Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Zweiter Band. (Zweiter Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
der in ihm wohl zunächst nur einen Platzhalter sah, als er 
ihm im März 1914 die Staatsgewalt in die Hände gab. 
Wohl aus dem begreiflichen Ruhebedürfnis seines Alters 
überliest ihm Eiolitti nach Kriegsausbruch die Zügel der Re 
gierung länger als gut war, bis sich nichts mehr ändern liest. 
Dies nutzte Eiolittis alter Gegner Sonnino (Bild 
S. 429) im Verein mit den Dreiverbandsfreunden kräftig 
aus, was um so leichter war, als er einst Salandra in den 
Sattel gehoben hatte und dieser ihm treue Dankbarkeit 
bewahrte. Sonninos Mutter war, was auch seinen eng 
lischen Vornamen erklärt, eine Engländerin; so wuchs er von 
Jugend an unter englischem Einfluß auf. Schon vor zwanzig 
Jahren machte er in einem Aufsatz in der „Nuova Anio- 
logia" kein Hehl daraus, daß er zur Erreichung seiner 
demokratischen Ziele im Notfall auch die Straße gegen 
das Königtum zu Hilfe rufen würde, und als Beherrscher 
einer gerade beim Volk weitverbreiteten Zeitung hat er 
das weidlich getan. Für den italienischen Botschafter am 
Wiener Hofe aber, Herzog Avarna (Bild S. 428), der in 
Wien großes Ansehen genoß und heim hohen Adel auch 
viel aufrichtige Freunde hatte, war es gewiß einer der 
schwersten Augenblicke seines Lebens, als er gegen seine 
innere Überzeugung die Kriegserklärung überreichen mußte. 
Was nun endlich Eiolitti anbelangt, der in letzter Stunde 
das Verhängnis zu wenden suchte und dafür mit Todes 
drohungen von seinen irregeführten Landsleuten überschüttet 
wurde, so war er sicherlich ein überzeugter Anhänger des 
Dreibundes. Richt aus Liebe zu Österreich-Ungarn! Auch 
er hätte vom österreichischen Boden für Italien genommen, 
was der Stunde Gunst bot, und alle Karten dafür ausgespielt. 
Aber eben weil er klar erkannte, daß Italien nur an der 
Seite der Zentralmächte einer großen Zukunft entgegen 
gehen konnte, hielt er fest am mehrmals freiwillig von 
Italien erneuerten Vertrag mit dem nordöstlichen Nachbar 
und warf dafür schließlich sein ganzes, wahrlich nicht ge 
ringes Ansehen in die Wagschale. Man hielt es auch für 
gewiß, daß es ihm, dem langjährigen, fast unumschränkten 
Beherrscher, der inneren Politik, gelingen müsse. Aber es 
war doch schon zu spät, und so erfüllte sich an ihm noch ein 
besonderes tragisches Geschick: war er es doch, der ohne 
Wissen und sicherlich sehr gegen den Willen und Vorteil 
Deutschlands und Österreich-Ungarns, den Krieg mit der 
Türkei um Tripolis vom Zaune brach, der auf dem Balkan 
den Stein ins Rollen brachte und so letzten Endes den 
Ausbruch des heutigen Weltkrieges verschuldet hat. 
Um Vpern. 
Von Paul Otto Ebe. 
(Hierzu Bilder und Kartenskizze Seite 131—438.) 
An der ganzen Westfront wird es kaum ein Gelände 
geben, das großen Operationen mehr Schwierigkeiten ent 
gegenzustellen vermöchte, als die Umgegend von Ppern. 
