Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Zweiter Band. (Zweiter Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
gewöhnt; freilich gewöhnt auch daran, daß trotzdem immer 
etwas für es abfällt. Das zeigt eine Bismarckanekdote. 
Auf dem Berliner Kongreß von 1878 faßen einmal Bismarck, 
Eortschakow und Disraeli beisammen. Da trat der italienische 
Gesandte auf sie zu und sagte: „Ja, und Italien, was soll 
denn das bekommen?" Eortschakow machte sein pfiffigstes 
Gesicht und — schwieg. Disraeli setzte eine geärgerte und 
abweisende Miene auf und — schwieg. Bismarck aber sagte 
fröhlich lachend: „Aber ich habe ja nicht gehört, daß Italien 
in letzter Zeit eine Schlacht verloren hätte." Wir hoffen 
bald zu hören, daß die Italiener mehr als eine Schlacht 
verloren haben; aber wir glauben nicht, daß es diesmal für 
seine Niederlage etwas bekommt, sondern wir denken, daß 
dieser Treulosigkeit gegenüber die Weltgeschichte einmal 
wieder ihr großes Amt als Weltgericht übernehmen und des 
selben gründlich walten wird. Darum, Italien, hüte dich! 
-i- * 
Auf Seite 250 erwähnten wir italienische Presseäuße 
rungen über Italiens Lebensinteresse daran, daß die Dar 
danellen nicht in den Besitz einer anderen Großmacht ge 
langten. Es wurde in italienischen Blättern geradezu 
scharf betont, daß Italien sich gegen den Dreiverband er 
klären müsse, um die Besitznahme der Dardanellen durch 
ihn zu verhindern. Der Zweibund konnte diese Auffassung 
begrüßen, weil damit wenigstens die Aussichten auf eine 
tatsächliche Neutralität Italiens gesichert erschienen, während 
es im Geist des dreiunddreißigjährigen Bündnisses uns ja 
kämpfend hätte zur Seite treten müssen. Auf diese Presse 
äußerungen zu Anfang März folgten bald weitere Mit 
teilungen, wonach Italien in Verhandlungen mit Österreich- 
Ungarn getreten sein und ein befriedigendes Ergebnis 
erzielt haben sollte. Solche „Verhandlungen" mit einer 
Dreibundsmacht konnten merkwürdig erscheinen, aber es 
fehlte doch auch nicht an Optimisten, die Italien nur über 
die Bedingungen verhandeln sahen, unter denen es seine 
rechte Dreibundspflicht Schulter an Schulter für seine treuen 
dreiunddreißigjährigen Weggenossen kämpfend erfüllen 
könnte. Deutsche Ehrlichkeit rechnete trotz aller Erfahrungen 
wieder einmal nicht mit welscher Tücke. Ein Vertrag, der 
entgegenkommend, ja opferbereit dreiunddreißig Jahre ge 
halten hat, durfte doch angesichts des gefährlichen Augen 
blicks, für den er geschmiedet war, nicht ein wertloser Fetzen 
Papier werden. 
Eine Gruppe von dreiverbandsreundlichen Politikern be 
gann schon zu Beginn des Krieges ihre skrupellose Hetze für 
einen Krieg gegen die bisherigen Verbündeten und er 
weiterte sich im Laufe der Zeit sogar zu einer ganzen Partei, 
den Interventionisten. Für alle Zeiten festgenagelt werden 
muß besonders der für deutsches Empfinden ungeheuerliche 
Vertrauensbruch eines Mitgliedes des italienischen Mini 
steriums, das bereits am 26. Juli an Frankreich den ver 
traulichen Beschluß des Ministeriums verriet, daß Italien im 
Fall eines Krieges nicht auf Seiten der Zentralmächte ein 
greifen würde. Schon am 26. Juli also, als der deutsche 
Kaiser und deutsche Staatsmänner mit ehrlicher Offenheit 
und ergreifender, nimmermüder Rastlosigkeit um das in 
diesem Augenblick als unvergleichlich kostbar erkannte Gut 
des Völkerfriedens rangen, vergiftete ein italienischer Staats 
mann auf verantwortlichem Posten den letzten Rest von 
Vernunft bei unseren Feinden mit dem verräterischen Ruf: 
Wir Italiener bleiben neutral! Mit unserer Gegnerschaft 
braucht ihr nicht zu rechnen! 
