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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15.
Als nach dein Attentat von
Seraiewo Österreich - Ungarn
gezwungen war. gegen Serbien
vorzugehen, um einer dauern
den Bedrohung seiner Lebens
interessen durch die großser
bischen Umtriebe ein Ende zu
bereiten, fiel ihm Rußland in
den Arm. Während Deutsch
land auf Anrufen des Zaren
noch bemüht war, den zwischen
Wien und Petersburg drohen
den Konflikt friedlich zu schlich
ten, machte Rußland seine ge
samte Militärmacht mobil und
entfesselte so den Weltkrieg.
Die Herausforderung lag also
auf russischer Seite.
Die Berufung auf Artikel 7
wäre begründet gewesen, wenn
Österreich - Ungarn auf einen
Machtzuwachs auf dem Balkan
ausgegangen wäre. Wien batte
jedoch schon vor dem Kriegs
ausbruch in Petersburg und
auch in Rom erklärt, daß Öster
reich-Ungarn keine Eebietser-
werbungen auf Kosten Ser
biens erstrebe. Beide im Krieg
stehenden Zentralmächte wären
daher berechtigt gewesen, die
Einwände Italiens gegen seine
Bündnispflicht nicht anzuerken
nen. In loyalem Verständnis für die nicht leichte innere
und äußere Lage Italiens zogen sie jedoch vor, die einseitige
Auslegung des Dreibundvertrages hinzunehmen und sich
mit der Erklärung wohlwollender Neutralität, zu der der
Vertrag unzweifelhaft verpflichtete, zu begnügen. Obgleich
der Artikel 7 auf Entschädigungen nur für den Fall eines
Machtzuwachses am Balkan abzielt, erklärte sich doch die öster
reichisch-ungarische Regierung wegen der mit Ausbruch des
Krieges eingetretenen Möglichkeit einer Machtverschiebung
General Graf Luigi Cadorna,
Chef des italienischen Generalstabs.
grundsätzlich bereit, etwaige
Entschädigungen ins Auge zu
fassen.
Mehr und mehr stellte sich
jedoch im weiteren Verlaufe,
nach dem Tode des Ministers
Marquis di San Giuliano, her
aus, daß in Italien starke Kräfte
am Werke waren, um für die
Bewahrung der Neutralität
noch einen besonderen Vorteil
von der Donaumonarchie her
auszuschlagen. Die italienische
Regierung fing an zu rüsten,
und mit den Rüstungen stiegen
die Forderungen der Jrreden-
tisten, Republikaner, Freimau
rer und sonstigen Franzosen
freunde.
In dem natürlichen Be
streben, Italien vom Kriege
fernzuhalten und die Bezie
hungen zwischen Österreich-Un
garn und Italien mrf eine neue
freundschaftliche Grundlage zu
stellen, hat die deutsche Regie
rung nichts unversucht gelassen,
um eine Einigung zwischen
Österreich-Ungarn und seinem
italienischen Bundesgenossen
herbeizuführen.
Die Verhandlungen kamen
langsam in Gang. Erschwert
wurden sie von vornherein durch das Verlangen der ita
lienischen Regierung, daß die zu vereinbarende Gebiets
abtretung sofort in Kraft gesetzt werden müsse. Um den
in diesem Verlangen liegenden Argwohn zu zerstreuen,
wurde am 19. Mürz 1915 die Garantie der deutschen Re
gierung für die Durchführung der Vereinbarungen unmittel
bar nach dem Kriege zugesagt.
Auf das erste bestimmte Angebot Österreich-Ungarns
von Ende Mürz 1916, das bereits die Abtretung der italieni-
Phot. F. Thier, Wien.
Phot. Berl. Jllustrat.-Gef. m. b. H.
Italienischer Lanzenreiker in feldgrauer Uniform.
Phot. Berl. Jllustrat.-Ges. m. b.
Bersaglieripatrouille in den Alpen.