Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15.
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ladung wird an den geeigneten Stellen angelegt, die Zün
dung instand gesetzt; dann zieht sich alles zurück, bis auf den
einen Mann, der mit der glimmenden Zigarre das Ende
der Zündschnur in Brand seht. Nun rennt auch er zurück
zu den Autos, die inzwischen schon zur Rückfahrt gewendet
haben. Die Motoren sind bereits angeworfen, gerade gibt
der Hauptmann den Befehl zum Anfahren, da plötzlich
ein Aufleuchten, eine rotlodernde Glut, die hoch zum
Himmel emporschlägt, und gleichzeitig ein Krachen, daß
der Erdboden ringsum schüttelt und 'die Glasscheiben der
Autos aufs heftigste erklirren — die Sprengung ist erfolgt!
Mit dumpfem Getöse legt sich das Mauerwert der Brücke
um. Vereinzelte Sprengstücke sind selbst bis hierher zu den
Autos geflogen, aber sie haben keinen Schaden getan.
Die Augen des Hauptmanns leuchten: es ist geglückt,
der Befehl ist ausgeführt, und dem Feinde ist eine wichtige
rückwärtige Verbindung abgeschnitten. Jetzt aber heißt
cs: Auf und davon!
Denn die gewaltige
Entladung, die in der
stillen Nacht meilenweit
zu hören ist, wird nur
zu bald die Verfolger
herbeiziehen.
So läßt er denn jetzt
die Autos auffahren,
und die Maschinen geben
her, was sie im Leibe
haben. Fauchend und
ratternd wie eine Horde
von Ungetümen brau
sen die Wagen dahin.
Immer weiter entfernt
man sich vom Feinde,
bald darf man hoffen,
die eigenen Vorposten
ketten zu erreichen. Da
blintert es links vom
Wege mit schwachem,
rötlichem Schimmer
auf —Kochfeuer einer
biwakierenden Truppe.
Aber sind es wirklich
schon die Unsrigen? Das
Tempo wird verlang
samt, denn der Weg
führt gerade auf das
Lager zu. Nun ein
Anruf — der Feind!
„Halt! AusdenWa
gen — ausschwärmen
zur Schützenkette! In
Deckung des Straßen
grabens nieder, und
dann Schlltzenfeuer!"
Wie der Blitz ist der
Befehl ausgeführt, und
schon schmettern die
ersten Schüsse zum
Feinde hinüber. Der ist
überrascht, man merkt
es an dem lauten Wirrwarr drüben im Biwak, aber dann
schallen Befehle auch von dort her, und ein heftiges Feuer
des Gegners setzt ein. Etwa eine Viertelstunde dauert das
heftige Schießen von beiden Seiten, bis das Feuer des
Gegners allmählich verstummt. Da gibt der Hauptmann
Befehl: „Auf die Wagen und dann voran!"
Im Nu wird auch dieser Befehl ausgeführt, die Motore,
die unter Gas gehalten waren, springen auf der Stelle an,
und in eiligster Fahrt geht es weiter. Bald darauf tauchen
die ersten deutschen Vorposten auf, die Sprengkolonne ist
wieder in Sicherheit!
Siegreiche Abwehr eines Angriffs
italienischer Alpin! auf die österreichisch
ungarischen Stellungen bei Lavarone.
^Hierzu das Bild Seite 464/465 )
Den ersten entschiedenen Vorstoß gegen die benachbarte
Donaumonarchie suchten die Italiener mit starken Kräften
gegen das keilförmig in die Lombardei vorspringende Süd-
tirol, das sogenannte Trentino, durchzuführen, das durch
das im Tale der Etsch gelegene Trient (siehe Bild Seite 442)
beherrscht wird. Es liegt an der von Bozen nach Mailand
und Bassano führenden Eisenbahnlinie und bildet zugleich
den Knotenpunkt mehrerer Eebirgstraßen, die für den
Aufmarsch und die Verpflegung eines Heeres in dem zer
klüfteten Gebirge von größter Bedeutung sind. Bereits am
26. Mai begannen die Italiener mit schwerer Artillerie von
ihren Erenzforts aus die österreichischen Befestigungen im
Tale der Etsch und Brenta zu beschießen. Als die öster
reichischen Forts das Feuer nur schwach erwiderten, um ihre
Stellungen nicht zu verraten, glaubten die Italiener, sie
durch ihr wirkungsloses Feuer bereits zum Schweigen ge
bracht und zusammengeschossen zu haben. Deshalb setzten
sie am 27. Mai mit der Beschießung aus, um ihre Vor
posten vorzuschieben und die feindlichen Stellungen aus
zukundschaften. Sie
drangen etwa 8 Kilo
meter bis Borgo vor,
fanden aber die Höhen
von starker österreichisch-
un g aris ch er Artilleri e
besetzt. Am 29. Mai
nahmen die Italiener
die Beschießung der
Erenzwerke wieder auf;
offenbar wollten sie da
durch einen gewalt
samen Angriff vorbe
reiten, um die Höhen
stellungen im Sturm
zu nehmen. Ihr Feuer
richtete sich besonders
heftig auf den Monte
Belvedere, auf dessen
Anhöhe sich ein Fort
befindet, das das Tal
der Brenta und die Ee
birgstraßen nach Ober
italien beherrscht. Im
Lauf des Tages gelang
es hier den italieni
schen Alpenjägern, den
sogenannten Alpini, die
gleich den französischen
Chasseurs alpins vor
zügliche Eebirgsoldaten
sind, sich an den Ab
hängen festzusetzen und
Schützengräben auszu
werfen. Während der
Nacht zogen die Ita
liener bedeutende Ver
stärkungen heran, um
am Morgen des 30. Mai
die k. u. k. Stellungen
zu stürmen. Mit Tages
anbruch schmetterten die
Trompeten, schlugen die
Trommeln zum Sturm:
unter lautem „Evviva Italia“ brachen die gutausgerüsteten
Alpini, den flatternden Federbusch auf dem Käppi, mit
gefälltem Bajonett allenthalben gegen die Grüben und
Befestigungen des Gegners vor. Hundert Schritte vor
der ersten Schützenlinie empfingen sie die Feuertaufe.
Tiroler und Kärntner Scharfschützen lagen hier hinter
Felsen und verkrüppelten Kiefern versteckt und nahmen
ihre Opfer aufs Ziel. Da erdröhnt plötzlich ein heftiger
Donner, der sich hundertfach im Echo der Berge bricht;
Erde und Steine fliegen, in den Schleier des Pulver
dampfes gehüllt, in die Luft, tot, zerfetzt und verwundet
liegt die erste Sturmkolonne der Alpini auf der zerwühlten
Erde. Sie waren auf die Minenfelder, die die österreichisch
ungarischen Truppen um ihre Stellungen gezogen hatten,
geraten und hatten schwere Verluste erlitten. Einen Augen
blick zögerten die hinteren Kolonnen der Italiener und sam
melten sich zu neuem Vorstoß, doch da eröffneten die
k. u. k. Truppen von allen Seiten ein mörderisches Schnell
feuer auf den Feind, dessen Linien immer mehr gelichtet
Hofphok. KrajewZli.
Sächsische Truppen an der „Himmelsleiter" auf dem westlichen Kriegschauplaß.