Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15.
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stadt der Adria, im Schlaf, nur leise schaukelten die zahl
reichen Dampfer und Handelschiffe, die im Hafen vor Anker
lagen, da tauchten kurz vor sechs Uhr plötzlich gleich unheil
verkündenden Gespenstern, in nordwestlicher Richtung, in den
grauen Mantel des Morgennebels gehüllt, mehrere Panzer
schiffe auf, denen eine Anzahl Torpedoboote folgten und
die sich in gerader Richtung auf den Hafen zu bewegten.
Es war die österreichisch-ungarische Flotte, die im Morgen
grauen aus den Kriegshäfen von Pola und Fiume aus
gelaufen war und Venedig und der ganzen Ostküste der
Adria den schauerlichen Gruß des Krieges entboten hatte,
der erst seit zwölf Stunden zwischen der Donaumonarchie
und ihrem verräterischen
Bundesgenossen ausge
brochen war. Wohl ver
nahmen auch die Einwoh
ner von Ancona den fer
nen Donner der Kano
nen,allein niemanddachte
an einen feindlichen An
griff; man glaubte eher,
die eigene Marine ma
növriere in der Adria.
Aber bald wurden
Träumer an die nüch
terne Wirklichkeit ge
mahnt. Ein ganzes feind
liches Geschwader hatte
sich vor dem Hafen in
Schlachtlinie aufgestellt
und richtete, immer näher
kommend, seine Kanonen
drohend auf die Stadt.
Und schon schlugen die
ersten EranatenimHafen-
viertel ein, wo sich als
bald zwei Dampfer zur
Seite neigten unb plötz
lich in den Fluten ver
sanken. Wieder hüllte
weißer Dampf die feind
lichen Panzerschiffe ein,
und gleich darauf ging
ein dichter Hagel
Granaten und Bomben
auf Ancona nieder, deren
keine ihr Ziel verfehlte
Donnernd stürzten der
Semaphor und die Radio-
station zusammen; ein
neuer Dampfer, der zum
Stapellauf bereit in der
Werft lag, wurde völ
lig vernichtet; auch der
Bahnhof, das Artillerie-
und Kavalleriedepot so
wie die Petroleumtanke
und Eajometer wurden
erheblich beschädigt. Der
jähe Schreck, der die so
unsanft aus ihremSchlafe
geweckten Einwohner er
griff, wurde noch ge
steigert, als mehrere k.
u. k. Flieger über der Stadt erschienen und durch wohl
gezielte Bombenwürfe das Werk der Zerstörung fortsetzten.
Ein Geschoß fiel in die bereits von den Schiffsge
schützen beschädigten Gasbehälter, die nun in Flammen
aufgingen. Von hier sprang das Feuer auf die Dächer
der zunächst liegenden Häuser über, die bald lichterloh
brannten. In der allgemeinen Verwirrung dachte niemand
an Hilfe und Rettung. Krachend flogen die Granaten- und
Pulvervorrüte in den Artillerieniederlagen in die Luft, und
dicke Rauchwolken, aus denen züngelnde Flammen hervor
leuchteten, wälzten sich über die Stadt zu den Befestigungen
des Monte Euasco. Allein diese alten, noch aus der Zeit
des Kirchenstaats stammenden Forts wagten nicht, die ver
heerende Beschießung zu erwidern; nur eine leichte Strand
batterie, die mit modernen Geschützen und einigen Ma
schinengewehren ausgerüstet war, leistete Widerstand und
Heldengräber an der Bzurafronl.
Der Tod hat kühle Lände
Und einen leisen Schritt.
An harten Weges Ende
Nahm er Euch freundlich mit.
Fernferner Sehnsucht Flügel
Umkreist den grauen Stein;
Um jeden kahlen Lügel
Ist Glorienschein.
beschoß, allerdings erfolglos, die Torpedoboote, die in den
Hafen einzudringen suchten.
Wirkungsvoller hätte allerdings das neue und gut
armierte Fort „Alfredo Savio", das, am Kap von Ancona
gelegen, die See und den Hafen beherrscht, in den Kampf
eingreifen können, wenn seine Besatzung mehr Mut be
wiesen hätte. Wohl stand die Mannschaft bei Beginn
der Beschießung mit brennenden Lunten vor den geladenen
Geschützen, allein, bevor noch die Offiziere das Kommando
zum Feuern gaben, erschienen zwei österreichisch-ungarische
Militärflieger gerade über dem Fort und eröffneten aus
ihren Maschinengewehren ein mörderisches Feuer auf den
Feind, der in wilder
Flucht die Geschütze im
Stich ließ und Hals über
Kopf in den bombensiche
ren Kasematten ver
schwand, aus denen er
sich nicht mehr hervor
wagte, solange die feind
liche Flotte Ancona be
schoß. Unterdessen voll
endeten die kühnen Flie
ger ihr Zerstörungswerk.
Ungehindert wandten sie
sich landeinwärts und
bewarfen die Ballonhalle
bei Chiaravalla und meh
rere militärische Gebäude
mit dreißig Bomben, die
großen Schaden verur
sachten. Endlich, als die
u. k. Flotte ihre Arbeit
schon vollendet hatte,
suchte das italienische
Luftschiff „Cittä di Fer
rara" das abdampfende
Geschwader anzugreifen,
indem es das Panzer
schiff „Zrluy" bombar
dierte. Allein keines der
Geschosse erreichte sein
Ziel, die Bomben fielen
alle in das zischende
Wasser. Zum stahlblauen
Himmel aber stiegen rings
um Ancona mächtige
Rauchwolken empor, und
an verschiedenen Teilen
der Stadt loderten
Feuersbrünste auf. Die
k. u. k. Flieger hatten alle
ihre Bomben verworfen,
trotzdem bewegten sie sich
auf die „Cittä di Ferrara"
zu, die noch immer den
„Zriny" beschoß. Beim
Erscheinender von dessen
Bemannung mit lautem
Hurra undTücherschwen-
ken begrüßten Flieger
gab das italienische Luft
schiff schleunigst den
Kampf auf und wandte
sich in weitem Bogen zum Festland zurück.
Der erste Angriff auf die italienische Küste, mit dem
Österreich-Ungarn den ihm von seinem verräterischen
Bundesgenossen aufgezwungenen Krieg eröffnete, endete mit
einem vollständigen Erfolg und traf die vom Dreiverband
bestochenen Kriegshetzer in Rom und Mailand an ihrer
verwundbarsten Stelle.
Der Sturm auf die Sekowahöhe.
Von Di-. Colin Roß,
zurzeit Abteilungsadjutant eines Feldartillerieregiments bei der Armee des
Generalobersten v. Mackensen in Galizien.
lHierzu das Bild Seite 458/459.)
Wie eine Festung droht der Berg herüber. Die Russen
haben ihn mit aller Schlauheit ausgebaut. Er scheint wirk-
Phot. Boedecker, Berlin.
Der Leib ist nun genesen,
Die Glut ist ausgebrannt.
Und was Ihr tief gewesen,
Schwebt über Kreuz und Sand.
Max Geisenheyner.
II. Band.