schwebend, halb
kippend, halb auf dem Kopf stehend; aber schließlich kommt
wie durch ein Wunder wieder alles in das rechte Gleis.
Der rastlose Drang nach vorn bewahrt einen vor dem Um
fallen, und fliegt man zuweilen mit einem tüchtigen Hopser
in die Luft, so zieht einen das eigene Schwergewicht von
selber wieder herunter. „Immer nur vorwärts", ist der
einzige Gedanke. Das kommt wahrscheinlich von dem guten
Beispiel der Granaten und Schrapnelle her, die keine Ruhe
haben, bis sie aus dem Kanonenrohr hinausfliegen als heiße,
frischgebackene Grüße für den Feind.
In Nethel (siehe auch das Bild Seite 472 unten) hätten
wir bald unseren Rittmeister verloren. Wir hielten auf der
Landstraße, vor uns ein von den Unsrigen besetztes Dorf,
in das die französischen Granaten immer nur so hinein
sausten. Hinter dem Dorf auf einer kleinen Anhöhe fuhr
ungeachtet des feindlichen Geschoßhagels unsere Artillerie
auf; ihr folgte ebenso todesmutig Infanterie.
Da kam der Befehl, daß unsere zweite Halbkolonne
Munition nachführen solle. Von einem Leutnant geführt,
zogen die Kameraden ab, während wir von der ersten Halb
kolonne halten blieben. Ohne Verluste zu erleiden, lieferten
sie ihre Granaten und Schrapnelle ab und fuhren nach
einer Weile gleich weiter zurück, um frische Munition zu
fassen. Wir nahmen Abschied von unseren Kameraden,
wußten wir doch nicht, wie viele von uns sich wiedersehen
würden. Denn schon hieß es auch für uns: „Vorwärts!"
Es war ein schöner, heller Sonntag. Wir waren bald im
Dorf, das wir schrittweise erreichten, mittendrin im Feuer —
und jetzt dachte man an nichts weiter als an seine Aufgabe;
zur Aberlegung kommt man immer erst später, wenn alles
vorbei ist.
Also im Trab und gleich darauf im tollsten Rasen zum
Dorfe hinaus, nachher von der allzu gefährlichen Straße
herunter und querfeldein hinter einen Berg, wo wir in einem
Busch Deckung fanden, freilich aber nur auf kurze Zeit, ge
wissermaßen zum Atemholen. Dann ging es im Galopp
den Abhang hinauf. Wir waren noch nicht in halber Höhe,
da bekamen wir wieder heftiges Artillerie- und Infanterie-
feuer; wahrscheinlich hatte uns eine Staubwolke dem Feinde
verraten. Aber nun gab es kein Halten mehr. Durch —
hinauf!
Immer mehr näherten wir uns der Kuppe des Hügels.
Da sah ich, wie der Spitzenreiter des vor uns fahrenden
Wagens plötzlich im Bogen nach vorn über seine Pferde flog
und diese selbst zusammenbrachen; sie waren getroffen, dem
Kameraden aber war nichts geschehen. Gleich darauf stürzte
ein Feldwebel-Leutnant und mit einem Male auch unser
Rittmeister. Sein Pferd lag da wie tot. Er sprang sofort
auf ein anderes; da erhielt er selber einen Schuß, der zum
Glück nur das Fuß
gelenk streifte, und
wieder war sein
Pferd tot. Er
wollte auf ein drit
tes; da traf ihn
ein zweiter Streif
schuß in den Arm.
Jetzt mußte uns
der Wachtmeister
führen.
Endlich waren
wir oben bei un
serer Batterie. Es
wurde abgesessen
und die Munition
verteilt. Als unser
Wagen abgegeben
hatte, freuten wir
uns, daß uns nichts
Schlimmeres ge
schehen war.
Als wir wieder
aufgesessen waren,
kam ein Munitions
wagen an, nur
noch mit einem
Kanonier und ohne
Vorderpferde. Der
brave Kamerad hatte sich ganz allein durchgeschlagen! Wir
schnell wieder herunter und geholfen, dann wieder auf
gesessen, und ab ging es.
Wir waren erst ein paar Schritte weit, da tauchte ein
Wachtmeister von der Batterie auf. Er hatte einen Schuß
im Oberschenkel und bat, daß wir ihn mitnehmen möchten.
Er wurde aufgeladen. Wieder ein paar Schritte, da zeigte
sich ein Feldwebel von der Infanterie mit einem Schuß im
Gesicht; auch er wurde mitgenommen. So hatten wir schon
fünf Verwundete.
Nun los im Galopp. Man schwebte mehr in der Luft,
als man saß; mit einer Hand mußte man sich selbst halten,
mit der anderen einen Verwundeten, und überall flogen
die Kugeln.
Plötzlich schlugen dicht vor unseren Vorderpferden zwei
Granaten ein. Die Pferde scheuten und machten kehrt; wir
Unverwundeten sprangen schnell herunter, faßten die Tiere
am Kopf und brachten sie wieder richtig in Gang. Inzwischen
waren aber unsere Verwundeten weg; sie hatten unser Ab
springen falsch verstanden und waren, wenn auch mit zu
sammengebissenen Zähnen, mit eigener Kraft losgesteuert.
Ja, wenn der Mensch muß, dann bringt er immer noch
einen Nest verzweifelter Kraft auf — und es geht.
Ein paar Meter weiter sah ich einen Kameraden von uns
liegen. Na, an dem konnten wir doch nicht achtlos vor
beifahren. Er wurde mit vieler Mühe aufgeladen, da er
schwer verwundet war. Leider hat es ihm nur rpenig ge
nützt; er ist am anderen Tage gestorben.
Nun im Galopp heraus aus dem Hexenkessel! Mir ist
nichts geschehen. Du siehst, Unkraut verdirbt nicht. —
Deutscher Flugapparat, von einem höher fliegenden Aeroplan aus aufgenommen.