Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Zweiter Band. (Zweiter Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914115. 
seine Taten und sein Eemütsleben beleuchtet. Er lautet 
in der Hauptsache: 
„Schmerzlich bewegt bin ich durch den Gedanken an 
die bevorstehende Trennung von Euch, meine lieben Kame 
raden von der 3. Gardeinfanteriedivision! Denn die 
schönsten und stolzesten Tage meines Daseins habe ich mit 
Euch zusammen erlebt, und die gemeinsam erlittene Not 
und Gefahr, der gemeinsam erstrittene Waffenerfolg haben 
uns fest zusammengekittet. Wer von uns könnte die Tage 
von Bzura, von Wiskitno, den Wald von Ealkow oder 
Brzeziny vergessen! Das sind Erinnerungen, die bis an 
mein Ende in mir lebendig bleiben werden. Der 3. Garde 
infanteriedivision wird in Dankbarkeit und Treue mein 
Herz gehören, bis es zu schlagen aufhört. 
Kameraden! Denkt daran, das; das Vaterland auf Euch 
blickt und noch große Dinge von Euch erhofft. Laßt niemals 
nach in Eurer Tapferkeit und Opferbereitschaft! Unsere 
Arbeit gilt ja der Ehre und dem Fortbestand unseres teuren 
deutschen Vaterlandes, gilt 
unserem geliebten kaiser 
lichen Herrn." 
Im Höllenfeuer von 
Dixmuiden. 
(Hierzu die Kunstbeilage, das Bild 
Seite 36 und die Karte Seite 37.) 
Mit welch unvergleich 
licher Tapferkeit und Hart 
näckigkeit um das vielum 
strittene Dixmuiden auf 
unserer wie auch auf feind 
licher Seite gekämpft wurde, 
geht aus der packenden und 
einigermaßen sachlichen 
Schilderung des Kriegs 
berichterstatters Ashmead- 
Bartlett hervor, dem es 
gelungen ist, bis in den 
Mittelpunkt des Höllen 
kampfes bei Dixmuiden 
vorzudringen. 
„Jeder, der sich die Mühe 
nimmt, die Karte zu prüfen," 
so berichtet der Engländer 
im „Daily Telegraph", „wird 
auf den ersten Blick begrei 
fen, warum die Deutschen 
diese gewaltigen Frontan 
griffe auf Verschanzungen, 
Städte und Dörfer unter 
nehmen. Ihre Absicht ist, 
die Linie der Verbündeten 
zu durchbrechen, ihren rechten Flügel zu umgehen und nach 
Dünkirchen, vielleicht auch nach Calais durchzudringen. Ge 
lingt der Plan, so wäre der stetig wachsende Druck auf 
den rechten Flügel v. Klucks behoben und der Weg zur 
Meerenge von Calais frei. 
Am Dienstag traf ich in Furnes ein. Während der 
ganzen darauffolgenden Nacht zitterten die Fensterscheiben 
unter dem unablässigen Kanonendonner, der aus dem 
Osten herübertönte. Am Mittwoch hatte ich das Glück, 
am Marktplatz von Furnes Herrn de Broqueville, den 
Sohn des Ministerpräsidenten von Belgien, zu treffen. 
Er hatte Befehl erhalten, mit der berühmten fliegenden 
Ambulanz des vr. Munro nach Dixmuiden zu fahren, wo 
verzweifelte Kämpfe stattfinden sollten und Hilfe dringend 
notwendig war. — Ich erhielt die Erlaubnis, die Fahrt 
mitzumachen. 
Während wir der Schlachtfront entgegenrasten und das 
Getöse der Kanonen von Kilometer zu Kilometer lauter und 
drohender wurde, kam es uns immer mehr zum Bewußt 
sein, wie sehr der Kraftwagen die Kriegführung umgestaltet 
hat und wie das gesamte Räderwerk des Krieges von der 
Anwesenheit oder dem Fehlen dieses einzigartigen Be 
förderungsmittels beherrscht wird. Jede Straße, die zur 
Front führt, war förmlich bepackt mit Kraftwagen aller 
Art. Sie kamen und gingen in einem endlosen, unauf 
hörlich dahinrollenden Strom. Dank der ausgezeichneten 
Berfassung der belgischen Straßen konnten wir uns ohne 
Schwierigkeiten durch diese Flut von Fahrzeugen hindurch 
winden und befanden uns, bald nachdem wir das Dorf 
Avecappelle durchfahren hatten, auf dem Schauplatz der 
Schlacht. 
