Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Zweiter Band. (Zweiter Band)

Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
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jähem Entsetzen kurz vor dem Zusammenprall flüchtete. So 
jagten wir die Feinde durch ganz Belgien und Ostfrankreich. 
Doch hatten auch wir an den Ernst des Krieges glauben 
müssen. Gar mancher war gestürzt auf den Wiesen und 
Feldern, über die der Kampf sich hinzog, und ruhte für 
immer aus von der wilden, verwegenen Jagd. So haben 
wir Deutsche durch unsere militärische Friedenserziehung 
zum Drauflosstürmen es fertig gebracht, daß unsere Städte 
und Dörfer — mit verschwindenden Ausnahmen — den 
vernichtenden Odem des Krieges, der unsagbares Elend 
mit sich bringt, nicht in ihren Mauern unmittelbar zu 
spüren bekamen. Der Angriff war die beste Verteidigung 
unserer Grenze gewesen. 
Darauf folgte eine Zeit, wo die beiden Gegner sich mit 
unseren Truppen verbissen hatten. Im hin und her wogen 
den Kampf auf nahe und nächste Entfernungen suchten 
beide Teile sich Eeländepunkte durch Feldbefestigungs 
arbeiten zu sichern, was den Kampf zum Stehen und 
Argonnen vor, daß die Franzosen sich als Angreifer wähnten, 
indem sie unterirdische Minengänge schon ziemlich weit 
gegen die deutschen Schützengräben vorgetrieben hatten. 
Als aber ihre eigene Stellung plötzlich in die Luft flog — 
zum Unglück zwei Tage, bevor sie eigentlich die deutsche 
Stellung hatten sprengen wollen —, weil unsere Pioniere 
nämlich zwei Tage früher mit dem Minenangriff unter 
die französischen Gräben fertig geworden waren, merkten 
die überlegenden Rothosen, wer in Wirklichkeit und wer 
nur im Wahn Angreifer gewesen war. 
Im Bewegungskampf stürmt der Angreifer oberirdisch 
gegen die feindlichen Stellungen vor. Dieses Verfahren 
bringt raschen Eeländegewinn, aber durch das ungedeckte 
Vorstürmen auch große Verluste. 
Der Sappenangriff geschieht in der Weise, daß vom 
vordersten Schützengraben gegen den Feind zu Deckwehr 
oder Wendesappen (siehe die beiden Skizzen Seite 454) an 
der Erdoberfläche ausgehoben werden. Sie werden min- 
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Fetigrsfeflung (Schüßengraben) ^st: 
Verbindungsgraben 
fendesappenangriff 
Schematische Darstellung unterirdischer Sappen- und Minenanlagen. Nach der Skizze eines mitkämpfenden Offiziers. 
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keine großen Eeländegewinne noch -Verluste brachte. So 
stemmen sich zwei gleich starke Ringer fest in Bodenuneben- 
heiten ein, bis einer den anderen aus seinem Stützpunkt 
hebt. Dann beginnt wieder der Bewegungskampf, bis der 
Fliehende einen tüchtigen Vorsprung vor dem Verfolger 
erlangt hat und diese Frist benutzt, sich wieder festzustemmen, 
um dem neuen Zusammenprall standzuhalten. Gelingt 
ihm das vorläufig, so wird es wieder einen zähen Stellungs 
kampf geben; wird er niedergerannt, so wiederholt sich der 
Bewegungskampf. Ein Ende gibt es erst, wenn einer der 
Kämpfenden das Spiel als unwiederbringlich verloren von 
sich aus aufgibt oder derart zu Boden geschlagen wird, daß 
er dem Sieger auf Gnade und Ungnade ausgeliefert ist. 
Bei allen drei Kampfarten muß man unterscheiden 
zwischen Angreifer und Verteidiger. Oft ist der Wille 
zum Angriff beiden Parteien gleichzeitig eigen, dann gilt 
es, dem anderen bewußt oder unbewußt' zuvorzukommen. 
Nicht das Ansetzen eines Angriffes, sondern allein seine 
restlose Durchführung sichert dem Befehlshaber die begehrte 
und ehrenvolle Rolle des Angreifers. So kam es — um 
mit einem Beispiel erläuternd vorzugreifen — in den 
bestens bis zu Mannstiefe in den Boden gegraben und sind 
oben meist offen. Die Zickzackführuüg ist nötig, um dem 
Gegner nicht eine Längsbestreichung des Grabens, ein „Aus 
spritzen" zu ermöglichen. Sind diese Angriffsgräben unter 
sehr schwierigen Umständen und mühevoller Arbeit ein ge 
wisses Stück vorwärtsgekommen, so machen die Sappeure 
rechts und links um, verbinden die Sappenenden und schaffen 
somit einen neuen Schützengraben. Der Angriffsgraben wird 
zum Verbindungsgraben, der alte Schützengraben zum 
Deckungsgraben und der neue Schützengraben wird aus 
gebaut und erweitert. Ein derartiger Geländegewinn kostet 
natürlich sehr viel Zeit, schützt jedoch vor so großen Ver 
lusten, wie sie ein Angriff des Bewegungskampfes an dieser 
Stelle zeitigen würde, und führt anderseits nur selten zu 
einer Entscheidung, es sei denn, daß eine Sappe mit einer 
gegnerischen zusammenstößt, was bei nächtlicher Arbeit schon 
vorgekommen ist. 
Der Minenangriff spielt sich unter der Erde ab. Un 
sichtbar und unbemerkt treiben die Pioniere ihre Minen 
stollen 6 Meter tief unter der Erde dem Feinde entgegen. 
Ihr Ziel ist» unter die feindlichen Gräben, unter befestigte
	        
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