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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15.
Phot. Berl. Jllustrat.-Gef. m. b. H.
Großfürst Michael Alexandrowitsch litt heller Uniform) durchquert mit seinem Stabe
einen Nebenfluß des San.
pflegt werden, im zehnten Kriegsmonat schon auf 1386000
gestiegen ist. Das sind Zahlen, denen die Kriegsgeschichte
nichts Ähnliches an die Seite zu stellen hat.
Nach der Meldung, daß der österreichisch-ungarische
Vorstoß durch die Bukowina schon bis in die Nähe der russi
schen Festung Chotin in Bessarabien gediehen sei (Seite 331),
wurde lange Zeit aus diesem Kronland nichts berichtet.
Erst am 12. April meldete die k. u. k. Heeresleitung, daß
dort wie in Südostgalizien einzelne heftige Eeschützkämpfe
im Gange seien. Diese Geschützkämpse währten nach den
österreichisch-ungarischen Tagesberichten fast bis zum Ende
des Monats. Aus Bukarest wurde am 22. April gemeldet,
daß ganz Rumänien mit größter Spannung die Weiter
entwicklung der Kämpfe östlich von Czernowitz verfolge.
Es habe ganz den Anschein, als ob sich aus den Gefechten,
die mit nur geringen Streitkräften begonnen hätten, durch
das planmäßige Eingreifen der I. u. k. Verstärkrmgen eine
große Schlacht von weit mehr als nur örtlicher Bedeutung
entwickeln wolle. Nach den in Bukarest vorliegenden Mel
dungen hätten die österreichisch-ungarischen Truppen in
ununterbrochenem heftigen Angriff die russische Front an
mehreren Stellen durchbrochen und seien tief auf russisches
Gebiet in Bessarabien eingedrungen. Große Teile des
äußersten linken Flügels der Russen seien nach der rumäni
schen Grenze zu abgedrängt worden. Täglich erschienen
Hunderte von Russen bei den rumänischen Grenzposten,
um sich hier entwaffnen zu
lassen. Die amtlichen öster
reichisch-ungarischen Heeres
berichte wurden noch ergänzt
durch Czernowitzer und Bu-
karester Zeitungsmeldungen,
nach denen die k. u. k. Trup
pen sich am 27. April in den
Besitz der beiden Plätze Bo-
jan und Nowosielica setzten.
Bojan ist ein Marktflecken in
der Bukowina mit etwa
7000 Einwohnern und liegt
12 Kilometer östlich von Czer
nowitz. Nowosielica liegt im
äußersten Zipfel der Buko
wina, wo die Grenzen von
Österreich, Rußland und Ru
mänien Zusammenstoßen. Es
ist ein Dorf mit etwa 2000 Ein
wohnern.
An der bukowinisch-süd-
ostgalizischen Grenze entstan
den Ende April bei Zaleszyki
Kämpfe. Eine k. u. k. Batterie schoß
ein russisches Munitionsmagazin in
Brand. Auch wurde hier ein russischer
Stützpunkt von unseren Verbündeten
genommen. Um dieselbe Zeit tobten
in Südostgalizien auf den Höhen über
dem Lomnitztal Kämpfe, in denen die
Russen zurückgeschlagen wurden. Noch
vor Ablauf des Monats wurde der
Brückenkopf Zaleszyki, nachdem die
Russen ihn wochenlang verzweifelt ge
halten hatten, von den Truppen un
serer Verbündeten gestürmt und der
Feind über den Dnjestr verfolgt, wo
bei 3500 Mann gefangen genommen
wurden. Leider mußten unsere Waf
fenbrüder schon am 11. Mai diesen
Ort wieder räumen, nachdem starke
russische Kräfte über den Dnjestr vor
gestoßen waren. Auch nördlich des
Pruth in der Richtung auf Czernowitz
waren starke russische Kräfte vorge
stoßen, die indessen bald zurückgeschlagen
wurden.
Während so in unaufhaltsamem
Lauf die verbündeten deutschen und
österreichisch-ungarischen Truppen die
russischen Massen in Galizien siegreich
vor sich Hertrieben, während hier und da schon ein Hoff
nungsschimmer auftauchte, es könnte wenigstens auf dem
östlichen Kriegschauplatz eine Entscheidung nicht mehr allzu
fern sein, hatten sich im Süden neue Wetterwolken zusam
mengeballt. Ein weiterer Gegner trat auf den Plan:
Italien,
das seinen nunmehr 33 Fähre bestehenden Bündnisvertrag
mit Deutschland und Österreich-Ungarn brach und seinen
einstigen Freunden treulos in den Rücken fiel.
Nachdem der Dichter des Nibelungenlieds erzählt hat,
wie Siegfried auf der Jagd am Lindenbrunnen im Oden
wald von Hagen hinterrücks erschlagen ward, ruft er, selbst
empört über solche Treulosigkeit, aus:
Nimmer hat ein Degen
Sich mit solcher Schmach befleckt.
Der Dichter hat den Treubruch Italiens gegen seine lang
jährigen Bundesgenossen Österreich-Ungarn und Deutsch
land nicht erlebt, sonst hätte er das nicht sagen können; denn
dieselbe Heimtücke, die damals an dem deutschen Helden
verübt wurde, hat Italien gegen uns begangen. Ja seine
Schmach ist noch schlimmer: Hagen tat, was er tat, aus
Treue gegen seine Herrin Brunhilde, die Frau seines Königs
und Freundes Günther; Italien tat, was es tat, als Er
presser an dem bisherigen Freund. Ihm setzt es wie ein
Brigant die Pistole auf die Brust und fordert ihm, ohne
Von Przemysl bis Lemberg.