Nur ein photographisches Rundpanorama kann diesen 
schauerlich schönen Anblick wiedergeben. Man denke sich 
eine vollkommen flache Landschaft mit Städten und Dörfern, 
die sämtlich in Flammen stehen. Man stelle sich den Hori 
zont, etwa zwei Meilen vor uns, mit einer undurchsichtigen 
Wand von Rauch bedeckt vor, hinter der alles andere ver 
schwindet. Dazu das Pfeifen und Gellen der Granaten, 
die über den Dörfern und Bauernhöfen bersten und auf die 
Felder niedergehen. Überall die weißen Dämpfe des 
Schrapnells und die großen, schwarzen, spiralförmigen 
Rauchwolken der ,Jack Johnsons' [so nennen die Engländer 
unsere schweren Geschützes die Häuser und Kirchen in 
Trümmer legen und die Erde aufwühlen. 
Menschen sieht man im modernen Krieg nicht häufig; 
um den Höllenwerkzeugen 
der Herren Krupp, Schnei- 
der-Creuzot und Co. zu ent 
gehen, müssen sie sich in die 
Erde eingraben, um nur von 
Zeit zu Zeit einen Schuß 
abzugeben, wenn einer der 
Feinde tollkühn genug ist, 
sich über den Schutzgräben 
zu zeigen. Aber diesmal 
war das Feuer aus den 
deutschen Batterien so furcht 
bar, daß die belgischen Sol 
daten und die französischen 
Matrosen fortwährend aus 
ihren Laufgräben und 
Schutzbauten hinausgetrie 
ben wurden und nun in 
wahnsinniger Flucht über 
die Felder eilten, um ander 
wärts Schutz zu suchen. Auch 
kleine Gruppen von Bauern 
und Bürgern, die nicht recht 
zeitig geflüchtet waren, sah 
man auf der Flucht, nach 
dem selbst ihre Keller ein 
zustürzen begannen. 
Die Unglücklichen mußten 
ihren Weg, so gut sie konn 
ten, zu Fuß zurücklegen, fast 
zu Tode erschreckt durch die 
berstenden Granaten. In 
den höllischen Lärm dieser 
deutschen Geschosse mischte 
sich das unaufhörliche Knat 
tern der Gewehre und der Mitrailleusen. Es klang wie der 
feinere Ton einer Violine neben dem Getöse der Blech 
instrumente. 
Außerhalb Avecappelle hörte der Strom der Kraft- 
wagen, sowohl der kommenden wie der ausführenden, plötz 
lich auf, und die Straße lag auf drei Kilometer schnur 
gerade vor uns. Zur Rechten lag Dixmuiden. Diese Stadt 
war das Ziel der deutschen. Angriffe, und ich muß sagen, 
daß keine Stadt jemals ein schlimmeres Feuer zu ertragen 
hatte. 
Die deutschen Granaten barsten über ihr in solcher Zahl, 
daß es unmöglich war, zu zählen, wieviel auf die Minute 
kamen. Sie krachten in die Dächer hinein, legten ganze 
Straßenzüge in Trümmer, wühlten die Straßen auf und 
sprengten Ziegel und Schindeln nach allen Richtungen 
auseinander. Soldaten, die von der Front zurückkamen, 
brachten entsetzliche Nachrichten. Von Hunderten von Ver 
wundeten, die ungepflegt auf den nach Dixmuiden führen 
den Straßen und in Dixmuiden selbst lagen, von der un 
geheuren Zahl der Deutschen, die gleich einer Sturmflut 
unaufhaltsam heranbrandeten. 
Das Eranatfeuer fürchteten alle am meisten. Die 
Belgier hatten nur wenige Feldbatterien, und der Feind 
beherrschte förmlich das Feld mit seinen schweren Haubitzen. 
Sobald eine belgische Batterie einen Versuch machte, 
zu antworten, wurde sie von den deutschen ,Jack Johnsons' 
in Stücke geschlagen. So war die Infanterie in den Ver- 
Phot. R. Sennecke, Berlin. 
Leichtverwundete aus der Schlacht am Bzura-Rawka-Abschnitt kehren aus 
der Feuerlinie zurück. 
Links ein Infanterist mit erbeutetem Patronenstreifen eines russischen 
Maschinengewehrs.
	        
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