Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Zweiter Band. (Zweiter Band)

36 
Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
schanzungen rund um die Stadt auf ihre eigene Kraft an 
gewiesen. 
Wir hielten einen Augenblick, um zu beraten. Die 
fliegende Ambulanz zögerte leinen Augenblick, die Wagen 
bis nach Dirmuiden laufen zu lassen, um so viel Verwundete 
wie möglich aus der Stadt herauszuholen. Wir stürmten 
also mit furchtbarer Geschwindigkeit weiter, bis wir plötz 
lich durch ein Hindernis aufgehalten wurden, das ich nie 
in meinem Leben vergessen werde. 
Eine belgische Batterie, die auf dem Wege zur Front 
war, hatte kaum zwanzig Minuten zuvor das Unglück ge 
habt, von einer großen Haubitzengranate getroffen zu werden. 
Es war das vollkommenste Zerstörungswerk, das ich jemals 
in meinem Leben gesehen habe. Sämtliche sechs Pferde 
vor einer Kanone waren zu formlosen Massen zerschmettert 
worden. Ihre Überreste lagen über die Straße verstreut, 
dazwischen ein getöteter belgischer Kanonier. Der Pr)tz- 
kasten war umgeworfen und vollständig zerstört. Die mit 
geführten Vorräte waren durch die Explosion über die ganze 
Straße verstreut. Zwischen den toten Pferden lagen Bis- 
vorbei, daß nur eine Reihe zusammenhangloser Bilder in 
meiner Erinnerung zurückgeblieben ist. 
So oft eine Granate über unseren Köpfen barst, glaubten 
wir unsere letzte Stunde gekommen. So dachten auch die 
Marinesoldaten in unserer Nähe, die sich enger zusammen 
drängten. Der offene Platz vor dem Rathaus war eine 
Hölle für sich. Die Granaten platzten hier unaufhörlich, 
und außerdem pfiffen die Kugeln, die aus den nahen Lauf 
gräben der Deutschen sich bis hierher verirrten, über den 
Platz. 
Das Rathaus bot einen traurigen Anblick. Das Dach 
war von Granaten zerschmettert. In der Nähe brannte 
ein Gebäude, das eine alte Kirche zu sein schien, und drohte, 
auch das Rathaus in Brand zu setzen. 
Im Innern bot sich eine unbeschreibliche Szene des 
Schreckens. Überall lagen tote Soldaten, Fahrräder, Lebens 
mittel, besonders Brote. Ich habe selten so viele Fahrräder 
beisammen gesehen. Radfahrer, die zur Front gingen, 
schienen sie hier zurückgelassen zu haben. Wir eilten in die 
Kellergewölbe hinab und schleppten die Verwundeten heraus. 
Phot. Benninghoven, Berlin. 
Zerschossene Straße in Dixmuiden, das, nach Erstürmung durch die Deutschen am 11. November 1914, von französischen Granaten Ln einen 
Trümmerhaufen verwandelt wurde. 
kuits, Konservenbüchsen, Kaffee» Zucker und die Habselig 
keiten der getöteten Artilleristen. In geringer Entfernung 
lagen weitere vier Pferde, die anscheinend noch eine kurze 
Strecke galoppieren konnten, ehe sie tot zusammenbrachen. 
Die überlebenden Soldaten der Batterie räumten die 
Hindernisse fort und zogen die Kanone endlich auf die Seite, 
so daß wir unseren Weg fortsetzen konnten. Wir rasten nun 
auf Dirmuiden zu. Es war, als ob wir in einen brennenden 
Hochofen hineinführen. 
Ehe man das eigentliche Dirmuiden erreicht, fährt man 
durch eine Häuserreihe. Dieser Teil war der allgemeinen 
Zerstörung bisher entgangen, und hier fanden wir die 
französischen Reserven, hinter den Häusern zusammen 
gedrängt, bereit, zur Front gesandt zu werden. Alles war 
erstaunt, daß wir uns bis hierher gewagt hatten; denn in 
Dirmuiden war die Hölle selbst. 
Man denke sich: ein ganzes deutsches Armeekorps hatte 
das Feuer seiner gesamten Feldgeschütze und schweren 
Haubitzen zu gleicher Zeit auf den Ort gerichtet. Es gab 
keinen Fußbreit Boden, über den nicht die Granaten hinweg 
fegten, kein Haus, das der Zerstörung entging, soweit ich 
sehen konnte. Das Schauspiel war so schrecklich, so auf 
regend und ging dermaßen wie in einem Traum an mir 
Gerade in diesem Augenblick, kurz vor Dunkelwerden, 
schienen die Deutschen den entscheidenden Sturmangriff zu 
unternehmen. Offenbar wollten sie Dirmuiden von Süden 
aus umgehen, und der kleine Ort St.-Jacques-Cappelle 
wurde zum Schauplatz eines wütenden Jnfanteriegefechtes. 
Das Gewehr- und Mitrailleusenfeuer schwieg keinen Augen 
blick. Die Kugeln schienen überall zu sein. Die französischen 
Verstärkungen konnten eine Zeitlang nicht zu Hilfe kommen, 
da es unmöglich war, Dirmuiden zu passieren. Die Ver 
wundeten kamen in endlosen Reihen kriechend und hinkend 
von der Front zurück, jeder mit anderen Berichten. Einige 
meinten, daß Franzosen und Belgier die Stadt halten 
würden. Andere erklärten, daß alles vorbei sei und daß 
die Deutschen bald in die Stadt einziehen dürften ...“ 
Die österreichisch-ungarische Artillerie. 
(Hierzu die Bilder Seite 38 und 39.) 
Die österreichisch-ungarische Artillerie hat sich in diesem 
Krieg unvergängliche Lorbeeren geholt. Ihre Motorbatterien, 
über die hier schon ausführlich gesprochen wurde (Band l 
Seite 201), sind bei Freund und Feind bekannt, aber sie besitzt 
I außer diesen noch viele andere durch Bau und Treffsicherheit
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.