Eine Menge kleiner Wasserläufe, unzählige kleinere Wald 
stücke, Zahlreiche einzeln gelegene Gehöfte mit starken 
Mauern, abgezäunte Wiesen und Felder bilden natürliche 
Hindernisse. Der Ppernkanal und die Mer dienten vor 
allem dem Gegner lange Zeit als vortrefflicher Flanken 
schutz für seinen Kernpunkt Ppern. Um diesen Schlüssel 
punkt der feindlichen Stellung ziehen sich außerdem im 
Abstand von 4 bis 6 Kilometer von Norden über Osten 
nach Süden Hügelketten hin. Sie sind nicht besonders hoch, 
zwischen 20 und 150 Meter etwa, aber sie überragen das um 
liegende Flachland Flandern und sind gleichzeitig wertvolle 
Beobachtungswarten, von denen man weithin Übersicht hat; 
auch dienen sie als Deckungen, um Truppenbewegungen 
hinter ihrem Rücken zu verbergen, und als eine Art natürlicher 
Festungswälle, die Ppern schützend und abwehrend um 
geben. Dazu haben unsere Gegner noch ihr möglichstes 
getan, diesen Naturwall künstlich zu verstärken. Graben reiht 
sich an Graben. Beobachtungstellen der Artillerie benützen 
den Fernblick. Eng schmiegt sich die rasante Flugbahn der 
Gewehre und Geschütze an die sanft ansteigenden Böschungen, 
die unsere Angriffsinfanterie hinaufstürmen muß. 
Auf die dortigen gegnerischen Truppen lohnt es sich, 
kurz einzugehen. Bekanntlich werden die Belgier am Küsten 
abschnitt verwendet. Zwischen diese und die 
Engländer bei Ppern wurden nun auch noch 
Franzosen mit Einschluß Farbiger in die 
Kampffront eingereiht, so daß die Straße 
Ppern—Langemarck die Trennungslinie zwi 
schen Franzosen nördlich und Engländern 
südlich der Straße wurde. 
Die deutschen Angriffe gegen dieses Ge 
biet mit diesen Gegnern sollen im folgenden 
zeitlich geordnet wiedergegeben werden. Im 
Oktober letzten Jahres (siehe nebenstehende 
Kartenskizze) standendie Verbündeten auf dem 
rechten Ufer der Mer und des Ppernkanals in 
Keyem—Dirmuiden—Merkern, sowie in Bir- 
schoote—Langemarck—Poelkapelle—Passchen- 
daele—Becelaere—Gheluveld—Zandvoorde 
—Hollebeke, was einen Brückenkopf um die 
Stadt Ppern bedeutete und woran sich die 
Stellungen von Wytschaete und Messines 
anschlossen. Im Norden wurde mit dem 
deutschen Vorstoß begonnen. In heftigem, 
zähem Kampf wurden Keyem und Dir- 
muiden genommen und die feindliche Be 
satzung auf das linke Merufer geworfen, wo 
durch wir bei Dirmuiden ein Äusfalltor über 
die Mer zum Westufer erhielten. Auch öst 
lich Ppern hatten wir einige Erfolge zu 
verzeichnen durch Erstürmung der Dörfer 
Becelaere und Zandvoorde, von denen, wie 
bei allen Niederlassungen in jener Gegend, 
nur noch einige Grundmauern und Trüm 
merhaufen bestanden. Südlich von Ppern 
wurden Wytschaete und Messines genom 
men. Bei letzterem mußte Haus um Haus 
von schweren Haubitzen, die innerhalb des 
Ortes auffuhren, auf nächste Entfernungen 
in Grund und Boden geschossen werden. 
Auch St.-Eloi ging in unseren Besitz über. 
Erst die überragende Höhe des Kemel 
berges gebot dem deutschen Ansturm vor 
läufig halt. 
Im Frühjahr begann ein weiterer deut- 
fei6rechten ^ 
o^Bixschoote 
Erläuterungen : 
« - Stellung d./Wirrten jrüiier 
.. » - . im Mai 1915 
Trenn ungsjtra sse d.Fh.u.Engl. 
Kampflinien 
^_^deut5cl]e Angrij^sJtÖsse 
im Frühjar *1.915. 
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^Becelaere 
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60 ^Zandvoorde 
'ITC aj5 stab : 
5 K,ti. 
Karte zu den Kämpfen um Bpern.
	        
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