In den Augen der Feinde Deutschlands und Österreich- 
Ungarns konnte das nur bedeuten: ein Sieg vor Beginn 
des Krieges! Zwei Millionen Mann ausgeschaltet, ohne 
einen Tropfen Blut! Ohne ein Quentchen Pulver! Ver 
suchen wir es mit den übrigen Millionen! Versuchen wir 
es mit dem Dreibundkrüppel, der ein wesentliches Glied 
bereits verloren hat! 
Und nicht nur verloren war es. Eine furchtbar hem 
mende Last war und blieb Italien seit Beginn des Krieges, 
weil es die volle Entfaltung unserer Kräfte nicht zuließ. 
Wie wenig fehlte, dann hätten die Interventionisten schon 
im August 1914 einen Uberraschungsieg erfochten — Lügen 
und geschickte Entstellungen der Kriegslage ließen uns in 
den Augen der Italiener ja schon hilflos am Boden liegen. 
Sie verspürten brennende Ungeduld, dem verendenden 
Löwen schleunigst das Ende bereiten zu helfen. 
Die Ernüchterung kam durch unsere unleugbaren, einzig 
dastehenden, Hieb auf Hieb erfolgenden Siege in Ost und 
West. Vorkämpfer der Neutralität Italiens riefen zur Be 
sonnenheit auf. Aber die Interventionisten schürten und 
wühlten weiter und — die Regierung begann fieberhaft zu 
rüsten. 
Die Kriegstimmung in Italien wurde nun wesentlich 
erhöht durch die Vorgänge in Tripolis. Die zahlreichen 
Unglücksfälle dort versuchte man uns in die Schuhe 
zu schieben, weil die Türkei auf unserer Seite stand. 
Das ganze Binnenland der im Tripoliskriege von 
den Italienern eroberten Provinzen war schon seit 
Monaten von den italienischen Besatzungen geräumt 
worden. Man begann sogar mit der Zurückziehung 
der vorgeschobenem Posten in den Randgebieten. 
Das mußte naturgemäß zu blutigen Zwischenfällen 
führen, weil die Besitzergreifung der Kolonie trotz 
aller Opfer so planlos, so wenig gründlich geschah, 
daß die kampfgeübten Stämme dort sich keines 
wegs besiegt oder niedergerungen fühlten. Selbst 
in der Nähe der Küste wagten die Eingeborenen un 
unterbrochene Angriffe, die schließlich Streifzüge 
mit starken Kolonnen ins Innere hinein erfor 
derten, um die Angriffslust der Bedränger zu er 
sticken. Aus einer dieser Kolonnen, in der viele 
Farbige waren, zweigte sich am 29. April der Stamm 
der Tarhuna ab, um zu den Aufständischen überzu 
gehen. Mitten im Gefecht feuerte er plötzlich auf die 
italienischen weißen Soldaten. Oberst Miani befahl 
darauf den Bersaglieri, einen Bajonettangriff gegen 
die Meuterer zu machen, aber während dieser noch 
unter schweren Verlusten für die Weißen vor sich 
ging, empörten sich zwei weitere farbige Abteilungen 
und griffen die Bersaglieri im Rücken mit Gewehr 
schüssen an. Diese konnten sich nur unter blutigen 
Opfern von den Angreifern „loslösen" und mußten 
den Rückzug antreten. Die Aufständischen verfolgten 
die Zurückgehenden Italiener bis in die Nacht hin 
ein. Bei dieser Meuterei fielen 600 Soldaten, dar 
unter 300 Weiße. Unter den 20 gefallenen Offizieren 
befanden sich ein Oberstleutnant, ein Major und 
mehrere Hauptleute. Alle ihre Geschütze und Ma 
schinengewehre mußten die Italiener im Stichelassen; 
es handelte sich also um eine regelrechte Flucht, die 
das Ansehen der militärischen Tüchtigkeit der Italiener
	        
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